Feuilleton

Vom Federkiel zum iPad

Schreibgeräte von "vorgestern" bis heute zeigt das Sächsische Industriemuseum Chemnitz bis zum 14. August in einer Sonderausstellung. Auch die Geschichte von Tinte und Papier wird thematisiert. Historisches Werbematerial illustriert die Exponate.
Rezept für eine Eisengallustinte der Firma Beyer in Chemnitz. Indigoersatz war ein Produkt aus Blau- oder Campecheholz und Chromsalzen (KCr(SO4)2 und K2 CrO4). Der Zusatz von gut 0,01% Phenol ("Carbolsäure") diente zur Konservierung.
Fotos: Wylegalla

Geschichte der Tinte

Das Wort "Tinte" ist aus dem lateinischen Aqua tincta (gefärbtes Wasser) abgeleitet. Die Ägypter stellten bereits um 3000 v. Chr. aus Ruß und Gummi arabicum schwarze Tinte her. In China wurde Tinte ab 2600 v. Chr. verwendet.

Geradezu revolutionär war die Entwicklung der Eisengallustinte im 3. vorchristlichen Jahrhundert: Man kochte gerbsäurehaltige Galläpfel, d. h. die Wucherungen um die Eigelege von Gallwespen (Cynips spp.) auf Eichenblättern, mit einer Eisenvitriollösung ab und gab anschließend Gummi arabicum hinzu. Die Schrift wurde erst mehrere Stunden nach dem Schreiben sichtbar, indem das zweiwertige Eisen durch Reaktion mit dem Sauerstoff der Luft zu dreiwertigem Eisen oxidierte.

Diese – früher in den Haushalten meist selbsthergestellte – Tinte war wischfest. Ungünstige Eigenschaften waren ihre Lichtempfindlichkeit, sodass sie längerfristig ausbleichen kann, und ihre aggressive Wirkung auf das Pergament oder Papier ("Tintenfraß").

Eine Alternative war die Russtinte – eine Weiterentwicklung der altägyptischen Rezeptur – , die nicht ausblich, aber dafür nicht wischfest war. So konnten feuchte Hände einen mit großer Sorgfalt geschriebenen Text leicht verunstalten.

"Wohlthätig fürs Auge in schöner blaugrüner Farbe"

Eisengallustinte wird zum Ausstellen von Dokumenten und in der Kalligrafie noch heute verwendet, doch ist sie frei von unlöslichem Eisenoxid, das in der klassischen Tinte als Suspension vorlag; zudem enthält sie einen Farbstoff, der die Schrift schon während des Schreibens sichtbar macht.

Werbung der Firma Leonhardi Für Österreich-Ungarn produzierte ­Leonhardi in einem Werk in Bodenbach an der Elbe (Tschechien).

Diese Verbesserungen gehen wesentlich auf den Chemiker August Leonhardi (1805 – 1865) zurück, der 1826 in Dresden die erste Tintenmanufaktur Deutschlands gründet hatte. 1855 beantragte Leonhardi das Patent für eine Alizarintinte (mit dem roten Farbstoff der Krappwurzel): Die neue Tinte sei "frei von den Mängeln der alten trüben, dickflüssigen, oft schleimigen Suspensionstinten" und frei von Säure, weswegen sie sich vorzüglich für Stahlfedern eigne. Sie "fließt wohlthätig fürs Auge in schöner blaugrüner Farbe äußerst leicht aus der Feder und verwandelt sich sehr bald ins tiefste Schwarz", pries er in seinem Schreiben an das sächsische Innenministerium die Vorzüge. In Dresden-Loschwitz errichtete er dann eine "Chemische Fabrik für Tinten", aus der fast ein Jahrhundert später "Barock", der marktführende Hersteller von Tinten in der DDR, hervorgehen sollte.

Ein Jahr, nachdem Leonhardi seine Erfindung hatte patentieren lassen, gelang Eduard Beyer (1825 – 1907), dem Besitzer der Chemnitzer Löwen-Apotheke, die Herstellung einer Eisengallustinte, deren Bestandteile erst nach dem Trocknen wasserunlöslich wurden. Dadurch eignete sich die Tinte zum mechanischen Kopieren: Von einem mit dieser Tinte frisch beschriebenen Blatt ließen sich in einer Kopierpresse etwa drei Kopien auf Seidenpapier drucken.

