Aus Kammern und Verbänden

Kloster Haina in Oberhessen

Die diesjährige Jahresversammlung der Landesgruppe Hessen der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) fand am 19. Juni in Haina im Kreis Waldeck-Frankenberg statt.
Foto: Graepel
Holzbüchsen in der Kloster-Apotheke Haina, um 1750.

Das ehemalige Zisterzienserkloster Haina wurde 1201 gegründet und ist sehr gut erhalten. Die Abtei hatte einen beachtlichen Besitz zwischen Kassel und Frankfurt, den ihr besonders sogenannte "Priestermönche" vermacht hatten.

Die Klosterkirche wurde ab 1216 erbaut; schon 1224 wurde der romanische Chor geweiht, das gotische Kirchenschiff wurde erst 1328 vollendet. Aus dem Jahre 1224 stammt die vom Landgrafen Ludwig IV. von Thüringen und vom Erzbischof von Mainz gestiftete, heute noch funktionsfähige Hasenglocke. Durch einen unscheinbar kleinen Eingang betritt man den einheitlichen, harmonischen Kirchenraum mit 75 m Länge und 20 m Höhe. Architektur und Ausstattung sind schlicht, wie es die Regeln der Zisterzienser fordern, lediglich die farbigen Fenster bilden hier eine Ausnahme. Im Laufe der Jahrhunderte drohte ein Pilz sie zu zerstören, erst die vor 20 Jahren begonnene Restaurierung hat den Zerfall gestoppt.

Im Zuge der Reformation wurde das Kloster 1527 aufgelöst, und im Jahre 1533 errichtete Landgraf Philipp der Großmütige (1504 – 1567) in seinen Mauern ein Hospital für arme und kranke Männer der hessischen Landbevölkerung; dem Obervorsteher übertrug er die Gesamtverwaltung für alle vier hessischen Hospitäler. Der Philippstein, ein Steinrelief von Philipp Soldan (1542) mit der Darstellung des Landgrafen und seiner Ahnfrau, der heiligen Elisabeth (1207 – 1231, Ehefrau Ludwigs IV.), erinnert an der Südwand der Kirche an dieses Ereignis.

In dem schmucklosen Kapitelsaal wurden auch die Äbte beerdigt. Im Refektorium (Speisesaal), das heute als Vortragssaal dient, hat das Gemälde "Christus am Ölberg" (1788) von Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722 – 1789, "Kasseler Tischbein") seinen festen Platz gefunden. Im Parlatorium wurde das Psychiatriemuseum des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen (Vitos Haina gGmbH) eingerichtet.


Foto: Graepel
Detail des Apothekenregals in der Kloster-Apotheke Haina mit ­charakteristischer Bemalung, 15. Jahrhundert.

Kloster-Apotheke und Tischbeinhaus

Eine längere Besichtigung galt der seit dem 17. Jahrhundert bestehenden Kloster-Apotheke, die von den Wundärzten des Hainaer Hospitals betrieben wurde, bevor Heinrich Brill 1838 eine öffentliche Apotheke errichtete. Die jetzige Besitzerin, Frau Ursula Grote, stellte die noch heute in der Offizin vorhandenen Regale aus der Zisterzienserzeit (15. Jh.) mit ihren charakteristischen Pflanzen- und Tiermotiven vor. Erhalten sind auch noch zahlreiche Holzbüchsen aus der Zeit um 1750 und mehrere historische Bücher aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Die Geschichte dieser Offizin ist anhand vieler Originaldokumente und Fotografien lückenlos nachvollziehbar, wie eine eigens für diesen Tag vorbereitete kleine Ausstellung bewies.

Die Pharmaziehistoriker besuchten anschließend unter Führung von Herrn Wilhelm Helbig das Museum Tischbeinhaus am Eingang zum Klostergelände. In ihm wurde Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751 – 1829), der bekannte Goethemaler, als Sohn des Klosterschreiners Johann Conrad (1712 – 1778) geboren. Von dessen Vater, dem Bäcker Johann Heinrich (1682 – 1764), stammen etwa 40 Künstler ab, darunter viele Maler.

Medizinische Versorgung im Hospital

Den wissenschaftshistorischen Vortrag hielt die Marburger Medizinhistorikerin Prof. Dr. Irmtraut Sahmland zum Thema "Die medizinische Versorgung im Hohen Hospital Haina vom 16. bis 19. Jahrhundert". Das bereits erwähnte Stiftungswerk des Landgrafen Philipp für die vier hessischen Hospitäler war 1542 abgeschlossen. Es gewährte den 300 bis 400 Insassen eine lebenslange Versorgung, wobei in Haina nur Männer, in Merxhausen (bei Kassel) nur Frauen aufgenommen wurden. Sie mussten vor dem Eintritt ihre Vermögensverhältnisse offenlegen, und ab dem 18. Jahrhundert bestimmte ein vom Physikus ausgestelltes Gutachten, wer auf die Warteliste kam. Die Aufnahme erfolgte besonders bei chronischen, nicht therapierbaren Krankheiten; als Indikationen galten u. a.: arm, alt, ungesund, verwirrt, blödsichtig, tiefsinnig und blödsinnig. Auch die Spätschäden ehemaliger Krankheiten (z. B. Pocken) oder gesundheitliche Schäden, die durch Kurpfuscher verursacht waren, gehörten dazu.

Es gab eine Krankenstube, Personen mit ansteckenden Krankheiten wurden jedoch isoliert. Wahnsinnige kamen in ein Gewölbe. Das Leben der "Hospitaliden" war wie das der früheren Mönche in eine christliche Gemeinschaft eingebettet.

Ein Bader kam zum Bartscheren und zum Aderlass. Ein Chirurg (Wundarzt), der auch für die Apotheke zuständig war, war ab dem 18. Jahrhundert vor Ort. Die Medikamente wurden vom Staat bezahlt; interessant erschien der Referentin, dass die Rechnung des Hainaer Schuhmachers im Rechnungsjahr 1790 etwa viermal höher war als die Medikamentenrechnung des Chirurgen Lins.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts spezialisierte sich das Hainaer Hospital auf die Behandlung psychiatrischer Patienten. Zur früheren Arzneimittelversorgung in Haina entsteht gegenwärtig an der Universität Marburg eine Dissertation.


Internet


www.vitos-haina.de/haina


Peter Hartwig Graepel



DAZ 2011, Nr. 26, S. 70

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.