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Immunforscher Steinman bekommt Nobelpreis posthum

STOCKHOLM (dpa/ral). Erstmals seit 50 Jahren bekommt ein Toter einen Nobelpreis zuerkannt. Die Jury in Schweden hatte den Immunforscher Ralph M. Steinman aus Kanada am 3. Oktober als Medizin-Nobelpreisträger benannt. Nach ihren Statuten dürfen Menschen eigentlich nicht posthum mit dieser hohen Auszeichnung geehrt werden. Die Juroren wussten jedoch nichts von Steinmans Tod drei Tage zuvor, als sie ihm den Nobelpreis zusammen mit dem Franzosen Jules A. Hoffmann und dem US-Forscher Bruce A. Beutler zuerkannten.
Foto: Rockefeller Universität
Ralph M. Steinman, der dendritische Zellen als wichtigen Bestandteil des Immunsystems entdeckt hat, ist einer der drei Träger des diesjährigen Medizin-Nobelpreises. Freuen konnte er sich über die Ehrung nicht mehr, er starb wenige Stunden, bevor der Beschluss der Jury fiel.

Die Forscher erhalten den Preis für wegweisende Arbeiten zum Immunsystem, die zu Impfstoffen und Krebstherapien führten. Nach Angaben der Rockefeller-Universität in New York, an der Steinman forschte, starb er im Alter von 68 Jahren an Krebs. Vor vier Jahren sei bei ihm Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert worden. Er habe mit einer selbst entwickelten Immuntherapie auf Basis der von ihm entdeckten dendritischen Zellen sein Leben noch verlängern können.

Nach langer interner Diskussion erklärte die Stiftung am Abend des 3. Oktober, das Verbot der posthumen Auszeichnung beziehe sich nur auf eine bewusst in diesem Sinne getroffene Wahl. Die Juroren hätten die Entscheidung am 30. September um 14.30 Uhr getroffen, ohne von Steinmans Tod um 11.30 Uhr etwas zu wissen.

Steinmans Angehörige bekommen umgerechnet rund 550.000 Euro, die Hälfte der Gesamtdotierung für den Medizin-Nobelpreis. Die andere Hälfte teilen sich Hoffmann und Beutler.

Der Immunologe Steinman, der 1943 in Montréal geboren wurde, hatte bereits 1973 die dendritischen Zellen entdeckt. Sie präsentieren T-Zellen Bruchstücke von Eindringlingen, so dass sie diese erkennen und spezifisch bekämpfen können. Danach behält das Immunsystem die Bruchstücke im Gedächtnis, so dass es beim nächsten Angriff schneller reagieren kann – auf diese Weise erwirbt sich der Körper im Laufe des Lebens ein Immunsystem mit spezifischen Waffen.

Der 1941 geborene Franzose Hoffmann und der US-Amerikaner Beutler werden für Arbeiten zur Alarmierung des angeborenen Abwehrsystems geehrt, wie das Karolinska-Institut mitteilte. Hoffmann, der in Luxemburg zur Welt kam, entdeckte in der Fruchtfliege das Gen namens Toll. Es wird zur Abwehr von Eindringlingen angeschaltet. Daraufhin entsteht das Toll-Eiweiß, das Krankheitserreger erkennt und das angeborene Immunsystem alarmiert.

Der heute 53 Jahre alte Beutler, der an verschiedenen US-Universitäten forschte, entdeckte ein ähnliches Eiweiß in Mäusen und damit Säugetieren, das ebenfalls das angeborene Immunsystem aktiviert. Heute sind viele Toll-ähnliche Proteine bekannt.

"Die diesjährigen Nobelpreisträger haben unser Verständnis vom Immunsystem revolutioniert, indem sie Schlüsselprinzipien für seine Aktivierung entdeckten", erläuterte das Karolinska-Institut. Die Erkenntnisse sind nach Angaben der Jury in vieler Hinsicht nützlich, beispielsweise für bessere Impfstoffe, für Krebstherapien und für die Behandlung von Autoimmunkrankheiten.

"Mit dem Nobelpreis werden hier große Durchbrüche im Bereich der Immunologie gewürdigt", sagte auch der Präsident der Akademie Leopoldina, Jörg Hacker. Er freue sich, dass mit Jules Hoffmann, der auch einmal an der Universität Marburg geforscht hat, ein aktives Leopoldina-Mitglied unter den Preisträgern sei. Zudem hatten alle drei Forscher schon eine Auszeichnung der Humboldt-Stiftung erhalten.



DAZ 2011, Nr. 40, S. 38

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