Werbung der Firma Beyer

Jedes Jahr exportierte der "Tinten-Beyer" mehrere Millionen solcher Tintenflaschen in die Neue Welt.

Beyers Kopiertinte wurde so stark nachgefragt, dass die Produktionskapazität seines Apothekenlaboratoriums bald erschöpft war. 1863 eröffnete er eine Fabrik, in der Tinte nach über 30 verschiedenen Rezepturen hergestellt wurde. 1898 übernahm sein Schwiegersohn Heinrich Theodor Koerner die Fabrik und später dessen Sohn Dr. Theodor Koerner. 1955 wurde das Unternehmen verstaatlicht.

Auch in Hannover gab es einen Chemiker, der in dem rasch zunehmenden Bedarf an Schreibutensilien eine Chance witterte: Carl Hornemann eröffnete 1838 eine Farben- und Tintenfabrik, in der er ein breites Sortiment an Tinten, aber auch viele andere Produkte für Verwaltungen, Fabrikkontore, Studenten und Schüler herstellte. Ab 1871 zeichnete der Chemiker Günther Wagner für die Geschicke des Unternehmens verantwortlich. Seit 1878 ist das Wappentier der Familie Wagner, der Pelikan, das Markenzeichen des Unternehmens.

Das erste Papier aus Holz

Seit der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg (1400 – 1468) war der Papierbedarf stetig angestiegen. Spätestens im 18. Jahrhundert drohten Baumwoll- und Leinenhadern so knapp zu werden, dass man mit anderen Pflanzenfasern zu experimentieren begann – leider ohne Erfolg.

Erst Friedrich Gottlob Keller (1816 – 1895) gelang es 1843, ein "Papier von Holzfasern, welche durch Friction erzeugt werden", herzustellen. Der in Hainichen bei Chemnitz gebürtige Weber und Blattbinder (dieser stellte die dünnen Holzplättchen für Weberkämme her) hatte sich Wespen zum Vorbild genommen, die ihre papierähnlichen Nester aus zerkleinertem, eingespeicheltem Holz bauen.

Schreibzeuge dienten auch der Repräsentation: Dieser kleine Amor mit Feder wurde um 1850 aus Silber hergestellt.

Anfang 1844 konstruierte Keller ein Holzschleifgerät. Ein Jahr darauf ließ er in der Altenchemnitzer Papiermühle aus Holzschliff und klassischem Hadernpapier einen Brei zubereiten und daraus Papier schöpfen, auf dem eine Teilauflage des "Intelligenz- und Wochenblatts für Frankenberg mit Sachsenburg und Umgebung" gedruckt wurde. Kellers Erfindung setzte sich erst allmählich durch, aber sie war ein Meilenstein in der Vorgeschichte der polygrafischen Industrie.


Stahlfeder statt Federkiel

Die erste stählerne Schreibfeder ("Aachener Feder") war bereits 1748 durch Johannes Janssen entwickelt, aber nicht in größeren Mengen produziert worden, was sicher auch an der Beschaffenheit der damaligen Tinten lag. Erst nachdem der englische Stahlfabrikant Joseph Gillot (1799 – 1873) in den 1830er Jahren Schreibfedern in seine Produktpalette aufgenommen hatte, wurden sie zum Massenartikel. In wenigen Jahren setzten sie sich weltweit durch und verdrängten den Gänsefederkiel, der den Nachteil hatte, dass er sich schnell abnutzte und mit dem Kielmesser immer wieder nachgeschnitten werden musste.

1842 gründeten Rudolf Heintze und Heinrich Blankertz in Oranienburg die erste Schreibfedernfabrik Deutschlands. Die Stahlfedern wurden in zahlreichen Varianten für unterschiedliche Zwecke wie z. B. das Anfertigen von Skizzen und Landkarten produziert. Ihre Federhalter wurden entsprechend dem Geschmack und dem Geldbeutel variiert.

