Recht aktuell

Urlaubsvertretung als selbstständige Tätigkeit?

Ein rechtliches Minenfeld

Von Iris Borrmann, Hamburg

Eine wachsende Anzahl von örtlich ungebundenen Apothekern und Apothekerinnen hält es nicht mehr für wünschenswert, in einem Kleinbetrieb angestellt zu sein. Sie bieten ihre Vertretungstätigkeit als freie Mitarbeiter im Rahmen eines Honorarvertrages an. Ist dies vor dem Hintergrund des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebsordnung rechtlich machbar? Der nachfolgende Beitrag zeigt, dass es hier durchaus für den Inhaber als auch für den Vertretungsapotheker Fallstricke gibt, die berufsrechtliche Verfahren oder Zahlungsansprüche in erheblichem Umfang bedeuten können.
Urlaubsvertretung Es gibt immer wieder Apothekerinnen und Apotheker, die ihre Vertretungstätigkeit als freie Mitarbeiter im Rahmen eines Honorarvertrages anbieten. Kann eine selbstständige Tätigkeit in der Apotheke ­apothekenrechtlich zulässig sein? Foto: DAZ/Schelbert

In Zeiten, in denen die Apotheken noch über eine ausreichende Personaldecke verfügt haben, war die Frage nach der Urlaubsvertretung des Inhabers meist nachrangig. So wurde die "erste Kraft" meist schon im Arbeitsvertrag verpflichtet, die Urlaubsvertretungen des Inhabers zu übernehmen. Dazu wurde dann der entsprechende Zeitraum entweder mit einer übertariflichen Zulage entlohnt, es wurden Überstundenzuschläge gezahlt (§ 8 BRTV) bzw. die Arbeitszeit im Rahmen eines Arbeitszeitkontos (§ 4 BRTV) gutgeschrieben. Derzeit ist es allerdings in vielen Apotheken Realität, dass die meist teilzeitbeschäftigten Approbierten die Urlaubszeiten des Inhabers gar nicht mehr abdecken können. Dies gilt erst recht, wenn der Apothekenleiter sich für die Höchstdauer der Vertretung (§ 2 Abs. 5 Satz 2 ApBetrO), nämlich für drei Monate binnen eines Zeitraumes von zwölf Monaten vertreten lassen will.

Da es auf der anderen Seite auch eine wachsende Anzahl von örtlich ungebundenen Apothekern und Apothekerinnen gibt, die es nicht mehr für wünschenswert halten, in einem Kleinbetrieb angestellt zu sein, bieten diese ihre Vertretungstätigkeit als freie Mitarbeiter im Rahmen eines Honorarvertrages an.

Abgrenzung Arbeitsvertrag – Honorarvereinbarung

Aus arbeitsrechtlicher Sicht muss man zunächst die beiden Vertretungsformen voneinander abgrenzen. Kurz gesagt unterscheiden sich Arbeitnehmer und "freie Dienstleister" durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit.

Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.1

Eine Honorarkraft unterliegt hingegen keinen Weisungen, die Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Sie sollte im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und ihre Arbeitszeit bestimmen können.

Dabei ist es unerheblich, welche Bezeichnung die vertragsschließenden Parteien wählen.

Hierbei fällt zunächst auf, dass eine Apothekenvertretung selbstverständlich an Öffnungszeiten gebunden ist. Auch gibt der Inhaber eine gewisse Struktur vor, die der Vertreter in der Regel nicht eigeninitiativ ändert. Wenn allerdings die zeitlichen Vorgaben notwendiger Bestandteil der übernommenen Aufgabe sind, muss aber nicht zwingend eine Weisungsgebundenheit angenommen werden. Das Bundesarbeitsgericht urteilt entsprechend ständiger Rechtsprechung2 , dass Vorgaben, die notwendiger Bestandteil der übernommenen Aufgaben sind, allein nicht den Status eines Arbeitnehmers begründen. Allerdings ist entscheidend, wie der Vertrag im Einzelfall mit Inhalt gefüllt wird.

Größter Wert wird bei der Qualifizierung der Tätigkeit darauf gelegt, ob die Honorarkraft von einem Auftraggeber wirtschaftlich abhängig ist. Ist sie dies nicht, weil sie sich mehrere Vertretungsstellen aussuchen kann, tatsächlich auch für unterschiedliche Auftraggeber tätig ist, ihr Honorar selber verhandelt sowie keine Vergütung bei Erkrankung erhält usw., wäre eine Gestaltung der Vertretung als Honorartätigkeit zumindest möglich.

Finanzielles Risiko

Sollten arbeitsvertragliche Inhalte vereinbart worden sein und wird die Tätigkeit dennoch als Honorartätigkeit bezeichnet und vergütet, spricht man von einer Scheinselbstständigkeit. Als Scheinselbstständige bezeichnet man Erwerbstätige, die als Selbstständige auftreten, tatsächlich aber aufgrund der tatsächlichen Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses zu den abhängig Beschäftigten (Arbeitnehmern) zählen.

Es ist möglich, dass beispielsweise Sozialversicherungsträger im Rahmen einer Betriebsprüfung feststellen, dass ein Vertreter beschäftigt wurde und dafür keine Sozialversicherungsabgaben geleistet wurden. Wenn dies der Fall ist, drängen die Behörden auf die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses. In einem solchen Fall muss der Inhaber (und auch die Honorarkraft) eine "wasserdichte" Begründung für das Vorliegen einer Honorartätigkeit haben – andernfalls muss der Inhaber die Sozialversicherungsbeiträge (bis zu vier Jahre) nachentrichten.

