Arzneimittel und Therapie

Neuer Testosteron-Blocker Abirateron

Das Antiandrogen Abirateronacetat (Zytiga®) ist zusammen mit Prednison oder Prednisolon zur Behandlung des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms bei erwachsenen Männern indiziert, deren Erkrankung während oder nach einer Docetaxel-haltigen Chemotherapie progredient ist.
Abirateron

Kastrationsresistente Prostatakarzinome (früher auch als "hormonrefraktäre" oder "androgen-unabhängige" Prostatakarzinome bezeichnet) reagieren trotz Ausschaltung der Hoden durch eine Behandlung mit LHRH-Agonisten oder eine Orchiektomie immer noch empfindlich auf Androgene. Als Folge können selbst geringste Androgenmengen, die in der Nebennierenrinde oder den Tumorzellen selbst gebildet werden, ein neuerliches Tumorwachstum auslösen.

Blockade der Testosteronsynthese

Abirateronacetat wird in vivo zu Abirateron umgewandelt. Abirateron inhibiert selektiv das Enzym 17-Alpha-Hydroxylase/C17,20-lyase (CYP17). Dieses Enzym wird in Hoden, Nebennieren und Prostata-Tumorgewebe exprimiert und ist für die Androgen-Biosynthese erforderlich.

CYP17 katalysiert die Umwandlung von Pregnenolon und Progesteron in die Testosteron-Vorstufen DHEA bzw. Androstendion durch Hydroxylierung und Spaltung der C17,20-Bindung. Die CYP17-Inhibition führt außerdem zu einer erhöhten Mineralocorticoid-Produktion in den Nebennieren.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Die empfohlene Dosis beträgt 1000 mg (vier 250-mg-Tabletten) als tägliche Einmalgabe.

Zusammen mit Nahrungsmitteln schwanken AUC und Cmax stark, abhängig vom Fettgehalt der Mahlzeit. Daher darf Abirateronacetat nicht zusammen mit Nahrungsmitteln eingenommen werden. Der Wirkstoff soll mindestens zwei Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme eingenommen werden; nach der Einnahme der Tabletten soll mindestens eine Stunde lang keine Nahrungsaufnahme erfolgen.

Durch die CYP17-Hemmung kann Abirateron die Mineralocorticoid-Spiegel erhöhen, was zu Hypertonie, Hypokaliämie und Flüssigkeitsretention führen kann. Die gleichzeitige Gabe eines Glucocorticoids supprimiert die Ausschüttung des adrenocorticotrophen Hormons (ACTH), wodurch Inzidenz und Schwere dieser Nebenwirkungen verringert werden. Deshalb müssen zusätzlich täglich 10 mg Prednison oder Prednisolon eingenommen werden.


Zytiga

Senkung des Testosteronspiegels

Abirateron kann das Überleben von Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom verlängern. Eine Behandlung mit Abirateron senkt den Serum-Testosteron-Spiegel auf nicht nachweisbare Konzentrationen, wenn es gemeinsam mit LHRH-Agonisten gegeben wird oder eine Orchiektomie vorgenommen wurde.

Die Zulassung basiert auf den Daten einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten klinischen Studie an Patienten, die auf eine vorherige Chemotherapie mit Taxanen nicht mehr angesprochen hatten. Dabei wiesen 38% der Patienten, die mit Abirateron behandelt wurden, und 10% der Patienten unter Placebo einen Rückgang des PSA-Werts um mindestens 50% gegenüber dem Ausgangswert auf. Die mediane Zeit bis zur PSA-Progression betrug bei mit Abirateron behandelten Patienten 10,2 Monate und bei mit Placebo behandelten Patienten 6,6 Monate. Das prostataspezifische Antigen (PSA) dient bei Patienten mit Prostatakarzinom als Biomarker. Das mediane radiologische progressionsfreie Überleben betrug bei mit Abirateron behandelten Patienten 5,6 Monate und bei Patienten, die Placebo erhielten, 3,6 Monate.

Nach den ersten Behandlungsmonaten hatte ein höherer Anteil der mit Abirateron behandelten Patienten im Vergleich zum Anteil der mit Placebo behandelten Patienten überlebt.


