Ernährung aktuell

"Nasses" Brot für Patienten mit Mundtrockenheit

Mundtrockenheit ist ein weit verbreitetes Problem. Insbesondere ältere Menschen sind häufig davon betroffen oder auch Patienten, die bestimmte Arzneimittel einnehmen müssen. Um ihnen Brot wieder "schmackhaft" zu machen, hat der Lebensmitteltechnologe Prof. Dr. Bernd Senge nun eine spezielle Brotsorte entwickelt, die bis zu 20 Prozent mehr Wasser als übliches Brot enthält.
Foto: Schweizerische Brotinformation
Brot stellt für Patienten mit Mundtrockenheit ein Problem dar. Zu jedem Bissen müssen sie normalerweise einen Schluck Wasser trinken, um schlucken zu können. Eine neuartige Brot­sorte mit einem erhöhten Wasseranteil soll den Patienten helfen. Noch ist das "nasse" Brot allerdings im Handel nicht erhältlich.

Mundtrockenheit ist nicht nur lästig, sie kann gravierende Auswirkungen haben. Essen wird zur Qual, da die Nahrung nicht mehr ausreichend eingespeichelt werden kann, Schlucken wird schmerzhaft und anstrengend. Dies führt dazu, dass Betroffene zunehmend feste Lebensmittel meiden und so Gefahr laufen, ein Nährstoffdefizit zu entwickeln. Vor allem bei älteren Menschen ist Mangelernährung – auch aufgrund von Mundtrockenheit – häufig anzutreffen. Auf Anregung von Dr. Rainer Seidl, Oberarzt in der HNO-Abteilung des Unfallkrankenhauses Berlin (UKB), hat der Lebensmitteltechnologe Prof. Dr. Bernd Senge sich der Problematik nun angenommen. Der Fokus lag auf Brot, das bei Mundtrockenheit kaum noch verzehrt werden kann. Die Idee dabei war einfach: Wenn die Patienten keinen Speichel mehr produzieren, muss man funktionelle Lebensmittel entwickeln, die beim Kauen so viel Flüssigkeit freisetzen, dass der fehlende Speichel ersetzt wird. Innerhalb weniger Monate gelang es der Arbeitsgruppe von Senge, ein spezielles Brot zu entwickeln, das statt der üblichen circa 50 Prozent Wasser bis zu 70 Prozent Wasser enthält. "Es sieht aus wie Brot, es schmeckt wie Brot und es krümelt wie Brot", so Senge, "aber es setzt beim Kauen deutlich mehr Flüssigkeit frei." Tests mit betroffenen Patienten im UKB und in einer geriatrischen Einrichtung haben bereits gezeigt, dass die Probanden die neue Brotsorte deutlich bevorzugen. Erreicht wurde der erhöhte Wassergehalt im Teig durch die Kombination von natürlichen Zusatzstoffen mit einer speziellen Fertigungs- und Backtechnik. Ausgangsmaterial war ein Spezialgebäck mit Kartoffelstärke, das bereits einen relativ hohen Anteil an sogenannten Hydrokolloiden enthält. In dem Spezialbrot wurde der Anteil von natürlichen Hydrokolloiden durch die Einarbeitung zusätzlicher geeigneter Hydrokolloide ergänzt. Hydrokolloide werden seit vielen Jahren besonders bei der Herstellung von Fertiglebensmitteln verarbeitet. Bekannte und sehr häufige Hydrokolloide sind zum Beispiel Guarkernmehl, Johanniskernmehl, Xanthan, natürliche Cellulose oder modifizierte Cellulose. Letztere, die sogenannte Natriumcarboxy-Methyl-Cellulose, wurde für das Spezialbrot eingesetzt, da sie als Zusatzstoff E 466 für die Lebensmittelproduktion zugelassen ist.

"Die Cellulose wird vorgelöst und beim ‚Einteigen‘ über das Schüttwasser an das Weizenmehl gebunden", erklärt Senge. Nach mehreren Versuchsreihen gelang es, "auch die Ruhe- und Backzeiten dieses speziellen Teigs so anzupassen, dass ein Brot entsteht, dessen sensorische Eigenschaften wie Frische oder Kruste sich mit normalem Brot messen können", so der Lebensmitteltechnologe. Vier Tage lang ist das Brot bei Raumtemperatur bisher haltbar. Noch wartet die Technologie auf den industriellen Einsatz. Im Rahmen einer Promotion sollen die speziellen Fertigungstechniken jetzt von der institutseigenen Versuchsbäckerei an eine Manufaktur-Bäckerei übertragen werden. Durch den erhöhten Zeit- und Bearbeitungsaufwand, der bei der Herstellung dieses Brotes nötig ist, ist mit leicht erhöhten Kosten im Vergleich zum Standardbrot zu rechnen. Senge dazu: "Betrachtet man gleichzeitig die wachsende Zahl an älteren Menschen mit Interesse an altersgerechten Nahrungsmitteln, so existiert ein ernstzunehmender Markt für dieses Produkt."

kj/ral


Quelle: Pressemitteilung vom Institut für Lebensmitteltechnologie und Lebensmittelchemie der TU Berlin



DAZ 2011, Nr. 28, S. 75

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