Arzneimittel und Therapie

BRAF-Inhibitor Vemurafenib bringt den Durchbruch

Nachdem die Therapiemöglichkeiten bislang begrenzt waren und zudem lange stagnierten, deutet sich nunmehr der Durchbruch beim fortgeschrittenen malignen Melanom an: Durch gleich zwei neue Behandlungsoptionen – die Aktivierung des Immunsystems durch Ipilimumab (Yervoy®) und vor allem durch die Blockade des Ras/RAF/MEK-Signalwegs durch den BRAF-Inhibitor Vemurafenib – lässt sich das Überleben der Patienten signifikant verlängern. In den USA wurde bereits eine Zulassung für Vemurafenib (Zelboraf®) erteilt.
Quelle: Prof. Dr. Jürgen Wolf, Köln
Beispiel Lungenkrebs Bei Tumoren wird zunehmend auf eine genaue Charakterisierung der genetischen Veränderungen gesetzt, um eine individualisierte, zielgerichtete Therapie zu ermöglichen.

Während rund 85% der Patienten mit einem malignen Melanom geheilt werden, wenn es früh diagnostiziert wird, ist die Prognose mit einer Lebenserwartung von nur neun bis zwölf Monaten sehr limitiert, wenn sich bereits Fernmetastasen abgesiedelt haben. Das liegt vor allem daran, dass die Behandlungsmöglichkeiten bisher sehr unbefriedigend waren. Bei der Chemotherapie waren nur hergebrachte Zytostatika wirksam, wobei durch eine Polychemotherapie zwar höhere Remissionsraten, nicht aber eine Verbesserung der Überlebenszeit zu erzielen war.

Deutlich bessere Prognose

Nun aber deutet sich beim malignen Melanom ein Fortschritt an: Schon bald dürften neue Substanzen aus dem Bereich der zielgerichteten Therapie verfügbar werden, die die Prognose der Patienten eindrucksvoll verbessern. Das belegen bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vorgestellte Studiendaten. Diese sind so überzeugend, dass der größte amerikanische Krebskongress 2011 auch als der "ASCO des Melanoms" bezeichnet wurde. Aufsehen erregte beim Kongress in Chicago vor allem der Wirkstoff Vemurafenib, der den Ras/RAF/MEK-Signalweg, der bei mehr als der Hälfte der Melanom-Patienten mutiert ist, blockiert. Liegt eine solche sogenannte V600E-Mutation im BRAF-Gen vor, so sprechen die betroffenen Patienten zu 50 bis 80% auf Vemurafenib an. Es resultiert ein signifikant besseres progressionsfreies Überleben und auch ein statistisch längeres Gesamtüberleben, so das Ergebnis der BRIM3-Studie, einer Phase-III-Studie die Vemurafenib mit der herkömmlichen Standardtherapie mit Dacarbazin vergleicht: Dabei wurde das progressionsfreie Überleben durch Vemurafenib von median 1,6 auf 5,3 Monate verlängert und nach sechs Monaten waren in der Dacarbazin-Gruppe nur noch 64% der Patienten am Leben, unter Vemurafenib immerhin noch 84%. Das entspricht einer signifikanten Reduktion der Mortalität um 63% durch den BRAF-Inhibitor bei gleichzeitiger Verlängerung des progressionsfreien Überlebens um 74% verglichen mit der Chemotherapie. Beeindruckend vor allem, dass bei fast allen Patienten innerhalb von nur einer Woche eine deutliche Schrumpfung des Tumors erzielt wurde, ein Hinweis auf ein sehr schnelles Ansprechen des Tumors auf die Behandlung. Nahezu alle Patienten wurden zudem innerhalb nur einer Woche symptomfrei und das in allen Subgruppen und sogar bei erheblich vorbehandelten Patienten. Ein besonders ausgeprägter Tumorrückgang war bei Patienten mit vergleichsweise hoher Tumorlast zu sehen.

