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Jetzt umdenken

Peter Ditzel

"Der Kopf ist rund, damit die Gedanken ihre Richtung ändern können" – dieser Ausspruch, der dem französischen Maler und Schriftsteller Francis Picabia (1879 – 1953) zugeschrieben wird, wäre ein Motto für den anstehenden Apothekertag. Denn eine gedankliche Richtungsänderung für den Apothekerberuf ist mehr als überfällig. Der Apotheker des 21. Jahrhunderts ist nicht mehr der Apotheker, den wir aus den 60er oder 70er Jahren des letzten Jahrhunderts her kennen. Und schon gar nicht mehr der Apotheker, aus den Jahrhunderten davor. Herstellung von Arzneimitteln und Labortätigkeiten sind weit in den Hintergrund getreten. Im Vordergrund stehen heute die Logistik der Arzneimittelbeschaffung und -lagerung sowie die Abgabe der Arzneimittel und die Beratung der Kunden und Patienten. Während die Logistik im Zusammenspiel mit dem Großhandel und der Apothekenwarenwirtschaft perfektioniert ist, lassen sich im Bereich der Beratung, der eigentlichen Hauptaufgabe des Apothekers im 21. Jahrhundert, Defizite feststellen. Umdenken ist hier angesagt. Und zwar dringend und jetzt.

Vor einem Jahr ging die Berufsvertretung mit dem ABDA/KBV-Modell erstmals an die Öffentlichkeit. Apotheker und Ärzte wollen sich über dieses Modell darauf verständigen, dass Patienten, die mehrere Arzneimittel einnehmen müssen, intensiver von Arzt und Apotheker betreut werden. Auf Basis einer Wirkstoffverordnung und einer Medikationsliste wollen Arzt und Apotheker an einem gemeinsamen Medikationsmanagement arbeiten. Das Konzept, das nun Chancen hat, über das GKV-Versorgungsgesetz eingeführt und zumindest in Modellregionen getestet zu werden, könnte der Anfang der Richtungsänderung von Gedanken, der Anfang des Umdenkens sein. Der Apothekertag wird sich im Arbeitskreis "Arzneimittelversorgung der Zukunft" mit diesem Konzept und den Auswirkungen auf den Praxisalltag beschäftigen. In seiner letzten Konsequenz führt ein solches Medikationsmanagement auch dazu, dass der Apotheker noch mehr als bisher für seine Beratungsleistungen honoriert wird.

Ein Vorbild für die neue Richtung des Umdenkens könnte in diesem Fall die USA sein. Wie auch in Deutschland zeigte sich vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg der Trend weg von der Individualrezeptur hin zu immer komplexer werdenden Fertigarzneimitteln. Die Beschränkung des Apothekerberufs auf das fertige Arzneiprodukt stürzte den Beruf des Apothekers in eine Sinnkrise und zwang zur Neuausrichtung. Die Kolleginnen und Kollegen in den USA besannen sich auf den Patienten, auf eine stärker patientenorientierte Annäherung an das Arzneimittel. Gleichzeitig setzte sich die Klinische Pharmazie als weitere Disziplin des Apothekerberufs durch. Damit erhielten die apothekerlichen Tätigkeiten eine neue Ausrichtung, der Apothekerberuf einen neuen Charakter: der Apotheker als Fachmann für das Management der Arzneitherapie (Medication Therapy Management, MTM). Der Apotheker stellt die korrekte Anwendung verschriebener Arzneimittel unter Berücksichtigung der angestrebten Therapieziele sicher, optimiert den Therapieerfolg durch verbesserte Arzneimitteleinnahme des Patienten und minimiert das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen und Interaktionen. Solche Programme führen Apotheker in den USA bereits seit einigen Jahren erfolgreich durch – und sie werden dafür von den Krankenkassen bezahlt. Es konnte ein Nutzen – klinisch, ökonomisch und menschlich – nachgewiesen werden, immer mehr Kostenträger nehmen diese Beratungsleistung des Apothekers in ihren Leistungskatalog auf.

Mit Verspätung könnten sich nun solche Veränderungen auch in Deutschland abzeichnen. Die Überlegungen des ABDA-KBV-Konzepts könnten ein zaghafter Schritt in diese Richtung sein.

Der Schwerpunkt in dieser DAZ befasst sich vor diesem Hintergrund mit dem Modell des Medication Therapy Managements und möchte dazu anregen, sich verstärkt mit diesem Thema zu befassen (S. 54). Dazu passt beispielsweise auch die geriatrische Pharmazie, deren Stellenwert derzeit mehr und mehr wächst (siehe Beitrag in unserer neuen Rubrik "UniDAZ", S. 106 ). Die arzneimitteltherapeutische Betreuung älterer Patienten wird zunehmen – da liegen große Chancen für die Pharmazie und den Apothekerberuf. Ein weiterer Beitrag in dieser DAZ zeigt, wie Apotheker die älteren Patienten bei der Handhabung von Arzneimittelformen unterstützen können (S. 66). Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass ältere Patienten oft Schwierigkeiten haben, mit Packungen und modernen Arzneiformen richtig umzugehen.

Es ist fünf vor zwölf, dem Apothekerberuf eine neue Richtung zu geben und diese in unserem Gesundheitswesen zu etablieren. Bleibt die Hoffnung, dass von diesem Apothekertag ein Impuls ausgeht, der die Gedanken in die neuen Richtungen bewegt.


Peter Ditzel



DAZ 2011, Nr. 40, S. 3

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