Steckbrief: Abirateron


Handelsname: Zytiga

Hersteller: Janssen-Cilag

Einführungsdatum: 1. Oktober 2011

Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 250 mg Abirateronacetat. Sonstige Bestandteile: Lactose-Monohydrat, mikrokristalline Cellulose, Croscarmellose-Natrium, Povidon (K29/K32), Natriumdodecylsulfat, Magnesiumstearat, hochdisperses Siliciumdioxid.

Packungsgrößen, Preise und PZN: 120 Tabletten, 5445,13 Euro, PZN 9228147

Stoffklasse: Antiandrogen; Androgensynthesehemmer. ATC-Code: L02BX03.

Indikation: Zur Behandlung des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms bei erwachsenen Männern, deren Erkrankung während oder nach einer Docetaxel-haltigen Chemotherapie progredient ist.

Dosierung: 1000 mg (vier 250-mg-Tabletten) als tägliche Einmalgabe; nicht zusammen mit Nahrungsmitteln.

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.

Nebenwirkungen: Hypokaliämie, Hypertonie, Flüssigkeitsretention (periphere Ödeme).

Wechselwirkungen: Vorsicht ist geboten, wenn Abirateron zusammen mit Arzneimitteln angewendet wird, die durch CYP2D6 aktiviert oder metabolisiert werden. Starke CYP3A4-Inhibitoren oder -Induktoren sollen während der Behandlung nach Möglichkeit vermieden oder mit Vorsicht angewendet werden.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Serum-Transaminasen, Blutdruck, Serum-Kalium und Flüssigkeitsretention sollten regelmäßig kontrolliert werden. Vorsicht ist bei Patienten geboten, deren Grunderkrankungen durch einen Blutdruckanstieg, Hypokaliämie oder Flüssigkeitsretention (z. B. Patienten mit Herzinsuffizienz), schwere oder instabile Angina pectoris, kürzlich aufgetretenen Myokardinfarkt oder ventrikuläre Arrhythmie beeinträchtigt werden könnten, sowie bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung. Bei Patienten mit einer kardiovaskulären Erkrankung in der Anamnese soll Abirateron mit Vorsicht angewendet werden. Vor Beginn der Behandlung muss eine Hypertonie stabil auf Normwerte eingestellt und eine Hypokaliämie korrigiert werden. Falls Patienten während der Behandlung eine schwere Hepatotoxizität entwickeln, sollte die Behandlung unverzüglich abgebrochen werden; eine erneute Behandlung kann mit einer reduzierten Dosis von 500 mg einmal täglich erfolgen.

Abbau in der Leber

Nach oraler Gabe wird Abirateronacetat zu Abirateron hydrolysiert und dann durch Sulfatierung, Hydroxylierung und Oxidation primär in der Leber metabolisiert. Die mittlere Halbwertszeit von Abirateron im Plasma beträgt etwa 15 Stunden. Nach oraler Gabe werden etwa 88% mit den Fäzes und 5% im Urin ausgeschieden, hauptsächlich als unverändertes Abirate-ronacetat und Abirateron (etwa 55% bzw. 22% der angewendeten Dosis).

Bei Patienten mit leichter Leberfunktionsstörung, Child-Pugh Klasse A, ist keine Dosisanpassung erforderlich. Bei Patienten mit mäßiger bis schwerer Leberfunktionsstörung sollte Abirateronacetat nicht angewendet werden, da keine Empfehlung zur Dosisanpassung gegeben werden kann. Bei Patienten, die während der Behandlung eine Hepatotoxizität entwickeln, können eine Unterbrechung der Behandlung und eine Dosisanpassung erforderlich sein.

Bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen ist keine Dosisanpassung erforderlich. Da bei Patienten mit Prostatakarzinom und schwerer Nierenfunktionsstörung keine klinischen Erfahrungen vorliegen, ist bei diesen Patienten Vorsicht geboten.

Vorsicht ist auch bei der Behandlung von Patienten geboten, deren Grunderkrankungen durch einen Blutdruckanstieg, Hypokaliämie (z. B. Patienten unter herzwirksamen Glykosiden) oder Flüssigkeitsretention (z. B. Patienten mit Herzinsuffizienz), schwere oder instabile Angina pectoris, kürzlich aufgetretenen Myokardinfarkt oder ventrikuläre Arrhythmie beeinträchtigt werden könnten, sowie bei Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung.


