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Nicht-steroidale Analgetika beeinflussen Nierenfunktion

Dass nicht-steroidale Analgetika durch zwei Mechanismen die Nierenfunktion negativ beeinflussen können, zeigte Prof. Dr. Thomas Herdegen vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Kiel. Die NSA können die Nierenfunktion einschränken und das Nierenparenchym schädigen. Dabei kann auch die Hemmung der Nierenfunktion zum Parenchymschaden führen.
Foto: DAZ/ck
Thomas Herdegen

Die Niere als Ausscheidungs- und Resorptionsorgan leistet Tag für Tag enorm viel: von den 180 Litern Primärharn die gebildet werden, verlassen am Tag dann nur ca. 1 bis 2 Liter unseren Körper. Wird durch Störungen irgendwelcher Art die Niere nur geringfügig in ihrer Leistung gemindert ist, so können die Folgen fatal sein: sehr schnell wird die Resorption der Elektrolyte gestört. Der Einfluß von Arzneimitteln auf die Funktion der Niere darf nicht unterschätzt werden. Etwa 15 bis 30% der akuten Nierenversagen werden durch Arzneimittel ausgelöst, 1 bis 2% der stationär aufgenommenen Patienten haben ein Nierenversagen.

In der Niere sind vor allem Prostaglandine für die Aufrechterhaltung des renalen Blutflusses durch die Dilatation im Vas afferens und damit für die glomeruläre Filtrationsrate verantwortlich. Prostaglandine stimulieren die Reninsekretion und sind verantwortlich für die Ausscheidung von Natrium, Kalium und Wasser. Inhibitoren der Cyclooxygenasen (COX-Hemmstoffe) hemmen die renale Prostaglandinsynthese und führen so zu einer Einschränkung der Nierenfunktion. Als Folge beschrieb Herdegen eine Erhöhung der Vorlast, wodurch es zur Blutdrucksteigerung und Ödemen kommen kann sowie zu einer Hyperkaliämie. Problematisch wird die Anwendung von COX-Hemmern, wenn es zu einem absoluten Volumenmangel (z. B. durch Schwitzen, Durchfall, Erbrechen oder Exsikkose) oder zu einem relativen Volumenmangel bei Herzinsuffizienz oder Leberzirrhose kommt. Denn über die Prostaglandine stimuliert der Körper in solchen Fällen als Gegenregulator die Renin-Freisetzung bzw. aktiviert das RAAS-System, um die glomeruläre Filtration aufrecht zu erhalten. Nicht-steroidale Analgetika können hier im schlimmsten Fall den renalen Blutfluss bis hin zum akuten Nierenversagen reduzieren. Als Risikofaktoren für eine negative Wirkung nicht-steroidaler Analgetika auf die Niere nannte Herdegen die Dosis und die Dauer der Medikation. Besondere Vorsicht gilt bei langwirksamen COX-Inhibitoren wie Etoricoxib oder sauren nicht-steroidalen Analgetika wie Indomethacin. Hier sollte an eine Dosisreduktion gedacht oder als Alternative auf kurz wirksame NSA wie Ibuprofen, Sulindac oder Acetylsalicylsäure umgestiegen werden. Bei einer schweren Insuffizienz können Paracetamol oder Metamizol angewendet werden, eventuell sollte das Dosierungsintervall von sechs auf acht Stunden verlängert werden.

Es gibt keine Analgetikanephropathie

Arzneimittel können nicht nur die Nierenfunktion beeinträchtigen, sondern auch das Parenchym schädigen. Dabei ist es möglich, dass eine latente Niereninsuffizienz weiter verstärkt wird. Eine allgemeine Analgetikanephropathie gibt es nicht, so Herdegen. Nach chronischem Gebrauch von nicht-steroidalen Analgetika können diese nephrotoxisch wirken, entweder über funktionelle Einschränkungen mit der Folge ungenügender Nierendurchblutung oder direkt parenchymschädigend. Der Begriff Phenacetin-Niere darf nicht gleichgesetzt werden mit Analgetikanephropathie, denn die in der Vergangenheit durch Phenacetin ausgelöste Nierenschädigung war ein spezifischer Typ der Papillarspitzennekrose und kein Klasseneffekt der COX-Inhibitoren.

Cave Arzneimittelinteraktionen

Eine Einschränkung der Nierenfunktion bedeutet reduziertes Ausscheiden einhergehend mit dem Risiko von erhöhten Wirkstoffblutspiegeln und verstärkten unerwünschten Wirkungen. Nicht zu unterschätzen sind auch Arzneimittelinteraktionen, hier nannte Herdegen insbesondere die Kalium-sparenden Diuretika. Störungen der Nierenfunktion bzw. schlechte Nierendurchblutung, Komorbiditäten wie schwere Herz- und Lebererkrankungen, Stoffwechselstörungen (Myotonolyse) oder ein Diabetes mellitus oder eine Volumendepletion müssen beachtet werden. Herdegen betonte in dem Zusammenhang die Rolle des Apothekers vor allem bei der Rückmeldung an den Arzt, wenn zum Beispiel durch Erbrechen oder Durchfall sich die physiologischen Gegebenheiten bei Patienten kurzfristig ändern und es zu einem Volumenmangel kommen kann. Dann sei es dringend angebracht, Rücksprache mit dem Arzt zu halten und eventuell die Dosierung von blutdrucksenkenden Arzneimitteln zu überdenken bzw. diese sogar abzusetzen. Gleiches gelte auch bei Diuretika, Laxanzien oder COX-Inhibitoren: Bei Volumenverlust oder Exsikkose sollten sie zeitweise abgesetzt werden.

ck



DAZ 2011, Nr. 23, S. 64


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