Arzneimittel und Therapie

Biomarker-Diagnostik nur in spezialisierten Zentren

Erst kürzlich hatte das US-National Institute on Aging (NIA) neue Leitlinien für die Klassifikation von Morbus Alzheimer veröffentlicht, die eine sicherere Frühdiagnose ermöglichen sollen. Sie zeigen allerdings lediglich Perspektiven auf, wie verschiedene Biomarker künftig eine Diagnostik im Stadium der symptomatischen prädemenziellen Phase erleichtern könnten. Nach Ansicht einer internationalen Gruppe von Wissenschaftlern sollte diese Diagnostik jedoch derzeit auf klinische Expertenzentren beschränkt sein, die über entsprechende Erfahrungen verfügen.

Morbus Alzheimer ist für ungefähr 60% der weltweit etwa 24 Millionen Demenzerkrankungen verantwortlich. In Deutschland leiden aktuell mehr als 1,3 Millionen Menschen unter einer Demenzerkrankung, bis 2050 wird ein Anstieg auf 2,6 Millionen prognostiziert. 700.000 der aktuell Betroffenen leiden unter Morbus Alzheimer. Jedes Jahr werden etwa 250.000 neue Demenzerkrankungen diagnostiziert, von denen etwa 120.000 vom Alzheimertyp sind. Auch heute noch wird eine Demenz häufig erst diagnostiziert, obwohl eine frühe Diagnose zu einer Heilung sekundärer Demenzformen führen könnte, die Alltagskompetenz länger erhalten bleibt und die Lebensqualität verbessert werden kann.

Diagnostik durch Biomarker nicht hinreichend geklärt

Vom US-amerikanischen National Institute on Aging und die amerikanische Alzheimer-Gesellschaft wurden im April 2011 neue Empfehlungen zur Diagnose der Alzheimer-Krankheit veröffentlicht. In den aktualisierten Leitlinien werden drei ineinander übergehende Stadien unterschieden. Nach dem präklinischen Stadium folgt das Stadium der leichten kognitiven Beeinträchtigung MCI (Mild Cognitive Impairment) und schließlich das Stadium der Demenz. Im Stadium der symptomatischen prädemenziellen Phase könnten verschiedene Biomarker dabei künftig zu einer sichereren Diagnose führen. Die Messung von Biomarkern (Beta-Amyloid, Gesamt-Tau-Protein, phosphoryliertes Tau, Amyloid-Vorläufer-Proteine) im Liquor erfolgt durch eine Lumbalpunktion.

Korrekte Interpretation der Befunde gewährleisten

Eine europäische Gruppe von Experten hat jetzt die überarbeiteten Diagnose-Kriterien aber noch als ungeeignet für Routineuntersuchungen angesehen. Sie sollten derzeit daher spezialisierten Zentren vorbehalten sein, die über hinreichende Methodenkenntnisse und ausreichende Erfahrung mit standardisierten Bestimmungen verfügen, zumal eine abschließende Bewertung einzelner Bestimmungen und deren Interpretation noch gar nicht erfolgt sei. Nur so könne tatsächlich eine zuverlässigere Diagnostik durch Biomarker erzielt und Fehlinterpretationen ausgeschlossen werden.

Derzeit erfüllten lediglich größere klinische Zentren mit angeschlossenen Gedächtnis- oder Demenzambulanzen, eigens ausgerüsteten Laboren und langjähriger Erfahrung in der Biomarkerentwicklung diese Anforderungen, so die Autoren.


Quelle

Frisoni, G. B.; et al.: Revised criteria for Alzheimer‘s disease: what are the lessons for clinicians? The Lancet Neurology 10(7): 598 – 601 (2011).

Zum Gebrauch von Biomarkern in der Alzheimerdiagnostik, 8. Juli 2011, www.aerzteblatt.de


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 28, S. 54

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