Für Sie untersucht

RTL-aktuell Arzneimitteleinkauf aus Thailand

ZL untersucht Arzneimitteleinkauf von RTL-Reportern in Thailand

Im Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) werden nicht nur beanstandete Arzneimittel des deutschen Marktes untersucht, sondern auch solche, die in der All-inclusive-Stimmung vom Urlauber in fernen Ländern günstig eingekauft wurden. Die Mitbringsel können nach Rückflug und Metamorphose zum verunsicherten Patienten zur Überprüfung eingereicht werden.
Fotos: ZL
Abb. 1: In Thailand erworben 10 Präparate, in denen Wirk­stoffe wie Sildenafil, Tadalafil, Diazepam und Sibutramin enthalten sein sollen.

Sommer. Sonne. Strand. Entspannung. In der richtigen Umgebung schmeckt sogar der schlechteste Wein. Und in der richtigen Urlaubsstimmung kauft man auch schon mal etwas, das – später objektiv betrachtet – nicht der gewohnten Qualität entspricht. Im Urlaub sind wir deutlich unkritischer. Der Fehlkauf eines "trendigen" Strandkleids hat dabei aber weniger gravierende Folgen als der Konsum eines "trendigen" Life-Style-Präparates.

Für diesen Beitrag waren Reporter von RTL-aktuell in Thailand unterwegs, um vor Ort verschiedene Arzneimittel zu kaufen. Im Gepäck befanden sich dann insgesamt 10 Präparate (Abb. 1), in denen die Wirkstoffe Sildenafil, Tadalafil, Diazepam und Sibutramin enthalten sein sollten. Das ZL wurde gebeten, diese analytisch zu überprüfen.

Äußerlich seriös, aber der Inhalt …

Rein äußerlich machten die "Einkäufe" einen unterschiedlich seriösen Eindruck. Teilweise wurden den Reportern scheinbar original verpackte Produkte verkauft, aber auch lose Tabletten, einzelne Blister oder nur Blisterabschnitte wurden abgegeben.

Zugegebenermaßen vermittelten die Präparate, die zumindest Sekundärverpackungen besaßen, instinktiv das beste (erste) Gefühl. Aber bei Aktivierung weiterer Sinne sagte der gesunde Menschenverstand dann schließlich: Es ist leichtsinnig zu glauben, das alleinige Vorhandensein eines (mehr oder minder guten) Hologramms macht den Inhalt besser, als er ist.

Abb. 2: Lose Tablette im Plastiktütchen Diesen Rhombus kennt doch jeder ... Etikett nicht nötig?

Es ist aussichtslos einen (immerhin vorhandenen) Beipackzettel zu studieren, wenn er nicht lesbar ist.

Es ist verdächtig, wenn der Aufdruck von Charge und Verfallsdatum auf den Blistern mit den Angaben auf der Sekundärverpackung nicht übereinstimmt.

Aber es ist unmöglich, die charakteristischen, kleinen, blauen, eckigen Filmtabletten ohne direkten Vergleich vom Original zu unterscheiden.

Außergewöhnlich war z. B. auch die "Originalpackung" "Cialis 80mg" incl. Beipackzettel und Schraubgefäß mit mandelförmigen, maisgelben Filmtabletten (s. auch Abb. 4). Eigentlich ist Cialis nur in den Dosierungen 5mg, 10mg oder 20mg im Handel. Aber wer von uns weiß schon, welche Dosierungen in anderen Ländern auf dem Markt sind, wie die "Originale" dort aussehen oder beschriftet sind?

Schlicht hingegen der "Auftritt" einer losen Tablette, lieblos ins Plastiktütchen gesteckt (Abb. 2). Beipackzettel oder Dosierungsangabe, was ist das? Eine blaue rhombische kleine Tablette ist schließlich unverkennbar und braucht keine Deklaration.

Abb. 3: Gold Viagra mit angeblichen 3000 mg – ein Schnäppchen.

Auf alle Fälle muss es sich aber um ein Schnäppchen handeln, wenn "Gold Viagra" mit 3000 mg (!) Sildenafil pro Tablette hält, was es verspricht (Abb. 3).

