Arzneimittel und Therapie

Faktor-Xa-Inhibitor Apixaban zur Thromboseprophylaxe

Apixaban (Eliquis®) ist ein neues orales Antikoagulanz zur Prophylaxe venöser Thromboembolien nach elektiven Knie- und Hüftgelenkersatzoperationen. In mehreren Studien war der Faktor-Xa-Inhibitor Apixaban der derzeitigen Standardtherapie mit Enoxaparin überlegen und im Hinblick auf das Blutungsrisiko gleich sicher.
Apixaban

Apixaban ist ein neues, oral einzunehmendes Antikoagulanz aus der Gruppe der Faktor-Xa-Inhibitoren. Der Wirkstoff hemmt reversibel und hoch selektiv den freien sowie den im Prothrombinase-Komplex und im Blutgerinnsel gebundenen Faktor Xa. Die Hemmung von Faktor Xa verringert die Spaltung von Prothrombin zu Thrombin und in der Folge die Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin. Die Thrombinaktivität wird nicht beeinflusst, so dass die Funktion des bereits gebildeten Thrombins bestehen und die Hämostase aufrechterhalten bleibt. Apixaban ist seit dem 18. Mai 2011 für die Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) bei erwachsenen Patienten nach elektiven Hüft- oder Kniegelenkersatzoperationen zugelassen.

Dosierung und pharmakokinetische Daten

Die Dosierung von Apixaban beträgt zweimal täglich 2,5 mg. Die erste Tabletteneinnahme erfolgt – im Gegensatz zu der präoperativen Gabe von Enoxaparin – zwölf bis 24 Stunden postoperativ. Die Behandlungsdauer sollte nach einer Hüftgelenkersatzoperation 32 bis 38 Tage und nach einer Kniegelenkersatzoperation zehn bis 14 Tage betragen. Die Tablette wird unabhängig von den Mahlzeiten mit Wasser eingenommen. Eine Dosisanpassung bei älteren Patienten und Patienten mit mäßiger Niereninsuffizienz ist in der Regel nicht erforderlich, da die Substanz nur zu etwa 25% renal ausgeschieden wird. Ein regelmäßiges Monitoring der Gerinnungsparameter ist nicht notwendig. Die orale Bioverfügbarkeit von Apixaban beträgt rund 50%, die Halbwertszeit 12 Stunden, die Resorption setzt rasch ein (tmax = 3 bis 4 Stunden). Apixaban wird im Wesentlichen über CYP3A4/5 metabolisiert. Ferner ist Apixaban Substrat der Transportproteine P-Glykoprotein. Daraus ergeben sich mögliche Interaktionen mit Inhibitoren von CYP3A4 und P-Glykoprotein. So wird die Anwendung von Apixaban nicht empfohlen bei Patienten, die gleichzeitig starke CYP3A4- und P-Glykoprotein-Inhibitoren wie etwa Azol-Antimykotika (z. B. Ketoconazol, Itraconazol, Voriconazol und Posaconazol) und HIV-Protease-Inhibitoren (z. B. Ritonavir) erhalten.

Die gleichzeitige Anwendung von Apixaban mit starken Induktoren von CYP3A4 und P-Glykoprotein (z. B. Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin, Phenobarbital oder Johanniskraut) kann zu einer Reduktion der Apixaban-Exposition um rund 50% führen. Eine gleichzeitige Anwendung von starken Induktoren von CYP3A4 und P-Glykoprotein sollte daher mit entsprechender Vorsicht erfolgen.

Studien bei Hüft- und Knieeingriffen

Wirksamkeit und Sicherheit von Apixaban wurden vorrangig bei orthopädischen Eingriffen untersucht, da dort die Gefahr einer venösen Thromboembolie am größten ist. Ferner wird Apixaban derzeit im Rahmen des EXPANSE-Studienprogramms bei weiteren Indikationen eingesetzt (siehe Kasten).

