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Gemeinsam für eine bessere Honorierung

Zwei Drittel der in öffentlichen Apotheken Tätigen würden heute einen anderen Beruf wählen, so das Ergebnis einer Umfrage von ADEXA. Die Stimmung ist also düster – unter Angestellten wie Apothekenleitern. Was muss sich in der Gesundheitspolitik ändern und was sollten die Apotheker selbst tun, um die Lage und die Berufsaussichten zu verbessern? Ein Interview mit den Vorsitzenden der Apothekengewerkschaft, Barbara Neusetzer und Tanja Kratt, über die Perspektiven einer Branche unter äußerem und innerem Druck:
Barbara Neusetzer

Frau Neusetzer, Frau Kratt, bitte eine kurze Einschätzung der Zukunftsperspektiven der öffentlichen Apotheken.

Neusetzer: Apotheken und Apothekenangestellte werden in Zukunft angesichts des demografischen Wandels nicht weniger, sondern sogar mehr gebraucht als bisher. Wenn es uns gelingt, die Honorierung der pharmazeutischen Leistungen zu verbessern und damit die Arbeitsplätze attraktiver zu machen, können wir wieder optimistischer in die Zukunft blicken.

Kratt: Aktuell ist allerdings die deutliche Mehrheit der Beschäftigten unzufrieden und demotiviert, wie erst kürzlich eine ADEXA-Onlineumfrage ergab. Wenn wir der Politik jetzt keine Verbesserungen abringen können, werden wir bald ein gewaltiges Nachwuchsproblem haben. Da helfen bunte Kampagnen nicht weiter, solange die Gehälter stagnieren und andere Arbeitsfelder attraktivere Bedingungen bieten.


Was erwarten Sie von der Politik und insbesondere von Gesundheitsminister Daniel Bahr für den Apothekenbereich?

Neusetzer: Minister Bahr hat seine Schonfrist von 100 Tagen im Amt bereits überschritten, und spätestens mit dem Vorlegen der Apothekenbetriebsordnung und eventueller neuer Sparmaßnahmen müssen die Samthandschuhe eingepackt werden. Schon der Status quo ist nicht tragbar – die Politik hatte versprochen, die Zahlen und Auswirkungen des AMNOG zu überprüfen. Daran wird sie sich messen lassen müssen. Und dann sollten die Interessenvertreter der öffentlichen Apotheken bei "Nichtliefern" Protestmaßnahmen durchführen. Und dabei meine ich ausdrücklich Angestellte und Chefs zusammen!


Expopharm mit ADEXA


Sie haben Fragen zur Berufs- und Tarifpolitik oder zum Arbeitsrecht? Das ADEXA-Messeteam erwartet Sie auf der Expopharm in Düsseldorf vom 6. bis 9. Oktober an Stand D12 in Halle 3. Dort können sich ADEXA-Mitglieder bei Vorlage ihres Mitgliedsausweises den Messekatalog kostenlos abholen. Am Samstagnachmittag von 13 bis 15 und 16 bis 18 Uhr steht Ihnen Susanne Kazemieh von der FrauenFinanzGruppe für Fragen zur betrieblichen Altersvorsorge und ApothekenRente zur Verfügung. Außerdem gibt es vielfältiges Infomaterial und ein Preisrätsel für Ratefüchse. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!


Tanja Kratt

Warum werden gerade die Apotheken immer wieder mit Sparauflagen belastet? Müssen sie unter dem schlechten Ruf leiden, der der deutschen Pharmaindustrie anhaftet? Sind Gesundheitspolitiker wirklich gut genug informiert, was Kostenverursacher im Arzneimittelbereich und Verdienste in den Apotheken betrifft?

Neusetzer: Ich fürchte, sowohl ein großer Teil der Politiker als auch der Medienvertreter hat die seit Jahren völlig veränderten Honorierungsstrukturen im Apothekenbereich noch immer nicht wahrgenommen. Es ist schizophren: Wenn es um die Kosten geht, sind wir immer noch die Schubladenzieher, die Apothekenpreise verlangen und trotzdem jammern. Doch wenn es um Testkäufe geht, verlangt man von uns – zu Recht – umfassende pharmazeutische Beratung, die allerdings keiner angemessen bezahlen will. Was PTA und PKA in der Apotheke verdienen und wie die Gehälter von ApothekerInnen im Vergleich zu anderen akademischen Berufen ausfallen, ist leider kaum von öffentlichem Interesse.


