Arzneimittel und Therapie

Reduziert Tanezumab zu gut Schmerzen?

Obwohl der monoklonale Antikörper Tanezumab in einer Phase-II-Studie zur Behandlung mittelschwerer bis schwerer Schmerzen bei Knie-Osteoarthritis sehr gute Ergebnisse zeigte, stoppte die amerikanische Zulassungsbehörde FDA laufende Studien mit Tanezumab: Die Schmerzen wurden so gut gelindert, dass einige Patienten ihre Gelenke zu sehr beanspruchten und schädigten. Bei insgesamt 16 Probanden kam es zu massiven frühzeitigen Gelenkschäden mit nachfolgend notwendigem Gelenkersatz.
Kniearthrose Der gegen den Nervenwachstumsfaktor gerichtete monoklonale Antikörper Tanezumab hat bei relativ guter Verträglichkeit zu einer starken Schmerzreduktion bei einer Osteoarthritis geführt. Dennoch wurden Studien ausgesetzt, da die Schmerzreduktion so ausgeprägt war, dass einige Patientenaufgrund der besseren Beweglichkeit ihre Gelenke zu stark beanspruchten – mit der Folge einer stärkeren Gelenkschädigung.  Foto: Jake Hellbach – Fotolia.com

Tanezumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der die Wirkung des Nerve Growth Factor (NGF) blockiert und inhibiert. Der Antikörper verhindert die Bindung des Nervenwachstumsfaktors an die Rezeptoren TrKA und p75. Beide Rezeptoren stimulieren die Schmerzempfindung, p75 unterstützt zudem die Entzündungsreaktionen. Dies ist der Ansatz für den Einsatz von Tanezumab in verschiedenen Phase-II- und inzwischen auch Phase-III-Studien des Herstellers Pfizer. Allerdings hat die amerikanische Zulassungsbehörde FDA Ende Juni 2010 einen Stopp der laufenden Studien mit Tanezumab veranlasst, da es bei Probanden zu massiven frühzeitigen Gelenkschäden mit nachfolgend notwendigem Gelenkersatz kam.

Wirksamkeit und Therapiesicherheit

In der multizentrisch über vier Monate laufenden, doppelblind-randomisiert angelegten Phase-II-Studie sollte nachgewiesen werden, dass Tanezumab die durch eine Osteoarthritis bedingten Knieschmerzen beim Laufen verringert. Darüber hinaus wurden als sekundärer Outcome die Inzidenz unerwünschter Arzneimittelwirkungen erfasst und der Verlauf der Erkrankung nach einem standardisierte Patientenfragebogen (WOMAC) ermittelt, der bei Gelenksarthrose Symptome und physikalische Einschränkungen erfasst. Durchgeführt wurde die Studie mit 440 Probanden, die in sechs parallelen Armen entweder Placebo oder Tanezumabdosierungen von je 10, 25, 50, 100 oder 200 µg pro Kilogramm Körpergewicht erhielten. Dafür wurden Patienten mit mittelschweren bis schweren chronischen Knieschmerzen aufgrund einer Osteoarthritis zwischen 40 und 75 Jahren beiderlei Geschlechts ausgewählt.

Weniger Schmerzen, mehr Beweglichkeit

In der Studie konnte signifikant nachgewiesen werden, dass unabhängig von der Dosis in den Verumgruppen der Schmerz beim Gehen auf ebenem Boden zwischen 45 und 62% reduziert werden konnte. Nur bei 22% der Probanden unter Placebo konnte eine Linderung der Schmerzen festgestellt werden. Auch die Ergebnisse der WOMAC-Befragungen spiegelte die Verbesserung unter Tanezumab wider. Die Patienten klagten über weniger Gelenksteifheit und körperliche Tätigkeiten verursachten geringere Beschwerden. Die beobachteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren nicht schwerwiegend: 9% der Patienten nannten Kopfschmerzen, 7% hatten Infekte der oberen Atemwege und bei ebenfalls 7% traten Parästhesien auf. Lediglich von 15 Patienten wurden weiterreichende neurologische Effekte, erhöhte Temperatur oder ausgeprägtes Kribbeln oder schneidende Schmerzen in den Füßen beschrieben. Die genannten Probleme traten vor allem bei den Probanden mit den höheren Dosen von 100 bzw. 200 µg Tanezumab/kg Körpergewicht auf.

Mehr Beweglichkeit – schnellerer Verschleiß

Trotz dieser positiven Ergebnisse wurden weitere Studien mit Tanezumab durch die FDA gestoppt. Der Grund war eine Häufung von schweren Gelenkschäden, die bei 16 Patienten einen frühzeitigen Gelenkersatz erforderlich machten. Es wird diskutiert, ob ein inadäquates Verhalten der Probanden die Ursache für einen schnellen Gelenkverschleiß ist. Bedingt durch die Schmerzfreiheit könnten die Patienten auf ein gelenkschonendes Verhalten verzichtet und auf diese Weise ein rascheres Voranschreiten der Osteoarthritis befördert haben. Dies soll nun erst geklärt werden, bevor die Studien weiter durchgeführt werden.


Quelle

Lane, Nancy E. et al.: Tranezumab for the Treatment of Pain from Osteoarthritis of the Knee. N. Engl. J. Med. (2010) 336: 1521 – 15319.

Wood, John, N.: Nerve Growth Factor and Pain. N. Engl. J. Med. (2010) 336: 1572 – 1573.

Amir, Tal: Assessment: WOMAC – Arthrose evaluieren. Physiopraxis (2007) 6, 36 – 37


Apothekerin Dr. Constanze Schäfer

DAZ 2011, Nr. 3, S. 40

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