Arzneimittel und Therapie

Negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis von Pioglitazon

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sieht derzeit den begründeten Verdacht eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses für den PPARγ-Agonist und rät von Pioglitazonverordnungen ab. Grund hierfür sind die seit Kurzem verfügbaren Ergebnisse einer französischen Kohortenstudie, in der die Häufigkeit des Auftretens von Blasenkrebs bei Diabetikern, die Pioglitazon-haltige Arzneimittel einnahmen, untersucht wurde. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Pioglitazon das Risiko für Blasenkrebs erhöhen kann.

Ärzte sollten derzeit keine Patienten neu auf ein Pioglitazon-haltiges Arzneimittel einstellen. Patienten, die zur Zeit ein Pioglitazon-haltiges Arzneimittel [Pioglitazon (Actos®), Pioglitazon + Glimepirid (Tandemact®), Pioglitazon + Metformin Competact®), alle vom Hersteller Takeda], einnehmen, wird geraten, die Anwendung nicht ohne vorherige Beratung durch ihren behandelnden Arzt zu beenden, da sonst die Möglichkeit eines unkontrollierten Anstieges des Blutzuckerspiegels besteht. Eine entsprechende Mitteilung an die Ärzte in Form eines Rote-Hand-Briefs soll folgen. Das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) der EMA, das im März eine Sicherheitsprüfung eingeleitet hat, will sich auf dem nächsten Treffen am 20. bis 23. Juni zu der Angelegenheit äußern. Die FDA hat die französischen Daten noch nicht bewertet.

Ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis

Schon die Zwischenauswertung einer laufenden Fall-Kontrollstudie eines kalifornischen Krankenversicherers deutete 2010 auf ein tendenziell erhöhtes Blasenkrebsrisiko unter Pioglitazon hin, das mit der Dosis und der Dauer der Anwendung anstieg. Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hatte deshalb im September 2010 eine Sicherheitsprüfung begonnen.

In der jetzt in Frankreich abgeschlossenen retrospektiven Kohortenstudie waren 155.535 Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus, die mit Pioglitazon behandelt wurden, einer Gruppe von 1.335.525 Diabetikern gegenübergestellt worden, die kein Glitazon erhielten. Nach den für den Vierjahreszeitraum von 2006 bis 2009 erfassten Daten ist das Risiko von Harnblasenkarzinomen unter Einnahme von Pioglitazon signifikant erhöht (HR 1,22; 95% CI 1,05 bis 1,43). Unter den exponierten Diabetikern traten 175 Blasenkrebserkrankungen auf. Es gab auch hier Hinweise auf eine Dosis-Wirkungs-Beziehung.

Die französische Agentur für die Sicherheit von Gesundheitsprodukten AFSSAPS (Agence française de sécurité sanitaire) hat daher mit Wirkung zum 11. Juli 2011 die Zulassung für das orale Antidiabetikum Pioglitazon wegen des dosisabhängigen Risikos von Harnblasenkarzinomen zurückgezogen. Auch die französische Arzneimittelbehörde betont, dass Patienten die Einnahme von Pioglitazon-Arzneimitteln nicht von sich aus abbrechen, sondern mit ihrem Arzt die weitere Therapie besprechen sollen.

In Deutschland wurde der selektive PPARγ-Agonist Pioglitazon als Actos® im Jahr 2000 zur Behandlung des Typ-2-Diabetes mellitus bei Patienten zugelassen, die unter Metformin allein keine befriedigenden Blutzuckerwerte erzielen oder bei denen Metformin nicht gegeben werden kann. Wie beim zweiten Glitazon Rosiglitazon wird die Pioglitazon-Wirkung wahrscheinlich über eine Verringerung der Insulinresistenz vermittelt. Insgesamt wurden in den letzten Jahren die Glitazone kritisch beurteilt. Beide Wirkstoffe führen zu einer Flüssigkeitsretention und zu peripheren Ödemen. Rosiglitazon steht im Verdacht das Herzinfarktrisiko zu erhöhen, was zur Rücknahme in Europa im November 2010 beitrug. In Deutschland ist Pioglitazon seit April 2011 nicht mehr zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sah das Glitazon als unzweckmäßig an, da ein Zusatznutzen im Hinblick auf makro- und mikrovaskuläre Folgeerkrankungen des Diabetes nicht hinreichend belegt ist.


Quelle

Pressemitteilung 05/11 des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 10. Juni 2011.


ck



DAZ 2011, Nr. 24, S. 33

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