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Streit um Apothekenöffnungszeiten in Wien

In Österreich wird aktuell darüber debattiert, ob die strikt geregelten Öffnungszeiten für die Wiener Apotheken gelockert werden sollen. Befürworter einer solchen Liberalisierung sind – wen wundert‘s? – die Inhaber von Apotheken in zentralen Citylagen oder viel frequentierten Einkaufszentren. ADEXA sprach mit Mag. pharm. Raimund Podroschko, Vizepräsident des Verbands Angestellter Apotheker Österreichs (VAAÖ), über die derzeitige Situation und mögliche Auswirkungen einer Änderung.
Raimund Podroschko

? Sie haben sich in DAZ.online und der österreichischen Fachpresse gegen eine Verlängerung der Öffnungszeiten in Wiener Apotheken am Samstag ausgesprochen – bisher ist ab 12 Uhr mittags Schluss. Welche Interessen stehen dabei im Vordergrund?

Podroschko: Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass ich primär die Belange des Apothekenpersonals vertrete. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit: Für die Versorgung der Bevölkerung sind die geltenden Öffnungszeiten zusammen mit der hohen Zahl an Apotheken, die jeden Tag Bereitschaftsdienst leisten, ausreichend, und ich sehe hier durch eine Verlängerung unter dem Strich negative Auswirkungen.

Von verlängerten Öffnungszeiten am Samstag profitieren ja nur wenige Apotheken in ohnehin guten Lagen, während die Mehrzahl der Apotheken, vor allem in weniger frequentierten Lagen, Einbußen hat – bei gleich bleibender Belastung durch die Notdienste. Die Folgen sind Umsatzverlust und weniger qualifiziertes pharmazeutisches Personal oder sogar Schließungen, denn hohe Qualität ist teuer. Die Versorgung in der Fläche würde sich also zulasten der Randlagen verschlechtern.

Aber natürlich liegen mir auch die Interessen der Angestellten am Herzen: Gerade die Samstagnachmittage sind familienfeindlich – welcher Kindergarten hat dann schon offen? Das spielt bei dem hohen Frauenanteil eine wichtige Rolle.


? Wer legt in Österreich die Öffnungszeiten von Geschäften und Apotheken fest?

Podroschko: Die Ladenöffnungszeiten sind in Österreich auf Bundesebene grundsätzlich geregelt. Das Öffnungszeitengesetz erfasst den Kleinverkauf von Waren durch Betriebe, die der Gewerbeordnung unterliegen, also nicht von Apotheken. Es erlaubt Öffnungszeiten von maximal 72 Stunden pro Woche, wobei sonn- und feiertags geschlossen zu halten ist, am Samstag nach 18 Uhr und am Montag vor 6 Uhr ebenfalls. Offen gehalten werden darf Montag bis Freitag zwischen 6 und 21 Uhr, Samstag zwischen 6 und 18 Uhr unter Berücksichtigung der 72-Stunden-Grenze. Es gibt eine Fülle von Ausnahmemöglichkeiten, die die Landeshauptleute zulassen können.

Die Öffnungszeiten der Apotheken werden aufgrund des § 8 Apothekengesetz von der Bezirksverwaltungsbehörde festgesetzt: maximal 48 Stunden pro Woche an Werktagen bei mindestens zwei Stunden Mittagssperre. Die Öffnungszeiten müssen für alle Apotheken in einem Ort gleich sein. Eine Ausnahme bildet Graz mit 8 Stunden zur Disposition am Samstagnachmittag oder werktags nach 18 Uhr.


? Wien ist ein Touristenmagnet: Wäre es nicht wünschenswert, wenn man sich zumindest in der Innenstadt auch am Samstagnachmittag mit Präparaten für die Selbstmedikation versorgen könnte?

Podroschko: Apotheken sind keine "normalen" Geschäfte, sie sind zum Shopping-Erlebnis für Einheimische und Touristen nicht erforderlich. In der Wiener City haben aber immer zwei bis drei Apotheken Bereitschaftsdienst, sodass notwendige Arzneimittel schnell und ohne weite Wege verfügbar sind.

Informationen über die diensthabenden Apotheken findet man auf der Website der Apothekerkammer (www.apotheker.at) – dort kann man sich auch für Smartphones kostenlose Apps zur Apothekensuche mit Nachtdienst-Anzeige herunterladen.


? Wie ist der Apothekennotdienst in Österreich geregelt?

Podroschko: Während der Sperrzeiten ist nach ApoG von der Bezirksverwaltungsbehörde ein Bereitschaftsdienst einzurichten, wobei nur Waren, die dem Apothekenvorbehalt unterliegen, und Erste-Hilfe-Artikel sowie Verbandstoffe während der allgemeinen Ladenschlusszeiten abgegeben werden dürfen. Bei mehreren Apotheken in einem Ort werden diese nach der örtlichen Bedarfslage zu einem Turnusverband zusammengeschlossen (von Dauerdienst bei Orten mit nur einer Apotheke bis zu einem elftägigen Turnus). Dauerdienst und Wechseldienst im Turnus alle zwei Tage können in Rufbereitschaft geleistet werden; ansonsten muss der diensthabende Apotheker in der Apotheke anwesend sein.

Die Behörde kann bei Bedarf ein Offenhalten während der Bereitschaftszeiten bewilligen; dies ist die Grundlage für durchgehendes Offenhalten über Mittag in den Städten. An Sonn- und Feiertagen müssen die in der folgenden Nacht Bereitschaftsdienst habenden Apotheken bis 12 Uhr offen halten.


? Und wie sieht es mit den Öffnungszeiten von Arztpraxen aus? Es gibt ja auch Forderungen, hier eine Anpassung der Wiener Apotheken zu erreichen.

Podroschko: Laut Ärztekammer können Wahlärzte ihre Ordinationszeiten frei bestimmen. Kassenvertragsärzte müssen mindestens 20 Stunden pro Woche Ordinationszeiten anbieten, wobei praktische Ärzte diese Stunden auf 5 Tage verteilt anbieten müssen. Der Freitagnachmittag muss ebenso enthalten sein wie zwei Vormittage und einmal pro Woche Randzeiten für Berufstätige (entweder früh oder am Abend). Vertragsfachärzte müssen von den 20 Wochenstunden zwei der folgenden Blöcke anbieten 7 – 9 Uhr, 13 – 15 Uhr, 17 – 19 Uhr.

Die Wiener Lokalpolitik hätte hier gerne eine bessere Übereinstimmung. Es wäre daher zu überlegen, ob aufgrund von Einzelgenehmigungen Apotheken im Umfeld von Arztpraxen an einzelnen Tagen noch bis 19:30 Uhr geöffnet haben könnten. Hier sehe ich eher einen echten Vorteil für die Patienten als bei den Samstagnachmittagen, an denen ja keine Rezepte ausgestellt werden.

Generell bin ich aber der Meinung, dass es für die Bevölkerung wichtig ist zu wissen, dass sich jede Apotheke an einheitliche Öffnungszeiten hält.


! Herr Podroschko, vielen Dank für das interessante Gespräch!


Die Fragen stellte Dr. Sigrid Joachimsthaler.

Ungekürzte Fassung im Internet: www.adexa-online.de



DAZ 2011, Nr. 33, S. 65

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