Alle mit Wirkstoff, aber die Menge …

Genug der Beschreibungen. Die positive Nachricht zuerst: In allen untersuchten Proben war Wirkstoff enthalten. Zwar nicht immer derjenige, der deklariert war, aber immerhin.

Wir fanden z. B. in der eingereichten Cialis-80mg-Packung (Abb. 4) Tabletten, die in Farbe, Form und Größe dem bekannten mandelförmigen "Original" sehr ähnlich waren. Im Gewicht durfte es ein wenig mehr sein, dafür konnte der im Original vorhandene Wirkstoff Tadalafil chromatografisch überhaupt nicht nachgewiesen werden!

Warum auch immer, ganz ohne Wirkung sollte es wohl doch nicht sein, statt des deklarierten Wirkstoffes konnten wir den (immerhin artverwandten) Inhaltsstoff Sildenafilcitrat identifizieren. Diesen dafür aber in der angegebenen Menge von 80 mg pro Tablette.

Man(n) kann nicht alles haben, denn dafür waren in den "original" verpackten Viagra-100mg Tabletten "nur" 35 bis 70% des deklarierten Gehaltes an Sildenafil bestimmt worden.

Abb. 4: Cialis aus Thailand Sieht so aus wie Cialis, ist aber kein Wirkstoff drin.

Beim Versuch, den Wirkstoffdosierungen der beiden einzelnen Tabletten (Blisterabschnitt und Tütchen) CSI-mäßig auf die Spur zu kommen, indem man die Prägungen "50", bzw "100" als Tip für den möglichen Sildenafilgehalt annimmt, wären hier immerhin 90% der "Deklaration" zu erraten gewesen. Aber zum Glück ist das nicht immer so. Denn sonst hätte das "Gold Viagra" laut Etikett ja 3000 mg Sildenafil pro Tablette enthalten sollen. Gut, bei 350 mg Gesamt-Gewicht der einzelnen Tablette wäre das schwer geworden, aber … das in den "Reductil"-Plagiaten enthaltene Sibutramin (diesmal in der angegebenen Konzentration) hätte das schon wieder ausgeglichen.

Und wer sich dann noch aufregt, kann nach Einnahme des pakistanischen Valiums gepflegt entspannen.

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß? Hinweise auf zum Teil gefährliche Nebenwirkungen entfallen dank fehlender Beipackzettel und können so nicht zu unnötiger Verwirrung beitragen. Ob Tadalafil oder Sildenafil, ob 20 mg oder 3000 mg Dosierung ... ist das nicht alles das Gleiche? Kommt es denn wirklich darauf an? Muss Qualität ihren Preis haben und gesichert sein?

Keine Beanstandungen aus deutschen Apotheken

Medikamente zu fälschen ist nicht nur technisch einfacher als illegale Drogen herzustellen, es ist auch lukrativer, wenn man bedenkt, dass z. B. 1 kg Viagra auf dem Schwarzmarkt etwa 90.000 Euro bringt, dieselbe Menge Heroin aber nur 50.000 Euro. Laut EU-Zollstatistik 2010 wurden an den EU-Außengrenzen im letzten Jahr 3,2 Millionen gefälschte Arzneimittel aufgegriffen, deren Originalwert mit rund 26,6 Millionen Euro beziffert wird. Es geht aber auch anders.

Abschließend noch die gute Nachricht: Denn es werden auch aus deutschen Apotheken regelmäßig Levitra-, Cialis- und Viagra-Tabletten wegen "Wirkungslosigkeit und Verdacht auf Fälschung" an die Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker (AMK) geschickt, die wir im ZL laboranalytisch überprüfen. Meist handelt es sich hierbei um Importware und fast immer um "die letzte Tablette" der jeweiligen Packung. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die vielen im Rahmen der AMK-Proben untersuchten Levitra, Cialis und Viagra-Tabletten aus deutschen Apotheken, bislang nie (!) zu beanstanden waren.

Dies veranlasst uns zu dem Fazit: Wenn Patienten Arzneimittel in ihrer Apotheke vor Ort kaufen, ist dies der beste Schutz vor Fälschungen!



Kontakt

Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker e. V.,

Carl-Mannich-Str. 20, 65760 Eschborn,

www.zentrallabor.com



DAZ 2011, Nr. 34, S. 54

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