DAZ-Jubiläumskongress

Apotheken – effektiv und effizient

Die Apotheke wird als Vertriebsweg für Arzneimittel immer wieder infrage gestellt. Konzern-geführte Ketten sowie der Versandhandel und Pick-up-Stellen werden als vermeintlich bessere und vor allem günstigere Vertriebsmöglichkeiten in die Waagschale der Überlegungen geworfen. Brauchen wir derartige Alternativen tatsächlich? Aus rein ökonomischer Sicht jedenfalls nicht, meint der Apothekenökonom Prof. Dr. Andreas Kaapke, der den Vertriebsweg Apotheke auf dem DAZ-Jubiläumskongress genau unter die Lupe genommen hat. Sein Fazit: Die Apotheke ist effektiv und effizient.
Prof. Dr. Andreas Kaapke nahm das Vertriebssystem Apotheke unter den Gesichtspunkten Effektivität und Effizienz unter die Lupe. Die Apotheke ist alternativlos, so sein Fazit.

Bei der Entscheidung für eine wirtschaftliche Strategie spielen Kaapke zufolge zwei Kriterien eine Rolle: die Effektivität, d. h. handelt es sich überhaupt um die richtige Vorgehensweise, und die Effizienz, d. h. wird die Sache richtig gemacht. Unter diesen Aspekten analysierte Kaapke den Vertriebsweg Apotheke.

Arzneimittel benötigen einen indirekten Vertrieb

Würde es in Deutschland noch kein Arzneimitteldistributionssystem geben, müsste man sich zunächst entscheiden, ob man den direkten Vertriebsweg (Hersteller – Kunde) oder einen indirekten Vertriebsweg (Hersteller – [Großhandel] – Einzelhändler – Kunde) wählt. Bei Arzneimitteln sei diese Entscheidung leicht, so Kaapke: Angesichts der immensen Anzahl von Produkten und -varianten und der Anforderung, dass diese überall und jederzeit erhältlich sein müssen, bleibe nur der indirekte Vertriebsweg. Die mehrstufige Versorgungsstruktur, die einen vollversorgenden Großhandel mit einschließe, sei dabei eine logische Konsequenz, durch die immense Transaktionskostenvorteile realisiert werden können.

Apotheke: Bewusst gewählte Ausnahme

Neben der Frage der Verfügbarkeit stellt auch das Arzneimittel an und für sich Vorgaben an den Vertriebsweg. Arzneimittel sind Güter des täglichen Bedarfs. Zugleich handelt es sich dabei um Güter der besonderen Art. Bei derartigen Gütern, erklärte der Apothekenökonom, muss in einer Volkswirtschaft dafür Sorge getragen werden, dass alle Verbraucher die Chance haben, diese in angemessener Zeit mit angemessener Beratung zu erhalten. Da der "reine" Markt dies nicht ausreichend sichere und rein marktliche Mechanismen auch zu Verwerfungen bei der Selektion der angebotenen Arzneimittel führen würden, habe sich der Staat – "völlig zurecht" – dafür entschieden, im Rahmen seiner Gestaltungsfunktion einer sozialen Marktwirtschaft regulierend einzugreifen. Er halte ganz bewusst eine eigenständige Betriebsform für den Abverkauf von Arzneimitteln vor, wobei die Betriebsführung an engste gesetzliche Vorgaben gebunden sei. Kaapke dazu: "Apotheken stellen eine bewusst gewählte Ausnahme dar, die alle Attribute erfüllt, die gewollt waren (eindeutig definiertes Sortiment, Nacht- und Notdienst, Kontrahierungszwang etc.). Weitere Ausnahmen sind weder notwendig noch zielführend. Andere Betriebsformen, die eingeschaltet werden, sind daran zu messen, ob sie alle Attribute in gleichem Maße oder besser erfüllen. Dies ist weder bei Pick-up-Stellen noch beim Versandhandel der Fall." Die gewählte Alternative des zweistufigen, staatlich regulierten Distributionsweges sei effektiv und alternativlos.

