Prisma

Altersbedingte Hörverluste beginnen im Gehirn

In geselliger Runde fällt es älteren Menschen oft schwer, einem Gespräch zu folgen. Nicht immer liegt das am schlechten Hörvermögen: Münchner Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass im Alter die umgebende Geräuschkulisse nicht mehr so effektiv ausgeblendet werden kann wie in jüngeren Jahren.

Um Sprache verstehen zu können, muss man ihren zeitlichen Verlauf, etwa verschiedene Tonhöhen und kleinste Pausen im Sprachfluss, hören können. Ein Team um Benedikt Grothe von der Ludwig-Maximilians-Universität München hat nun bei Wüstenrennmäusen gezeigt, dass die Nervenzellen älterer Tiere weniger selektiv auf Geräusche reagieren als die von jüngeren. Die geringere Selektivität führt dazu, dass die rezeptiven Felder weniger heterogen sind. Als rezeptives Feld einer Nervenzelle bezeichnet man die physikalischen Parameter, die diese Zelle bearbeitet. Je heterogener die rezeptiven Felder verschiedener Nervenzellen sind, desto höher ist der Informationsgehalt der von ihnen übertragenen Signale. "Entsprechend liefert unsere Studie Hinweise, dass die Nervenzellen älterer Tiere weniger informativ sind als Nervenzellen jüngerer Tiere", erklärt Grothe. Dieses Defizit könnte die Verarbeitung von komplexeren akustischen Situationen erheblich erschweren. Die Folge: Ältere Menschen hören in echoreichen Umgebungen wie Restaurants einen verwirrenden Geräuschbrei, aus dem sich nur schwer einzelne Stimmen isolieren lassen. Die Wissenschaftler vermuten, dass der veränderten zentralnervösen Signalverarbeitung im Alter ein Neurotransmitter-Ungleichgewicht zugrunde liegt. Sollte sich das bestätigen, wird man bei der Therapie altersbedingter Hörverluste umdenken müssen. "Sind die zentralnervösen Veränderungen, die wir und andere beobachten, in der Tat auf ein gestörtes Neurotransmittergleichgewicht zurückzuführen, würden entsprechende Medikamente die derzeit üblichen Therapien erweitern", so Grothe.


ral


Quelle: Khouri, L., Lesica, N.A., Grothe, B.: J. Neurosci. 2011; 31(27): 9958 – 9970



DAZ 2011, Nr. 29, S. 8

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