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"Wissenschaftlicher Taschenspielertrick"

Niedrige Löhne sorgen für einen beruflichen Aufstieg und schützen gleichzeitig vor Armut – provokante Thesen, die vom Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft im Rahmen einer Studie veröffentlicht wurden. Ganz so rosig ist die Realität aber nicht, nimmt man alle Zahlen genauer unter die Lupe.

Der Niedriglohnsektor birgt nach wie vor politischen Sprengstoff: Arbeitgeberverbände werden nicht müde, die Bedeutung dieser Einkommensgruppen für die Wirtschaft zu betonen. Gewerkschaften hingegen fordern gesetzliche bzw. tarifliche Untergrenzen. Jetzt sorgt eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft im Auftrag der arbeitgeberfreundlichen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) für Wirbel.

Sprungbrett Niedriglohn?

Der Untersuchung nach haben Angestellte im Niedriglohnsektor "gute Chancen, in besser bezahlte Tätigkeiten zu wechseln" – rund 24 Prozent schafften diesen Sprung. Andererseits rutschten lediglich fünf Prozent aus besser bezahlten Positionen nach unten ab. Dieser Bereich wächst ohnehin von selbst: Waren 1994 lediglich 16 Prozent aller Erwerbstätigen im unteren Sektor, lag der Wert 2009 bereits bei 22 Prozent. Und zwar nicht auf Kosten regulärer Arbeitsverhältnisse – der Prozentsatz an Normalverdienern blieb nämlich recht stabil bei 45 Prozent. Vielmehr sind mehr neue Arbeitsplätze mit geringem Gehalt entstanden. Als Grenze setzten die Ökonomen hier neun Euro pro Stunde an, also 1557 Euro brutto bei 40 Wochenstunden.

Dazu INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr: "Mindestlöhne verhindern nicht nur den Einstieg in den Arbeitsmarkt, sondern auch den finanziellen und sozialen Aufstieg."

Auch zeige das Gutachten, so Pellengahr weiter, dass das Armutsrisiko bei Arbeitslosen fast vier Mal so hoch sei wie bei den Geringverdienern, auch weil Jobs im Niedriglohnbereich häufig Zuverdienste zum Haushaltseinkommen darstellten. Der Geschäftsführer kritisiert ebenfalls Frühverrentungen und den längeren Bezug des Arbeitslosengeldes I. Dies habe dazu geführt, dass Ältere "Stück für Stück aus dem Arbeitsmarkt gedrängt worden seien". Die INSM fordert deshalb, für diese Arbeitnehmer das ALG I nur noch zwölf statt wie bisher 24 Monate zu bezahlen.


Internet


Das Gutachten steht online unter www.insm.de

Trübe Aussichten

ADEXAs zweite Vorsitzende Tanja Kratt bezeichnet die Interpretation der Zahlen als "wissenschaftlichen Taschenspielertrick": "Geht es der Wirtschaft wieder besser", so Kratt, "entstehen vor allem neue Arbeitsplätze in den unteren Einkommensbereichen." Ungelernte Kräfte würden in Zeiten der Flaute kurzerhand auf die Straße gesetzt, Arbeitgeber könnten ja sicher sein, umgehend Ersatz zu finden, sollte es wieder bergauf gehen. Fachkräfte hingegen beschäftige man nach Möglichkeit auch in Notzeiten häufig weiter. Andererseits bedeute der Aufstieg von 24 Prozent der Angestellten aus dem Niedriglohnsektor in normal bezahlte Arbeitsverhältnisse immer noch, dass 76 Prozent den Sprung eben nicht schaffen.

Auch die Forderung, das Arbeitslosengeld I zusammenzustreichen, stößt bei ADEXA auf Unverständnis. "Ältere Kolleginnen und Kollegen haben ohnehin schon schlechtere Chancen auf einen Arbeitsplatz." Bei diesen Leistungen jetzt auch noch den Rotstift anzusetzen, sei "fernab jeder Realität". Trübe Aussichten, die nur durch die Festsetzung von Mindestlöhnen verbessert werden könnten, sollten keine Tarifverträge greifen, sagt die Zweite ADEXA-Vorsitzende.


Michael van den Heuvel

Infoabende


"Betriebliche Altersvorsorge – kein Buch mit sieben Siegeln"

ADEXA lädt zu Informationsveranstaltungen über die Gestaltungsmöglichkeiten der tariflichen Altersvorsorge ein. Nutzen Sie diese Chance auch für Ihre persönlichen Fragen. Anmeldungen bitte über die ADEXA-Hauptgeschäftsstelle:

info@adexa-online.de, Tel. (0 40) 36 38 29, Fax (0 40) 36 30 58.

Hamburg: 14. 9.

Düsseldorf und Halle/Saale: 21. 9.

Bremen: 22. 9.

Hannover: 28. 9.

Kiel: 27. 10.

Leipzig: 5. 11.

Weitere Termine folgen. Siehe auch: www.adexa-online.de/ tarife/tarifliche-altersvorsorge



DAZ 2011, Nr. 36, S. 89

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