Das EXPANSE-Studienprogramm


Apixaban wird derzeit im Rahmen des umfangreichen EXPANSE-Studienprogramms als neue Option für die Prophylaxe und Therapie thrombotischer Ereignisse untersucht. Insgesamt umfasst das Studienprogramm neun abgeschlossene oder noch aktive randomisierte doppelblinde Phase-III-Studien mit weltweit nahezu 60.000 Patienten bei folgenden Indikationen:

  • Prophylaxe venöser Thromboembolien (VET) nach orthopädischen Operationen (ADVANCE 1 bis 3)

  • Schlaganfallprophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern

  • VTE-Prophylaxe bei akut erkrankten, hospitalisierten Patienten

  • VTE-Therapie

Die Phase-III-Studien ADVANCE 1 bis 3 untersuchten Apixaban in der VTE-Prophylaxe bei erwachsenen Patienten, die sich einer elektiven Hüft- oder Kniegelenkersatzoperation unterzogen hatten. In den drei randomisierten, doppelblinden, multizentrischen Head-to-Head-Studien wurde die zweimal tägliche Gabe von 2,5 mg Apixaban sowohl mit dem amerikanischen Behandlungsregime von postoperativ 30 mg Enoxaparin zweimal täglich (ADVANCE 1) als auch mit der europäischen Standardtherapie von 40 mg Enoxaparin präoperativ einmal täglich verglichen (ADVANCE 2 und ADVANCE 3). Der primäre Studienendpunkt setzte sich aus dem Auftreten aller venösen Thromboembolien und Todesfällen jeglicher Ursache zusammen, sekundäre Endpunkte ermittelten das Auftreten schwerer VTE und befassten sich mit dem Sicherheitsprofil von Apixaban, insbesondere mit dem Auftreten von Blutungen. In der ADVANCE-1-Studie, bei der Apixaban mit postoperativ gegebenem Enoxaparin verglichen wurde, waren beide Substanzen gleich gut wirksam, allerdings traten unter Apixaban weniger Blutungen auf als unter Enoxaparin. In den europäischen Studien ADVANCE 2 und ADVANCE 3 zeigte sich eine statistisch signifikante Überlegenheit von Apixaban hinsichtlich der Häufigkeit venöser Thromboembolien (Ergebnisse siehe Tabelle). Die Rate schwerer und klinisch relevanter, nicht schwerer Blutungen war numerisch gering und mit Enoxaparin vergleichbar.

Einige Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit von Apixaban im Vergleich mit Enoxaparin

Studie
ADVANCE 2 (Knie)
ADVANCE 3 (Hüfte)
Anzahl der Teilnehmer
3057 Patienten
5407 Patienten
Therapieregime
Apixaban 2,5 mg
zweimal täglich oral
12 + 2 Tage
Enoxaparin 40 mg
einmal täglich s.c.
12 + 2 Tage
p-Wert
Apixaban 2,5 mg
zweimal täglich oral
35 + 3 Tage
Enoxaparin 40 mg
einmal täglich s.c.
35 + 3 Tage
p-Wert
alle VTE/Tod jeglicher Ursache (primärer Studienendpunkt)
Ereignisrate
15,1%
24,4%
< 0,0001
1,4%
3,9%
< 0,0001
relatives Risiko
95% KI
0,62
0,51 bis 0,74
0,36
0,22 bis 0,54
schwere VTE (sekundärer Studienendpunkt)
Ereignisrate
1,1%
2,2%
0,0373
0,4%
1,1%
0,0107
relatives Risiko
95% KI
0,50
0,26 bis 0,97
0,40
(0,15 bis 0,80)
Auftreten von Blutungen (gesamte Behandlungsdauer)
tödlich
0
0
0
0
schwere plus
klinisch relevante, nicht schwere Blutungen
3,5%
4,8%
p = 0,09
4,8%
5,0%
p = 0,72

Praktische klinische Aspekte

Die postoperative Gabe von Apixaban zwölf bis 24 Stunden nach dem chirurgischen Eingriff weist einige praktische Vorteile auf. So kann etwa die Antikoagulation am Morgen nach der Operation begonnen werden. Es besteht dann die Möglichkeit, den Patienten vor der Thromboseprophylaxe postoperativ zu beobachten und das Risiko möglicher Nachblutungen einzuschätzen. Ferner kann die natürliche Hämostase eintreten. Für die Pflegenden entfallen die subkutane Verabreichung eines Heparinderivates und die Schulung des Patienten zur eigenständigen Heparingabe.