Das neuartige Schreibgerät verlangte dem Benutzer eine ruhige Hand und viel Akkuratesse ab. Beim Eintauchen der Stahlfeder in das Tintenfass musste man die Tinte so geschickt dosieren, dass sie beim Schreiben nicht aus der Feder heraustropfte und auf dem Papier hässliche Flecke hinterließ – hier bedeutete die Stahlfeder keinen Fortschritt gegenüber dem Gänsekiel.


Ob zu Hause oder unterwegs Der Füllfederhalter des Versicherungsmaklers Waterman schrieb sauber, ohne zu klecksen.

Ein Versicherungsmakler als Erfinder

Seit dem 17. Jahrhundert hatte man versucht, Schreibgeräte mit integriertem Tintenbehälter zu konstruieren, jedoch mit geringem Erfolg. Erst dem New Yorker Versicherungsmakler Lewis Edson Waterman (1837 – 1901) gelang der Durchbruch. Als er 1883 einen umfangreichen Vertrag mit einem Federhalter unterzeichnen wollte, machte ein großer Tintenklecks das ganze Werk unbrauchbar, und er verlor einen Kunden. Daraufhin beschloss Waterman, einen nicht klecksenden Federhalter zu entwickeln. Er befestigte unter der Stahlfeder einen exakt passenden Hartgummi, sodass an der Grenzfläche von Stahl und Gummi Kapillarkräfte wirksam wurden. Als Reservoir für die Tinte diente anfangs eine Art Saugpipette. Von dort drang genau so viel Tinte zur Grenzfläche vor, wie von der Feder auf das Schreibblatt floss. 1884 ließ der Gelegenheitserfinder seinen "Waterman’s Ideal Fountain Pen" patentieren, produzierte ihn selbst und vermarktete ihn erfolgreich mit einer fünfjährigen Garantie. In Deutschland entwickelten und produzierten bald mehrere Firmen – darunter Soennecken, Montblanc und ab 1929 auch Pelikan – eigene Füllfederhalter.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich der Kugelschreiber durch, dessen Vorläufer auf Galileo Galilei (1564 – 1642) zurückgehen. Der Brite Henry George Martin hatte seinen Nutzen für Flugzeugbesatzungen erkannt, weil man mit ihm auch in großen Höhen sauber schreiben kann. Er erwarb vom Erfinder László József Biró die Patentrechte und gründete 1944 mit Frederick Miles im englischen Reading die erste Kugelschreiberfabrik der Welt.


Das Tintenzeug "Erwachendes Ehepaar" verrät Sinn für Humor. Die Ehefrau befindet sich fast spiegelbildlich auf der Rückseite des Mannes. Porzellan, Böhmen, um 1890.

Nur 100 Jahre im Büro: die Schreibmaschine

Der älteste Hinweis auf Versuche, das Schreiben zu mechanisieren, ist aus dem Jahr 1682 überliefert: eine Skizze, vermutlich von Henry Mill, der 1714 das erste bekannte Patent für den Vorläufer der Schreibmaschine registrieren ließ. Im 19. Jahrhundert entwickelten verschiedene Erfinder Schreibgeräte mit Tastatur. Um 1900 war die Schreibmaschine schließlich so ausgereift, dass sie innerhalb weniger Jahre die Büros eroberte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hielten Schreibmaschinen auch in privaten Haushalten Einzug. Mit der technischen Weiterentwicklung erleichterten Elektrik und Elektronik die Arbeit.

Seitdem aber Notebooks und iPads in Büros, Tagungs- und Hörsälen und sogar in Kinderzimmern Standard sind, kann man Schreibmaschinen allenfalls noch in Liebhabersammlungen und Museen bestaunen. Für das Statistische Bundesamt war dies im Jahr 2003 Grund genug, Schreibmaschinen ein für allemal aus dem Verbraucherpreisindex zu streichen.


Museum


Sächsisches Industriemuseum

Zwickauer Straße 119, 09112 Chemnitz

Tel. (0371) 3 67 61 40, www.saechsisches-industriemuseum.de

Geöffnet: montags bis donnerstags 9 bis 17 Uhr, samstags und sonntags ab 10 Uhr


Reinhard Wylegalla



DAZ 2011, Nr. 27, S. 93

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