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Bahr verschiebt Vorlage der Eckpunkte

BERLIN (lk). Eigentlich wollte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am Freitag seine Eckpunkte zur Pflegereform vorstellen. Doch daraus wird nun nichts: Die von Schwarz-Gelb geplante Reform der Pflegeversicherung verzögert sich. In der Regierungskoalition tobt wieder ein munterer Streit.

Weil sich CDU, CSU und FDP nicht auf eine Linie verständigen können, wird Bahr in dieser Woche keine Eckpunkte präsentieren, wie er der Zeitung "Die Welt" sagte: "Wenn manch einer noch etwas Zeit braucht, dann sollten wir ihm diese Zeit geben, um ein tragfähiges Ergebnis für die Vorlage der Eckpunkte zu erreichen." Die Union habe ihre Grundsatzfragen in der Pflege nicht geklärt, sagte Bahr. Die CDU lehnt einen Vorstoß der CSU ab, mehr Leistungen aus Steuermitteln zu bezahlen. "So ist ein gemeinsamer Kompromiss in der Pflege nicht möglich", kritisierte der Minister.

Knackpunkt Finanzierung

Wann die Eckpunkte nun vorgelegt werden sollen, ist offen. Ursprünglich sollte 2011 das Jahr der Pflege werden. Als FDP-Chef Philipp Rösler noch Gesundheitsminister war, kündigte er die Reform für dieses Jahr an. Sein Nachfolger Daniel Bahr wollte die Eckpunkte immerhin noch diesen Sommer präsentieren. Jetzt heißt es abwarten. Denn inzwischen ist in der Regierungskoalition nach dem Muster der letzten Gesundheitsreform ein regelrechter Streit zwischen CDU, CSU und FDP über die künftige Finanzierung der Pflegeversicherung entbrannt. CDU und FDP plädieren für eine kapitalgedeckte Zusatzversicherung. Die CSU lehnt dies kategorisch ab. Andere im Koalitionslager schlagen einen Verschiebebahnhof zu den prall gefüllten Kassen der gesetzlichen Krankenkassen vor. Und auch die Rentenversicherung könnte angezapft werden. So forderte der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn (CDU), einen Teil der zusätzlichen Ausgaben für Demenzkranke und pflegende Angehörige aus der Krankenversicherung zu zahlen. Dagegen lancierte die bayerische Landesregierung den Vorschlag eines Bundesleistungsgesetzes, das etwa die Kosten für die Betreuung von Demenzpatienten aus Steuermitteln übernehmen solle.

Spahn und eine Gruppe junger Abgeordneter aus CDU und CSU halten zudem den Aufbau einer Kapitalreserve für notwendig. Unklar aber ist deren Finanzierung. Unions-Fraktionschef Volker Kauder hatte kürzlich vorgeschlagen, die Kapitalreserve solle paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlt werden. Das hieße dann wohl auch, dass die Reserve innerhalb der gesetzlichen Versicherung angelegt würde. Die FDP setzt auf eine individuelle und tendenziell von der privaten

Versicherungswirtschaft organisierte echte Kapitalrücklage.

Kompromissvorschlag von Spahn

Alle drei Parteien müssten nun Abstriche machen und ihre Maximalpositionen verlassen, sagte Spahn und schlug einen Kompromiss vor. Demnach würden die Ausgaben für Demente und pflegende Angehörige 2012 um jeweils rund eine Milliarde Euro aufgestockt. Den größten Teil könne man aus der Krankenversicherung gegenfinanzieren, indem diese für medizinische Kosten wie das Wechseln von Verbänden aufkomme. Das sei auch sachlich gerechtfertigt, meinte Spahn. Den Transferbetrag bezifferte er auf 1,6 Milliarden Euro. Damit bliebe knapp eine halbe Milliarde Euro, die über höhere Beiträge zu finanzieren wäre.

Für den Aufbau der Kapitalrücklage schlägt er vor, dass alle Beitragspflichtigen monatlich fünf Euro, einen "Zukunftsfünfer", abführen müssten. Dieser würde mit den übrigen Beiträgen einbehalten und von den Arbeitgebern mitbezahlt. Ein Sozialausgleich sei nicht notwendig, weil jeder in der Lage sei, auf fünf Euro für seinen Konsum im Monat zu verzichten.

Keine kleine Prämie mit der CSU

Das wiederum lehnt die CSU ab: "Mit uns wird es keine kleine Prämie geben", sagte der sozialpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger, der "Passauer Neuen Presse". "Für fünf Euro Prämie müsste ein gigantischer bürokratischer Aufwand inszeniert werden", argumentierte der CSU-Politiker.

Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) regte hingegen an, den Mehrbedarf für die Pflege aus Mitteln zu decken, die bei der Rentenversicherung demnächst entbehrlich werden. Die CDU-Politikerin will in der Herbstkonferenz der Arbeits- und Sozialminister ihren Vorschlag vortragen. Sie bezieht in ihre Rechnung den Spielraum ein, der für eine Beitragssenkung der Rentenversicherung bestünde. Wenn der Rentenbeitrag 2012 von jetzt 19,9 auf 19,6 Prozent abgesenkt würde, brächte dies eine Entlastung von drei Milliarden Euro.

Özkan regt an, den Beitrag nicht zu senken und stattdessen das Geld in die Pflegereform zu stecken. Je 400 Millionen Euro könnten in die Verbesserung der Leistungen aus der Pflegekasse, in die Finanzierung der Pflegeausbildung und in die Stärkung der häuslichen Pflege gesteckt werden, 800 Millionen Euro in die bessere Förderung demenzkranker Menschen. Eine Milliarde Euro soll nach Özkans Plan in die Reservekasse gesteckt werden, damit von 2030 an bei der alternden Gesellschaft die Leistungen der Pflegekasse gesichert werden.



DAZ 2011, Nr. 38, S. 32

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