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Vorwurf der "Bruderwirtschaft"

BERLIN (dpa/daz). Wegen seiner angeblichen Fixierung auf Ärzte sieht sich Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) dem Vorwurf der Vetternwirtschaft ausgesetzt: Sein Bruder Dr. Thomas Bahr ist Geschäftsführer der Gesundheit Oberpfalz Mitte GmbH & Co. KG (UGOM), einem Zusammenschluss von Ärzten, Kliniken und einem Gesundheitszentrum, und zudem im Vorstand des Branchenverbands "Agentur deutscher Ärztenetze". Die geplanten Änderungen zum Versorgungsstrukturgesetz – insbesondere zur Privilegierung von Ärztenetzen – kämen ihm daher sehr gelegen, meldete am vergangenen Wochenende die "Tageszeitung" ("taz").
Foto: DAZ/Sket
Zu Arzt-freundlich lautet der ­aktuelle Vorwurf an Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr.

Das derzeit im parlamentarischen Verfahren befindliche Versorgungsstrukturgesetz will insbesondere Ärzte stärken. Damit einher geht eine Stärkung von Ärztenetzen.

Die geplante Änderung zum Versorgungsstrukturgesetz könnte nach einem Bericht der "taz" auch ein Teilerfolg des Bruders des Gesundheitsministers, Dr. Thomas Bahr, sein. Der Geschäftsführer der UGOM, die sich aus über 80 niedergelassenen Haus- und Fachärzten, drei Kliniken und einem Gesundheitszentrum zusammensetzt, soll danach bereits vor einem Jahr beim damaligen Ressortchef Philipp Rösler (FDP) vorstellig geworden sein, um über Praxisnetze zu sprechen. Damals liefen seine Bemühungen jedoch ins Leere.

Bereits im Sommer sprach sich Bahr für mehr Spielräume für die Regionen – auch zur Etablierung von Ärztenetzen – aus. Im Juli wurde in Berlin der Verein "Agentur deutscher Ärztenetze" gegründet, der seither politischer Interessenvertreter für die rund 400 Arztnetze in Deutschland ist und seine Mitglieder bei der Professionalisierung unterstützen will. Der ältere Bruder des Ministers ist im Vorstand des Verbandes.

Thomas Bahr war in den 90er Jahren Referent des FDP-Bundestagsabgeordneten Jürgen Möllemann. Danach war er unter anderem beim Pharmaunternehmen Astra Zeneca angestellt. Das von ihm geführte Ärztenetz UGOM könnte die geplante Änderung des Versorgungsstrukturgesetzes als Teilerfolg verbuchen: Laut "taz" können Praxisnetze künftig nicht bloß Verträge mit einzelnen Kassen schließen, sondern zusätzlich ein eigenes Honorarbudget zugewiesen bekommen. Dies würde steigende Unabhängigkeit bei gleichzeitiger finanzieller Stärkung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen bedeuten.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) wies die Vorwürfe der Vetternwirtschaft laut "taz" jedoch zurück: Mit der geplanten Regelung zu Ärztenetzen im Versorgungsstrukturgesetz, die von den Koalitionsfraktionen ausgegangen sein soll, sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen entscheiden können, ob und wie sie Praxisnetze fördern. Der Minister, so das BMG, habe mit seinem Bruder nicht über derzeit beratene Änderungen an dem Gesetzentwurf gesprochen.

Die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann forderte Transparenz bei Neuregelungen für Ärztenetze, die in einer Region dominieren könnten. "Sonst ist der Patient so einem Netz unter Umständen hilflos ausgeliefert", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. SPD und Grüne werfen Minister Bahr eine Fixierung auf Ärzte vor. Insgesamt verteile er mit dem Ärztegesetz "Klientelgeschenke an die letzten verbliebenen FDP-Wähler", so der grüne Fraktionsvize Fritz Kuhn. Und weiter: "Das Gesundheitssystem ist für Schwarz-Gelb ein Ärztesystem." Der Arzt werde ins Zentrum der ganzen Überlegungen gestellt, andere Gesundheitsberufe müssten jedoch stärker einbezogen werden, fügte Reimann hinzu.



DAZ 2011, Nr. 39, S. 30

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