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Die Krankenkassen – Gegner der Apotheker?

Peter Ditzel

Querelen zwischen Apothekern und Krankenkassen gab es schon immer. Ein Blick zurück in die Geschichte, in alte DAZ-Ausgaben, zeigt das. Die Gründe gleichen sich. Fast immer geht es um die drei "R", die Rechnungskürzungen seitens der Kassen, Rabatte und Retaxierungen. Doch was sich in den letzten Wochen und Monaten im Streit zwischen Apothekern und Krankenkassen abspielt, hat eine andere Dimension.

Der Widerstand und die Klage der Kassen gegen die Entscheidung der Schiedsstelle, die den Apothekern einen niedrigeren Zwangsrabatt zugestand, gehört in die Reihe der jüngsten Auseinandersetzungen mit Kassen. Auch die Streitereien rund um die Rabattverträge haben es in sich und lassen wenig Platz für ein harmonisches Miteinander. Da ist beispielsweise die miserable Informationspolitik der Kassen gegenüber ihren Versicherten zum Thema Rabattarzneimittel. Patienten sind auch vier Jahre nach den ersten Rabattverträgen verunsichert, können es nicht verstehen, warum sie schon wieder ein anderes Arzneimittel bekommen – die Kassen haben ihre Versicherten nur unzureichend über das Spiel mit Rabattverträgen und deren Konsequenzen aufgeklärt. Kein Wunder, fürchten sie dann doch, dass enttäuschte Patienten kündigen und zu einer anderen Kasse wechseln. Das Dumme dabei ist: den Zorn der Patienten bekommt erst einmal der Apotheker ab, er steht als Prellbock zwischen Kasse und Patient. Er erträgt den Unmut der Patienten, die über ihr nicht erhaltenes vertrautes Arzneimittel verärgert sind, er erklärt mit Engelszungen die Wirrungen von Rabattverträgen und den Sparzwang im Gesundheitswesen, er versucht das Wesen von Generika zu verdeutlichen, er beschreibt den Patienten, dass es ja in erster Linie auf den Wirkstoff des Arzneimittels ankommt und nicht darauf, ob die Kapsel grün oder rot ist, er bringt für all das mittlerweile schon mehr Zeit auf als für die pharmazeutische Beratung. Und er finanziert die teuren Software-Updates, die erst das Handling der Rabattverträge ermöglichen.

Doch damit nicht genug. Allein die Art der Verträge ist eine Zumutung für Patienten und Apotheker, nämlich den Abschluss von Rabattverträgen für Arzneimittel, deren Produktion erst noch anlaufen muss, die noch gar nicht im Markt sind und bei Vertragsbeginn somit nicht lieferbar sind. Der Patient muss zwischenzeitlich ein Ersatzpräparat erhalten und darauf eingestellt werden. Ist das eigentlich Verordnete dann nach drei bis vier Monaten lieferbar, muss er erneut auf das neue Präparat umgestellt werden, um dann beim nächsten Mal wegen Lieferschwierigkeiten erneut mit einem Ersatz vertröstet zu werden. Das ist Arzneitherapie nach Kassenlage im Jahr 2011. In Studien wird die immense Bedeutung der Compliance für die Therapie herausgestellt, Untersuchungen zeigen, dass man durch Therapietreue der Patienten enorme Einsparungen erzielen kann – für die Kassen scheinen diese Erkenntnisse keine Rolle zu spielen.

Wer nun für diesen Zeitaufwand, die Kosten, den Ärger und den Frust Dankbarkeit von den Kassen erwartet, wird herb enttäuscht. Obwohl die Apotheker das Konstrukt der Rabattverträge in dieser Reibungslosigkeit für die Kassen erst ermöglichen, werden sie knallhart von den Kassen zur Kasse gebeten, wenn nur der kleinste Formfehler vorkommt: Retaxation auf Null ist die Keule, mit denen die Apotheken geknechtet werden. Der Metoprolol-Fall hat es uns drastisch vor Augen geführt, was passiert, wenn allein das Wohl des Patienten im Mittelpunkt steht und er mit seinem Arzneistoff versorgt wird, aber in der Apotheke vergessen wird, die richtige Pharmazentralnummer aufzudrucken: Drohung mit dem Staatsanwalt und Retaxation auf Null, und dies, obwohl der Patient die Ware, ein wirksames Arzneimittel, erhalten hat. Mich würde einmal die Summe interessieren, die die Kassen mit der Retaxation auf Null bisher schon erwirtschaftet haben.

Aber auch damit ist der Angriff der Kassen gegen die Apotheker noch nicht am Ende. Die Novitas BKK legte in der vergangenen Woche eins drauf: Bundesweit sollen systematisch 60.000 Betäubungsmittel aus den Jahren 2010 und 2011 dahingehend überprüft werden, ob alle Bestimmungen des BtM-Gesetzes bis in die kleinste Formulierung hinein eingehalten wurden – insbesondere von den Ärzten verursachte Formfehler bei der Rezeptausstellung. Die Apotheken hätten diese Fehler erkennen, bei den Ärzten eine Nachbesserung verlangen müssen. Und erst dann hätten solche Rezepte beliefert werden dürfen. Dass der Patient dann mit seinen Schmerzen hätte länger leiden müssen, interessiert die Kasse nicht. Die Novitas BKK begründet diese Aktion mit dem Hinweis, es gehe ihr um Arzneimittelsicherheit. Etwas Fadenscheinigeres und Scheinheiligeres hätte sie sich nicht ausdenken können. Und seit wann zählt bei den Kassen vor dem Hintergrund der Rabattverträge die Arzneimittelsicherheit? Warum sollte sich eine Kasse als Behörde aufspielen, die Rezeptformfehler überprüft? Geht es hier nicht um Geld und zusätzliche Einnahmen? Mittlerweile räumt die Novitas BKK einige Fehler bei den Retaxationen ein. Bleibt die Frage: Was hat dies alles noch mit einem seriösen Miteinander, mit Partnerschaft zu tun?


Peter Ditzel



DAZ 2011, Nr. 39, S. 3

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