Steuerrechtlich kann im Rahmen von Prüfungen die Abführung von Lohnsteuer ausgesprochen werden.

Und schließlich hätte der Vertreter die Möglichkeit sich noch im Nachhinein auf seinen Arbeitnehmerstatus zu berufen. Die Folgen davon wären z. B. Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen.

Apothekenrechtliche Zulässigkeit

Eine wichtige Frage ist allerdings, ob eine selbstständige Tätigkeit in der Apotheke überhaupt zulässig sein kann.

Gemäß § 1 des Gesetzes über das Apothekenwesen (Apothekengesetz – ApoG) ist der Betrieb einer Apotheke erlaubnispflichtig. Die Erlaubnis gilt sodann nur für den Apotheker, dem sie erteilt ist und für die bezeichnete Apotheke. Nach § 2 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) hat der Apothekenleiter die Apotheke persönlich zu leiten, darf sich jedoch nach § 2 Abs. 5 ApBetrO durch einen Apotheker vertreten lassen, wenn die Vertretung insgesamt drei Monate im Jahr nicht überschreitet.

Für den Vertreter gibt es kein Verbot im Laufe des Jahres für verschiedene Apotheker tätig zu werden, solange nicht bei den einzelnen Apothekern die jeweilige höchstzulässige Vertretungszeit überschritten wird.

Solche Vertretungen können problemlos im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses erfolgen.

Unstimmigkeiten herrschen allerdings darüber, ob die Vertretung auch im Rahmen einer Tätigkeit als freier Mitarbeiter mit Honorarvereinbarung erfolgen kann.

Dies wird zum großen Teil mit der Begründung abgelehnt, dass der Apotheker dem Erfordernis einer persönlichen Leitung aus § 2 Abs. 2 ApBetrO so nicht entsprechen könne. Dem könne der Inhaber nur dadurch entsprechen, dass er im Falle einer Vertretung alle übertragenen Betriebsabläufe weisungsgebunden steuere.3

Dies, so schlussfolgern die Vertreter dieser Meinung, könne nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geschehen. Im Rahmen eines Honorarvertrages sei eine derartige "Weisungsverpflichtung" des Inhabers nicht herzustellen. Da der Vertretungsapotheker an den vorher bestimmten Arbeitsort, die Arbeitzeiten sowie die festgelegten Aufgaben gebunden sei4 , käme eine freie Tätigkeit für diesen gar nicht in Betracht.

Der Vertreter müsse seine Arbeitsleistung im Gegensatz zu einem freien Beschäftigten zudem persönlich erbringen und habe keinerlei wirtschaftliche Verantwortung für die Apotheke.

Nach anderen Auffassungen ist in der ApBetrO keine pauschale Forderung nach einer Vertretung nur im Anstellungsverhältnis gestellt, so dass regelmäßig eine Betrachtung des Einzelfalls erfolgen müsse.

Sieht man sich den Wortlaut der Gesetze an und betrachtet zusätzlich, dass nun auch ein Filialleiter persönlich leiten darf, obwohl auch der Inhaber die Leitung inne hat, so können zumindest Zweifel an dieser restriktiven Auslegung aufkommen.

Auch durch einen Honorarvertrag können alle zur Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen notwendigen Verpflichtungen auf den Auftragnehmer übertragen werden. Die Verpflichtung, die apothekenrechtlichen Vorschriften einzuhalten, ergibt sich bereits aus dem Wesen des Vertrages als solchem. Inwieweit der Inhaber dann von der persönlichen Leitung soweit ausgeschlossen ist, dass dies gegen die ApBetrO verstößt, kann mithilfe des derzeitigen Gesetzeswortlautes nicht geklärt werden.

Bei der Erörterung der Weisungsgebundenheit der Vertreter berücksichtigen die Ablehner der Honorarverträge außerdem einen wesentlichen Punkt nicht: Alle Apotheker sind, was ihre pharmazeutische Verantwortung angeht, gar nicht weisungsgebunden.

Die Apothekenbetriebsordnung sieht die vorübergehende Vertretung für Krankheits- oder Urlaubsfälle vor. Gerade in diesen Situationen kann der Inhaber aber von seiner faktischen Leitungsverpflichtung gar keinen Gebrauch machen. Das Interesse des Auftraggebers ist es, für die Zeit der Vertretung die Apotheke während seiner Abwesenheit ohne Einbußen und Schäden und ohne Gesetzesverstöße weiterführen zu lassen. Zu konkretisierenden Weisungen und Kontrolle ist der Inhaber schon aufgrund seiner Abwesenheit nicht in der Lage. Hier bedarf es letztendlich einer Klarstellung im Gesetz.

Aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die eine Apothekerkammer in der Vertretung durch Honorarvertrag einen Verstoß gegen apothekenrechtliche Vorschriften sieht. Solche Verstöße können von der Kammer berufsrechtlich geahndet werden. Daher sollte man bei Zweifeln die zuständige Kammer befragen.


RA Iris Borrmann, Leiterin Justiziariat, Adexa – Die Apothekengewerkschaft, Hamburg, E-Mail: info@adexa-online.de


1 BAG 14. März 2007 – 5 AZR 499/06
2 vgl. hierzu BAG, Urteil vom 20. 05. 2009 zum AZ: 5 AZR 31/08
3 Mecking, AWA 15. 10. 2010, S. 8 ff.
4 Cyran RottaApoBetrO § 2 Rz. 77



DAZ 2011, Nr. 3, S. 57



Lesen Sie zu diesem Beitrag auch die Erwiderung "Haftungsrisiko: Vorsicht bei Apothekenvertretung!" in DAZ 2011, Nr. 13, S. 30

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