Arzneimittel und Therapie

Azithromycin beugt Exazerbationen vor

Eine langfristige Antibiotikatherapie mit Azithromycin beugt bei Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) erneuten Exazerbationen vor. Dieses Ergebnis einer aktuellen Studie ruft verhaltene Reaktionen hervor, da den Vorteilen auch unerwünschte Wirkungen und möglicherweise Resistenzentwicklungen gegenüberstehen.
Foto: Klosterfrau
Exazerbationen verhindern Mithilfe einer langfristigen Antibiotikatherapie können COPD-Patienten vor akuten Verschlechterungen der Beschwerden geschützt werden. Allerdings darf nicht das Risiko einer vermehrten Resistenzentwicklung aus den Augen verloren werden.

Trotz der Therapie mit inhalierbaren Steroiden, langwirksamen Beta-Agonisten sowie langwirksamen Anticholinergika oder Phosphodiesterase-4-Inhibitoren erleiden Patienten mit einer COPD im Mittel etwa 1,4 Exazerbationen pro Jahr. Diese akuten Exazerbationen schränken die Lebensqualität der Betroffenen ein, erhöhen das Mortalitätsrisiko und verschlechtern die Lungenfunktion. In einer Studie des COPD Clinical Research Network wurde die alte Idee wieder aufgegriffen, mithilfe einer langfristigen Antibiotikatherapie COPD-Patienten vor Exazerbationen zu schützen. Dieser Therapieansatz wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach verfolgt; die Ergebnisse waren aber nicht einheitlich. Nun hofft man, durch den Einsatz des Makrolids Azithromycin, das neben antibiotischen Wirkungen auch entzündungshemmende und immunmodulatorische Effekte besitzt, zu einem eindeutigen Ergebnis zu gelangen.

Einjährige Antibiotikatherapie

In die randomisierte, placebo-kontrollierte und doppelblinde Studie wurden 1142 Patienten mit schwerer bis mittelschwerer COPD eingeschlossen. 570 Probanden erhielten ein Jahr lang täglich 250 mg Azithromycin per os, die 572 Teilnehmer der Vergleichs-Gruppe ein Placebo. Die übliche Medikation wurde beibehalten. Der primäre Studienendpunkt war die Zeit bis zum Auftreten der ersten Exazerbation. Sekundäre Endpunkte befassten sich unter anderem mit der Lebensqualität sowie der Kolonisation des Nasen-Rachen-Raumes mit bestimmten Bakterien (Staphylococcus aureus , Streptococcus pneumoniae , Hämophilus spec und Moraxella spec.).

Weniger Exazerbationen, mehr Nebenwirkungen

Nach einem Jahr konnten die Daten von 89% der Patienten der Verum-Gruppe und von 90% der Placebo-Probanden ausgewertet werden. Ihre Analyse führte zu folgenden Aussagen:

  • Die mediane Zeit bis zur ersten Exazerbation lag in der Azithromycin-Gruppe bei 266 Tagen (95% Konfidenzintervall 227 bis 313 Tage) und in der Placebo-Gruppe bei 174 Tagen (95% Konfidenzintervall 143 bis 215 Tage); dieser Unterschied erreichte eine statistische Signifikanz ( p < 0,001).

  • Die Exazerbationsrate betrug unter der Antibiotika-Einnahme 1,48 gegenüber 1,83 unter der Placebo-Gabe (p = 0,01). Somit hatten die Patienten der Azithromycin-Gruppe ein um 27% geringeres Risiko für eine akute Exazerbation als die Probanden der Placebo-Gruppe (HR 0,73; 95% Konfidenzintervall 0,63 bis 0,84; p < 0,001).

  • Die Lebensqualität war unter der Azithromycin-Gabe nummerisch besser als unter der Placebo-Behandlung (p = 0,004).

  • Unter der Azithromycin-Therapie kam es häufiger zu einer Hörverschlechterung als unter der Placebo-Behandlung (25% vs. 20%, p = 0,04).

  • Die Gesamtmortalität wurde in der Azithromycin-Gruppe zwar gesenkt, der Unterschied erreichte aber keine statistische Signifikanz (3% vs. 4%; p = 0,87).
  • In der Azithromycin-Gruppe wurden nach einem Jahr im Nasen-Rachen-Abstrich deutlich mehr resistente Keime nachgewiesen als in der Placebo-Gruppe (81% vs. 41%; p < 0,001).

Primum nil nocere

Ein Kommentator der Studie weist auf die Problematik einer langfristigen Antibiotika-Gabe bei COPD-Patienten hin. Einer Verringerung der Exazerbations-Rate stehen eine mögliche Beeinträchtigung des Hörvermögens sowie eine vermehrte Resistenzentwicklung gegenüber. Dies sollte bei einer Nutzen-Risiko-Abwägung berücksichtigt werden.

Unklar ist, ob langfristig mit Antibiotika behandelte Patienten ihre erworbene Resistenz auf Familienmitglieder oder auf andere Bevölkerungsgruppen übertragen.

Trotz dieser Einschränkungen spricht sich der Kommentator für die antibiotische Prävention aus, da die Verhinderung von Exazerbationen höher zu werten sei als mögliche Nebenwirkungen. Das Auftreten von Resistenzen sollte dabei engmaschig überprüft werden.


Akute Exazerbationen


Unter einer akuten Exazerbation versteht man eine akute Verschlechterung der Beschwerden bei COPD-Patienten. Charakteristisch sind die Zunahme von Atemnot, Husten, Auswurf, Zyanose, Obstruktion oder thorakaler Beklemmung. Akute Exazerbationen treten häufig in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung sowie während der kalten Jahreszeit auf. Mögliche Ursachen sind virale und bakterielle Infektionen, Luftverunreinigung (Smog), Einnahme atemdepressiver Medikamente, Unfälle mit Thoraxbeteiligung sowie bestehende Komorbiditäten wie etwa kardiale Erkrankungen. Die Bewertung der Schwere einer Exazerbation richtet sich nach den Vorbefunden (Symptome, Lungenfunktion, arterielle Blutgase, Laborwerte) und begleitenden Erkrankungen. In kritischen Fällen ist eine Hospitalisierung erforderlich.


[Quelle: Nationale Versorgungsleitlinie COPD. Langfassung April 2011. Version 1.8].


Quelle

Albert R., et al.: Azithromycin for prevention of exacerbations of COPD. Lancet 365, 689 – 698 (2011).

Siafakas N.: Preventing exacerbations of COPD – advice from Hippocrates. Lancet 365, 753 – 754 (2011).


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2011, Nr. 39, S. 58

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