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Geriatrische Pharmazie – das Arbeitsgebiet für die Apotheke

Peter Ditzel

Natürlich kann sich eine Apotheke auch als Gesundheitszentrum für junge, dynamische Menschen präsentieren, für Sportler und Präventionsbegeisterte, für Mütter und Kinder. Aber die Apotheke sollte nicht aus den Augen verlieren, dass sie in erster Linie von Patienten aufgesucht wird, die über 65 Jahre alt sind. Auch wenn 65 heute noch kein Alter ist: jenseits der 65 nehmen die körperlichen Beschwerden und Erkrankungen merklich zu. Fakt ist: Die über 65-jährigen Patienten stellen die größte Arzneimittelanwendergruppe dar. Und: je älter, desto mehr Arzneimittel. Etwa 30 bis 50 Prozent aller verschreibungspflichtigen Arzneimittel werden an Patienten über 65 Jahre verschrieben, Tendenz steigend.

Man sollte sich die demografische Entwicklung vor Augen halten: Von den rund 82 Millionen Menschen in Deutschland sind etwa knapp 17 Millionen 65 Jahre alt und älter. Schätzungen gehen davon aus, dass diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf rund 22 Millionen ansteigen wird. Die Apotheke wird sich also vermehrt auf ältere Menschen einstellen müssen. Haben sich Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker darauf vorbereitet?

Einige schon. Beispielsweise die 22 bayerischen Apothekerinnen und Apotheker, die ganz frisch und erfolgreich die Weiterbildung im Bereich der Geriatrischen Pharmazie absolviert haben und nun den Weiterbildungstitel "Apotheker für Geriatrische Pharmazie" führen dürfen, wie die Bayerische Landesapothekerkammer jetzt meldet. Sie sind nicht die einzigen und nicht die ersten. Auch in anderen Bundesländern besteht – und das bereits schon seit einigen Jahren – die Möglichkeit, eine Weiterbildung in Geriatrischer Pharmazie abzulegen. Vorreiter war hier sicher die Apothekerkammer Nordrhein, treibende Kraft war und ist die Apothekerin Elisabeth Thesing-Bleck.

Man kann nur alle Apothekerinnen und Apotheker beglückwünschen, die bisher diesen Weiterbildungsweg eingeschlagen haben. Denn die Geriatrische Pharmazie dürfte in den nächsten Jahren das Top-Thema in der Apotheke werden. Stark beeinflusst von der Klinischen Pharmazie dürfte die Geriatrische Pharmazie die Ausrichtung der pharmazeutischen Tätigkeit eines Apothekers in den nächsten Jahren stark prägen. Überhaupt: vielleicht ist dies sogar die Zukunft oder zumindest ein großer Teil der Zukunft des Apothekerberufs.

Das ABDA/KBV-Konzept, das sich in erster Linie an multimorbide Patienten wendet mit fünf und mehr Arzneimitteln (Polymedikation), passt zur Geriatrischen Pharmazie und deutet darauf hin, dass hier Handlungsbedarf für die Apotheke besteht: Abklärung von Interaktionen, Nebenwirkungen, Verträglichkeiten von Arzneimitteln.

Aber, wir sind nicht die einzigen, die die Geriatrische Pharmazie im weitesten Sinn als zukünftiges Betätigungsfeld sehen. Derzeit gibt es bereits ansatzweise Versuche, die Arzneimittelverordnungen auf Interaktionen etc. zu checken und sich auf dem Kompetenzfeld der Apotheker zu tummeln. Die AOK Rheinland/Hamburg hat mit Ärzten einen Hausarztvertrag geschlossen, bei dem nun das Zusatzmodul "Arzneimittel-Baustein" aktiviert wurde: Ärzte erhalten eine Zusatzvergütung (!), wenn sie die ihren Patienten verordneten Arzneimittel auf Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten prüfen und bei Bedarf mit den übrigen Ärzten die Medikation abklären (siehe hierzu unseren Bericht und Kommentar in der Apotheker Zeitung Nr. 28 vom 11. Juli).

Vor diesem Hintergrund sollten Apothekerinnen und Apotheker mehr denn je ihre Kompetenz darstellen, über die Berufsvertretungen (Kammern und Verbände) mit Vorschlägen an die Krankenkassen herantreten, wie die Geriatrische Pharmazie (auch gegen Vergütung!) mit in die Therapie eingebaut werden kann.

Neben den Aspekten der Klinischen Pharmazie kann der Apotheker auch sein technologisches Wissen mit in die Betreuung der älteren Patienten einbringen. Er kann Hinweise zu modernen Arzneiformen geben, den Umgang mit komplizierteren Verpackungen erläutern und Tipps geben, wie man die Arzneiformen anwendet, wenn es beispielsweise um die Geschicklichkeit des älteren Patienten nicht mehr so gut bestellt ist.

Unsere Titelgeschichte befasst sich mit der geriatrischen Arzneimitteltherapie und zeigt auf, was es auf diesem Gebiet zu berücksichtigen gibt. In weiteren DAZ-Ausgaben werden wir die pharmazeutische Betreuung Älterer vertiefen.

Nicht zu vergessen: Bei aller Klinischen und Geriatrischen Pharmazie sollte man auch an den äußeren Rahmen der Apotheke denken. Eine "altengerechte" Apotheke ist möglichst barrierefrei zugänglich, hat keine Stolperfallen, hat hell beleuchtete Regale, ausreichend Sitzgelegenheiten und eine leicht zu erreichende "Beratungsecke" – denn die wird mit Sicherheit stärker frequentiert werden. Ich bin überzeugt: Die Apotheke, die sich mit der Geriatrischen Pharmazie befasst, hat die Zeichen der Zeit erkannt.


Peter Ditzel



DAZ 2011, Nr. 31, S. 3

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