Frau Kratt, dieser Apothekertag findet in Düsseldorf statt. Im Kammerbezirk Nordrhein gibt es bisher keinen neuen Tarifabschluss. Welche Perspektive sehen Sie für dieses aus dem übrigen Bundesgebiet "abtrünnige" Tarifgebiet?

Kratt: Die Arbeitgeber Nordrheins dürfen sich nicht länger einer angemessenen Erhöhung der Gehälter verschließen. Wer bereits bestehenden Mitarbeitermangel und die von Angestellten als belastend empfundene Arbeitssituation durch Rabattverträge u. a. ignoriert und dann noch durch Gehaltsstillstand Reallohnverluste verantwortet, steht bald mit leeren Händen da, sprich ohne qualifiziertes Personal.


Stichwort Altersvorsorge: Warum wollen ADA und ADEXA es den Mitarbeitern nicht selbst überlassen, ob sie sich fürs Alter privat oder über die betriebliche Altersvorsorge absichern?

Kratt: Wer kein übermäßig hohes Gehalt bekommt – und das gilt ja für die meisten Apothekenangestellten – neigt dazu, seine aktuellen Bedürfnisse über die Altersvorsorge zu stellen. Viele von uns sind noch mit dem Begriff der sicheren Rente aufgewachsen; diese vermeintliche Sicherheit sitzt noch in den Köpfen fest, obwohl sie für die jetzt Arbeitenden längst überholt ist. Wenn wir in den Medien mit Zahlen zur den Rentenaussichten konfrontiert werden, schaudern wir meist nur kurz und gehen dann zum Tagesgeschäft über.

In Westdeutschland bekamen Frauen im Jahr 2009 im Schnitt nur 487 Euro Altersrente ausgezahlt. Das ist erschreckend wenig! Im Osten waren es 2009 noch 702 Euro für Rentnerinnen, doch auch dort sinkt das Niveau rapide aufgrund der veränderten Arbeitsbiografien. Auch wenn es ein bisschen überheblich klingen könnte: Wenn die demografische Entwicklung so bleibt – und nichts spricht dafür, dass sie sich ändert – , können wir nicht so weiterleben und -wirtschaften wie bisher. Als Gewerkschaft sind wir verpflichtet, auch die langfristigen finanziellen Interessen unserer Mitarbeiter zu verfolgen.


Infoabende zur Altersvorsorge und ApothekenRente


Nürnberg: 11. 10., 19.30 Uhr, Ringhotel Loew‘s Merkur, Pillenreuther Str. 1

München: 13. 10., 19.30 Uhr, Hotel Regent, Seidlstraße 2

Mannheim: 27. 10., 19.30 Uhr, Delta Park Hotel, Keplerstr. 24

Kiel: 27. 10., 19.00 Uhr, Hotel Consul, Walkerdamm 11

Leipzig: 5. 11. (Leipziger Fortbildungstag), Ruth-Pfau-Schule, Schönauer Str. 160

Anmeldung/Info. ADEXA-Hauptgeschäftsstelle, Tel. (0 40) 36 38 29, Fax 36 30 58 info@adexa-online.de, www.adexa-online.de


Das führt zurück zur Frage nach dem Einfluss der Politik. Denn die Verteilungsspielräume sind enger geworden. Ist das AMNOG ein Job- und Tariferhöhungskiller?

Neusetzer: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir gegenüber der Politik mehr erreichen können, wenn wir uns zusammentun. ADEXA kann die Mitarbeiter nicht allein auf die Straßen schicken, um für eine bessere Honorierung der Apothekenleistung zu kämpfen. Die Chefs allein sind aber auch nicht schlagkräftig genug. Es kann also nur in einer konzertierten Aktion gehen. Und die Angestellten müssen anschließend selbstverständlich an den erzielten Verbesserungen angemessen beteiligt werden.


Frau Neusetzer, Frau Kratt, vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Dr. Sigrid Joachimsthaler



DAZ 2011, Nr. 40, S. 135

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