Der Wirkmechanismus von Ipilimumab unterscheidet sich vom Vemurafenib. Der in Deutschland bereits zugelassene Antikörper Ipilimumab (Yervoy®) ist gegen ein Oberflächenmolekül auf Lymphozyten gerichtet, das eine Aktivierung des Immunsystems gegen den Tumor bewirkt. Während Vemurafenib als Monotherapie eingesetzt werden kann, wurde Ipilimumab bislang nur in Kombination mit Dacarbazin geprüft. Die Ansprechraten sind um etwa 15% geringer als bei Vemurafenib, allerdings gibt es bei einigen Patienten unter Ipilimumab die Chance auf ein Langzeitüberleben. So leben entsprechend der bisherigen Erfahrungen unter Ipilimumab plus Dacarbazin nach drei Jahren noch 21% der Patienten gegenüber nur 12% unter alleiniger Dacarbazin-Gabe. Nicht nur die gute Wirksamkeit, sondern auch das günstige Sicherheitsprofil spricht für die beiden neuen Wirkstoffe. Deren Nebenwirkungen sind gut beherrschbar, wenn die Patienten engmaschig überwacht werden, so dass gravierende Ereignisse wie etwa eine schwere Immunreaktion unter Ipilimumab sowie die Ausbildung eines Plattenepithelkarzinoms der Haut unter Vemurafenib rasch erkannt und behandelt werden können.

Neuer Kinaseinhibitor


Vemurafenib (Zelboraf®) ist ein oral applizierbarer Kinaseinhibitor, den die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) am 17. August 2011 für die Behandlung von Patienten mit BRAF-V600-Mutation-positivem, inoperablem oder metastasierendem Melanom zugelassen hat. Vemurafenib hemmt einige mutierte Formen des BRAF-Proteins, das bei rund der Hälfte aller Fälle von Melanom zu finden ist.

Die Mutation muss durch einen von der FDA zugelassenen Test nachgewiesen werden. Vemurafenib soll in den USA innerhalb von zwei Wochen verfügbar sein. Roche hat die Zulassung für Vemurafenib auch in der EU, der Schweiz, in Australien, Neuseeland, Brasilien, Indien, Mexiko und Kanada beantragt.


Bei den weiteren Forschungen wird es nun darum gehen, wann welcher Patient mit dem einen oder anderen der neuen Wirkstoffe zu behandeln ist. Derzeit zeichnet sich ab, dass Patienten mit Mutation im BRAF-Gen und mit hoher Tumorlast und gravierenden Symptomen primär Vemurafenib erhalten sollten. Nach Stabilisierung der Erkrankung könnte sich dann eine Behandlung mit Ipilimumab anschließen, um die Chancen auf eine langfristige Krankheitskontrolle zu verbessern. Bei leichten Symptomen und eher geringer Tumorlast kann hingegen initial mit Ipilimumab behandelt und beim Progress auf Vemurafenib gewechselt werden. Bereits jetzt sehen Experten in den jüngsten Erfolgen beim fortgeschrittenen malignen Melanom eine erneute Bestätigung des Prinzips der zielgerichteten Therapie, die zunehmend eine personalisierte Krebstherapie erlaubt. Die Onkologen hoffen, auf diesem Gebiet analog der Entwicklung bei HIV bei einer Reihe von Tumoren mit bislang infauster Prognose das Krankheitsgeschehen zumindest soweit in den Griff zu bekommen, dass aus der akut lebensbedrohlichen Krankheit eine chronisch, gut behandelbare Erkrankung wird.


Quelle

Prof. Dr. Axel Hauschild, Kiel; Prof. Dr. Jürgen Wolf, Köln: "Aktuelles vom amerikanischen Krebskongress 2011", Köln, 17. Juni 2011, veranstaltet von der Hoffmann-La Roche AG, Basel.


Medizinjournalistin Christine Vetter



DAZ 2011, Nr. 34, S. 44

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