Effizienz – aus Staatssicht ja, …

Die nächste Frage sei nun, so Kaapke, ob das System der Arzneimitteldistribution auch effizient ist. Dabei spielen zwei Perspektiven eine Rolle: Die Sicht des Staates, der durch die Ausschaltung der Preishoheit des Marktes und der indirekten Finanzierung im rezeptpflichtigen Bereich durch GKV und PKV die Vergütung maßgeblich beeinflusst, und die Sicht der Apotheker, die dauerhaft einen Anreiz haben müssen, die Betriebsführung einer Apotheke betreiben zu wollen. Aus staatlicher Perspektive sieht Kaapke die Effizienz des Vertriebsweges Apotheke gegeben. Der Staat habe sich entschieden, die Distribution von Arzneimitteln nicht dem freien Spiel des Marktes zu unterwerfen, sondern regulierend einzugreifen. Das Zusammenspiel von pharmazeutischem Großhandel und Apotheken entspreche den Anforderungen an Güter des täglichen Bedarfs und an Güter der besonderen Art. Apotheken hätten zudem in den letzten zehn Jahren eindrucksvoll ihren Willen zur Kostenreduktion unter Beweis gestellt. Dieses ökonomisch sinnhafte Vorgehen müsse allerdings dort limitiert werden, wo es zu Einbußen in der Qualität der angebotenen Leistung gegenüber Patienten oder Kunden komme.


Täglich top Was Apotheken alles leisten - und leider zu wenig herausstellen - machte Kaapke anhand der Studie zur apothekengestützten Selbstmedikation deutlich.

… aber nicht aus Sicht der Apotheken

Hier sieht Kaapke eine Gefahr, denn aus der Perspektive der Apotheke ist die Effizienz deutlich weniger gegeben als aus der Perspektive des Staates. Gesundheit, so Kaapke, sei das höchste, schützenswerteste Gut einer Gesellschaft. Sie sei nicht budgetierbar. Die Vorstellung, die Ausgaben für Arzneimittel pro Jahr planen oder gar deckeln zu können, sei abstrus. "Jede Grippewelle, jede Seuche, aber auch jeder harte Winter kann die Planung ad absurdum führen", warnte der Ökonom. Auch weise die demografische Entwicklung den Weg in vermutlich höhere Kosten der Gesundheitsversorgung und damit der Arzneimitteldistribution. Bei Gesundheit müsse daher Effektivität vor Effizienz gelten und Qualität vor reiner Kostenoptimierung. Hier müsse das Maximumsprinzip vorherrschen, bei dem eine vorgegebene Qualität zu möglichst geringen Kosten vollzogen wird und nicht ein vorgegebener Kostenrahmen die Qualität bestimme. Auch dürfe "zu möglichst geringen Kosten" nicht gleichgesetzt werden mit einem Ausbluten der Leistungserbringer im Gesundheitswesen, schon gar nicht, wenn diese exekutierten, was an anderer Stelle entschieden wurde.

Kaapke: "Will man das System auf Dauer qualitativ stabilisieren oder gar aufwerten, müssen für die Leistungserbringer Anreize gesetzt werden. Für die aktuellen, um den Job gut und gerne zu machen, für denkbare künftige, damit der Heilberuf Apotheker in der Ausübung in der Apotheke im Consideration Set nicht nur von Pharmaziestudenten steht, sondern Studierwillige bei ihrer Studienwahl den Beruf des Apothekers nicht aufgrund einer bescheidenen Vergütung und der nicht vorhandenen Planbarkeit ausschließen." Derzeit korrespondiere das Vergütungssystem der Apotheke in keinster Weise mit den Verdienstmöglichkeiten und dem Status eines selbstständigen Freiberuflers. "Will man das System dauerhaft sichern, muss dieser Malus schnellstmöglich verändert werden", so Kaapke.

Mehr trommeln

Den Apothekern empfahl Kaapke in diesem Zusammenhang das Marketing in eigener Sache zu verstärken. Die vielfältigen Aufgaben, die in Apotheken täglich geleistet würden, müssen seiner Ansicht nach deutlicher hervorgehoben und bei der Bevölkerung und den Politikern besser ins Blickfeld gerückt werden. So sei es z. B. schade, dass die im vergangenen Jahr vom Institut für Handelsforschung im Auftrag der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg durchgeführte Studie zur apothekengestützten Selbstmedikation in der Öffentlichkeit kaum Beachtung gefunden habe (siehe auch DAZ 2011, Nr. 12, S. 19). Die Studie hatte nicht nur gezeigt, dass die Beratung zu Selbstmedikationsarzneimitteln ein immens wichtiger Teil der Arbeit in der Apotheke darstellt, sondern auch, dass die Apotheker dank ihrer Beratung in der apothekengestützten Selbstmedikation dem GKV-System mehr Geld ersparen als sie das GKV-System kosten. Das, so Kaapke, sollte viel deutlicher und lauter gesagt werden.


ral

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