Deutscher Apothekertag 2011

Geht’s jetzt los?

Christian Rotta

Wie am Rande der Hauptversammlung bekannt wurde, hat ABDA-Präsident Wolf in einem Brief an Gesundheitsminister Bahr dem BMG einen Regelungsvorschlag zur Eindämmung von Pick-up-Stellen unterbreitet. Wie die konkrete Gesetzesformulierung lautet, die die ABDA vorschlägt, mochte Wolf dabei nicht öffentlich machen. Er befürchtet, dass sein Vorschlag vorab zerredet wird. Ganz abwegig ist dies nicht: In der Vergangenheit hatten sich das Bundesjustizministerium und das Bundesinnenministerium beim Pick-up-Verbot immer wieder quer gestellt. In einer bis heute geheim gehaltenen Expertise waren die dortigen Verfassungsjuristen zum dem Schluss gekommen, dass vor dem Hintergrund des seit 2004 zugelassenen Versandhandels mit Arzneimitteln keine triftigen Gründe ersichtlich seien, Pick-up-Arzneimittelabholstellen zu verbieten. Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich in seiner berühmten (manche sagen auch: berüchtigten) dm-Entscheidung in einem Obiter-dictum-Halbsatz ähnlich geäußert. In der Folgezeit scheiterten alle Versuche, den Pick-up-Wildwuchs zu beschneiden. Nichts bewegte sich. Nichts ging mehr.

Die ABDA schlägt deshalb jetzt einen neuen Weg ein – und zwar unterhalb ihrer bisherigen Forderung nach einem generellen Verbot von Pick-up-Stellen (oder gar eines Versandhandelsverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel): Sie möchte Pick-up-Stellen so behandelt wissen wie Rezeptsammelstellen und unter einen Genehmigungsvorbehalt der zuständigen Apothekerkammern stellen. Im Rahmen des Pick-up-Genehmigungsverfahrens würde dann eine Bedarfsprüfung durchgeführt. In einem Antrag des Geschäftsführenden Vorstands der ABDA, der ohne Diskussion (!) und ohne Gegenstimmen angenommen wurde, forderte die Hauptversammlung deshalb den Verordnungsgeber auf, "das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für den Betrieb einer Rezeptsammelstelle nach § 24 ApBetrO in der geltenden Fassung auf alle ortsgebundenen Einrichtungen zu erstrecken, in denen ärztliche Verschreibungen für eine oder mehrere individualisierbare Apotheken gesammelt werden". Versandapotheken sollen danach bei dm, Schlecker und Konsorten nur noch Rezepte sammeln dürfen, wenn dies zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung erforderlich ist.

Ist damit der Königsweg gefunden, um dem Pick-up-Spuk ein Ende zu bereiten? Zweifel sind angebracht: Mit der von der Hauptversammlung favorisierten Regelung bezöge sich die Bedarfsprüfung ausschließlich auf das "Sammeln" von Rezepten und nicht auch auf die Pick-up-Aushändigung der Arzneimittel. Die geltende Fassung von § 24 ApBetrO definiert Rezeptsammelstellen nämlich (nur) als "Einrichtungen zum Sammeln von Verschreibungen". Was wäre gewonnen, wenn in Zukunft an Schlecker-Kunden frankierte Briefumschläge ausgegeben würden mit der Aufforderung, Bestellungen (mit oder ohne Verschreibung) per Post nach Holland zu schicken, und die georderten Arzneimittel dann – wie gehabt – in der Drogeriefiliale abgeholt werden könnten? Würde es sich dabei noch um eine (genehmigungspflichtige) Rezeptsammlung handeln? Wohl kaum. Die Regelungen wären ein stumpfes Schwert, Umgehungsversuchen Tür und Tor geöffnet. Hinzu kommt, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner dm-Entscheidung zwar irrig, aber höchstrichterlich feststellt, dass das Verbot der Einrichtung von Rezeptsammelstellen nach § 24 ApBetrO nicht "das Einsammeln von Medikamentenbestellungen im Rahmen des Versandhandels mit Arzneimitteln" betreffen soll.

Die ABDA und ihre Juristen scheinen diese Unzulänglichkeiten inzwischen erkannt zu haben. Deshalb möchten sie jetzt nicht mehr nur das Sammeln von Rezepten unter den Genehmigungsvorbehalt stellen, sondern auch das Ausliefern (Aushändigen) der Arzneimitteln – so Wolf im DAZ.TV-Interview am Rande des Apothekertages. Offensichtlich strebt man in der Jägerstraße jetzt eine Erweiterung von § 24 ApBetrO an. In der Tat könnte es ein gangbarer – und verfassungsfester – Weg sein, den Anwendungsbereich von § 24 ApBetrO nicht nur auf Rezeptsammelstellen zu beziehen, sondern auf (gewerbliche) Einrichtungen zum Aushändigen von Arzneimittel zu erweitern. Freilich stellen sich auch hier Folgefragen, die vorab beantwortet werden sollten: Gilt der Genehmigungsvorbehalt auch für Pick-up-Stellen, in denen "nur" nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel ausgehändigt werden? Welches Verhältnis besteht zwischen der Bedarfsprüfung bei Rezeptsammelstellen von Apotheken und der Bedarfsprüfung bei apothekenfremden Pick up-Stellen? Und: Sollte eine solche Regelung statt in der neuen Apothekenbetriebsordnung nicht besser im ranghöheren Arzneimittelgesetz verankert werden, das sich nicht nur an (Versand-) Apotheken richtet, sondern an jedermann (und damit auch an die Pick-up-Betreiber)? Professor Hilko J. Meyer, ein profunder Kenner des Gesundheitsrechts, hatte hierzu bereits im Februar 2009 in der Deutschen Apotheker Zeitung einen konkreten Regelungsvorschlag unterbreitet (DAZ Nr. 7/2009, Seite 647 – nachzulesen im Pick up-Forum bei DAZ.online. Insgesamt ist es in der Tat sinnvoll, bei der Pick-up-Problematik sein Augenmerk vorrangig auf den sicheren Versandweg des Arzneimittels zum Endverbraucher zu richten. Hier liegen unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit die entscheidenden Knackpunkte: Ohne Zweifel ist die – gegebenenfalls mehrfache – Unterbrechung des Transportwegs von der Apotheke zum Endverbraucher mit größeren Risiken behaftet als eine friktionslose Arzneimittelbelieferung des Bestellers. So kommt es beim gewerblichen Pick-up-Konstrukt nicht nur zu einer Aufspaltung von Transport und Aushändigung des Arzneimittels, sondern im Vergleich zum "klassischen" Versandhandel typischerweise auch zu einer längeren und weitgehend unkontrollierten Lagerung der Medikamente außerhalb der Apothekenbetriebsräume – je nachdem, wann der Besteller seine Arzneimittel abholt. Auch steigen mit jedem weiteren Beteiligten in der Versendungskette Fehleranfälligkeiten und Verwechslungsgefahren. Es sprechen deshalb triftige Gründe dafür, im Arzneimittelgesetz festzuschreiben, dass die Versendung von Arzneimitteln an den Endverbraucher stets zeitnah, unmittelbar und ohne vermeidbare (!) Unterbrechung erfolgen muss. Für Pick-up bedeutete dies im Ergebnis das Aus – so wie es im schwarz-gelben Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Ob der Gesetzgeber/Verordnungsgeber jetzt endlich die Initiative ergreift? Er könnte loslegen. Aber will er auch?


Christian Rotta



DAZ 2011, Nr. 41, S. 105

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