DAZ aktuell

Nicotinsucht ist Krankheit

LAUSANNE/BERLIN (jz). Das Schweizer Bundesgericht hat entschieden, dass Nicotinsucht unter bestimmten Voraussetzungen eine Krankheit ist, für deren Behandlungskosten die Krankenkassen und Versicherungen aufkommen müssen.
Foto: TAUNUS BKK
Erstattungsfähig soll die medikamentöse Raucherentwöhnung unter bestimmten Voraussetzungen künftig in der Schweiz sein.

Über diese in der vergangenen Woche veröffentlichte Entscheidung froh ist der amerikanische Pharmakonzern Pfizer: Das Unternehmen vertreibt seit 2006 in der Schweiz das rezeptpflichtige Entwöhnungsmedikament Champix mit dem Wirkstoff Vareniclin. Nachdem das Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) im Jahr 2008 die Aufnahme des Medikaments in die sogenannte Spezialitätenliste für zugelassene Wirkstoffe abgelehnt hatte, erklärte im Jahr 2010 zunächst auch das Schweizer Bundesverwaltungsgericht auf die von Pfizer daraufhin eingelegte Beschwerde, Nicotinabhängigkeit sei keine behandlungsbedürftige Krankheit.

Nun die Wende: Das Schweizer Bundesgericht gab Pfizer zumindest teilweise recht und entschied, dass Nicotinsucht genau wie die Alkohol- oder Drogensucht eine Krankheit sei. Jedenfalls dann, wenn sie der Grund für oder die Folge von einer anderen Erkrankung sei oder wenn der Konsum von Zigaretten sich nachteilig auf das berufliche oder private Umfeld auswirke. Darüber hinaus gab das Schweizer Bundesgericht dem BAG auf, Kriterien festzulegen, nach denen von einer krankhaften Nicotinsucht ausgegangen werden könne. Bei Vorliegen der Kriterien müssten die Krankenkassen und Versicherungen dementsprechend an den Kosten der Heilung beteiligt werden.

Das BAG hat nach Festlegung der Kriterien nun erneut – unter Zugrundelegung der Ansicht des Schweizer Bundesgerichts – über eine eventuelle Aufnahme des Medikaments Champix in die Spezialitätenliste zu entscheiden. Laut einer Schätzung der Eidgenössischen Arzneimittelkommission beliefen sich die für die Krankenkassen zusätzlich anfallenden Kosten bei Aufnahme des Medikaments in die Spezialitätenliste auf 45 Millionen Franken. Dem gegenüber steht eine nachgewiesene Erfolgsquote von lediglich 21 Prozent.

Die Reaktionen auf das Urteil fielen aufseiten der Krankenkassen wenig begeistert aus. Silvia Schütz vom Verband der Schweizer Krankenkassen Santésuisse gegenüber dem schweizerischen "Blick" dazu: "Wenn die Solidargemeinschaft der Prämienzahler die präventive Rauchentwöhnung bezahlt, darf sie ein Engagement des Rauchers dafür erwarten. In diesen Fällen soll die Therapie nur bezahlt werden, wenn sie erfolgreich ist."

Das Unternehmen Pfizer äußerte sich gegenüber der DAZ hingegen optimistisch: "Wir haben das Urteil des Bundesgerichts erfreut zur Kenntnis genommen. Die detaillierte Analyse des Urteils wird zeigen, in welchem Rahmen die Patienten in der Schweiz in Zukunft die medikamentöse Raucherentwöhnung von der Grundversicherung vergütet erhalten sollen." Sie stufe die Bedeutung des Urteils für die Nicotinabhängigen in der Schweiz zudem als hoch ein.



DAZ 2011, Nr. 32, S. 31

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