Epidemiologie


Das Prostatakarzinom ist mit 25% aller diagnostizierter Krebserkrankungen die häufigste Krebserkrankung des Mannes in Deutschland. Jährlich erkranken etwa 58.000 Männer in Deutschland neu an diesem Tumor. Angaben zur Prävalenz, die auf Autopsiebefunden basieren, liegen für Deutschland nicht vor. Aus internationalen Studien lassen sich für die Altersgruppe zwischen 60 und 70 Jahren Prävalenzen zwischen 70/100.000 (US-afroamerikanische Männer) und 14/100.000 (griechische Männer) ableiten. Die altersstandardisierte Inzidenz des Prostatakarzinoms ist weltweit unterschiedlich.

Bei den tödlich verlaufenden Tumorerkrankungen bei Männern steht das Prostatakarzinom mit 10% in Deutschland an dritter Stelle, bei der Betrachtung aller Todesursachen an siebter Stelle. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei ca. 69 Jahren. In Deutschland sterben pro Jahr etwa 12.000 Patienten an den Folgen eines Prostatakarzinoms. Bis zum Jahr 2050 wird der Anteil der über 60-Jährigen in der Bevölkerung voraussichtlich auf ca. 28 Millionen Männer anwachsen (37%) und damit doppelt so hoch sein wie heute. Im gleichen Umfang ist eine Zunahme der Prostatakrebserkrankungen zu erwarten. Dieser demographischen Entwicklung müssen Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinoms Rechnung tragen. Insbesondere steigt der Anteil früher Stadien. Diese Stadienverschiebung wird auf die Bestimmung des Tumormarkers PSA (Prostataspezifisches Antigen) zurückgeführt. Insgesamt tragen ca. 40% der männlichen Bevölkerung in den westlichen Industrieländern das Risiko, im Laufe ihres Lebens ein Prostatakarzinom zu entwickeln, aber nur etwa 10% werden symptomatisch, und nur 3% versterben daran.


Quelle: Leitlinienprogramm Onkologie. S3-Leitlinie Prostatakarzinom. 1. Aktualisierung September 2011.

Regelmäßige Kontrollen sind nötig

Serum-Transaminasen, Blutdruck, Serum-Kalium und Flüssigkeitsretention sollten regelmäßig kontrolliert werden. Bei Patienten mit einer kardiovaskulären Erkrankung in der Anamnese sollte Abirateron mit Vorsicht angewendet werden, ebenso bei Patienten mit einer schweren Nierenfunktionsstörung. Vor Beginn der Behandlung muss eine Hypertonie auf Normwerte eingestellt und eine Hypokaliämie korrigiert werden.

Vorsicht ist geboten, wenn Abirateron zusammen mit Arzneimitteln angewendet wird, die durch CYP2D6 aktiviert oder metabolisiert werden. Arzneimittel, die durch CYP2D6 metabolisiert werden, sind beispielsweise Metoprolol, Propranolol, Desipramin, Venlafaxin, Haloperidol, Risperidon, Propafenon, Flecanid, Codein, Oxycodon und Tramadol (die drei letzten Wirkstoffe benötigen CYP2D6, um ihre aktiven analgetisch wirksamen Metaboliten zu bilden).

Abirateron ist ein Substrat von CYP3A4. Starke CYP3A4-Inhibitoren oder -Induktoren sollen während der Behandlung nach Möglichkeit vermieden oder mit Vorsicht angewendet werden. Dazu gehören die Inhibitoren Ketoconazol, Itraconazol, Clarithromycin, Atazanavir, Nefazodon, Saquinavir, Telithromycin, Ritonavir, Indinavir, Nelfinavir, Voriconazol und die Induktoren Phenytoin, Carbamazepin, Rifampicin, Rifabutin, Rifapentin und Phenobarbital.


Zum Weiterlesen


Verschiedene Geschlechter – andere Krankheiten.

Die Prostata: ein Organ – zwei Krankheiten.

DAZ 2010, Nr. 14, S. 60– 68.



Quelle

Fachinformation Zytiga® , Stand September 2011.

de Bono, J.S. et al: Abiraterone and Increased Survival in Metastatic Prostate Cancer. N Engl J Med (2011) 364: 1995– 2005.


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DAZ 2011, Nr. 41, S. 40

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