Steckbrief: Apixaban


Handelsname: Eliquis

Hersteller/Vertreiber: Bristol-Myers Squibb, München

Einführungsdatum: 15. Juni 2011

Zusammensetzung: Jede Filmtablette enthält 2,5 mg Apixaban. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Lactose, mikrokristalline Cellulose (E 460), Croscarmellose-Natrium, Natriumdodecylsulfat, Magnesiumstearat (E 470b). Filmüberzug: Lactose-Monohydrat, Hypromellose (E 464), Titandioxid (E 171), Triacetin (E 1518), Eisen(III)-hydroxid-oxid × H2 O (E 172).

Packungsgrößen, Preise und PZN: 10 Filmtabletten, 43,27 Euro, PZN 8400012; 20 Filmtabletten, 76,79 Euro, PZN 8400029; 60 Filmtabletten, 211,08 Euro, PZN 8400035.

Stoffklasse: Antithrombotika; ATC-Code: B01AX.

Indikation: Zur Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) bei erwachsenen Patienten nach elektiven Hüft- oder Kniegelenkersatzoperationen.

Dosierung: 2,5 mg, zweimal täglich mit Wasser unabhängig von den Mahlzeiten; erste Gabe zwölf bis 24 Stunden nach der Operation.

Gegenanzeigen: Klinisch relevante akute Blutung; Lebererkrankungen, die mit einer Koagulopathie und einem klinisch relevanten Blutungsrisiko verbunden sind.

Nebenwirkungen: Anämie, Blutungen, Bluterguss und Übelkeit.

Wechselwirkungen: Gleichzeitige Anwendung mit starken Inhibitoren von CYP3A4 und P-gp wird nicht empfohlen, gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A4- und P-gp-Induktoren mit Vorsicht. Bei der gleichzeitigen Anwendung mit anderen Antikoagulanzien und nichtsteroidalen Antirheumatika, die das Blutungsrisiko erhöhen, ist Vorsicht geboten. Die gleichzeitige Einnahme anderer Thrombozytenaggregationshemmer oder anderer Antithrombotika wird nicht empfohlen. Wirkstoffe, die zu schweren Blutungen führen können, werden nicht zur gleichzeitigen Gabe mit Apixaban empfohlen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Patienten, die mit Apixaban behandelt werden, müssen sorgfältig auf Anzeichen einer Blutung überwacht werden. Apixaban sollte bei Erkrankungen mit erhöhtem Blutungsrisiko mit Vorsicht angewendet werden. Beim Auftreten einer schweren Blutung sollte die Behandlung mit Apixaban abgebrochen werden. Bei der neuraxialen Anästhesie (Spinal-/Epiduralanästhesie) oder Spinal-/Epiduralpunktion besteht bei Patienten unter Behandlung mit Antithrombotika ein Risiko für ein Epidural- oder Spinalhämatom.


Quelle

Prof. Dr. Rupert Bauersachs, Darmstadt, und Prof. Dr. Andreas Kurth, Mainz: "Faktor-Xa-Inhibition mit Eliquis – Eine neue Option in der oralen Antikoagulation", München, 21. Juni 2011, veranstaltet von der Bristol-Myers Squibb und der Pfizer.

Fachinformation Eliqius®, Stand Mai 2011.

Lassen R., et al.: Apixaban versus Enoxaparin for thromboprophylaxis after hip replacement. N Engl J Med 363, 2487 – 2498 (2010).

Lassen R., et al.: Apixaban versus enoxaparin for thromboprophylaxis after knee replacement (ADVANCE-2): a randomized double-blind trial. Lancet 375, 807 – 815 (2010).


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2011, Nr. 26, S. 36

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