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Mehr Geld für Landärzte

BERLIN (ks/dpa). Zuschläge für Landärzte, Schließung von Praxen in den Städten – mit vielen neuen Regeln will die Regierung die medizinische Versorgung auf dem Land verbessern. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zeigte sich Ende letzter Woche zufrieden, dass nach vielen "Streitereien" das Versorgungsgesetz nun kurz vor dem Abschluss stehe. Der Gesetzentwurf sieht weiterhin eine Umstrukturierung des Gemeinsamen Bundesausschusses vor. Das ABDA/KBV-Konzept zur Arzneimittelversorgung fand dagegen keinen Eingang.

"Insgesamt ist das Versorgungsgesetz ein großer Schritt voran für die Verbesserung der Versorgung in Deutschland", sagte Bahr. Letzte Details sollen diese Woche geklärt werden, am 1. Januar 2012 soll das Gesetz in Kraft treten.

Nach dem Arbeitsentwurf sollen Landärzte Preiszuschläge bekommen und von Obergrenzen bei der Bezahlung ausgenommen werden. Wenn ein Arzt zuvor fünf Jahre in einer Mangelregion gearbeitet hat, soll er leichter in eine Stadt wechseln können. "Wir schaffen den jungen Medizinern, die sich entscheiden, in die Fläche zu gehen, eine verlässliche Perspektive", sagte Bahr. Bis zu 20.000 Ärzte werden nach Schätzungen in den kommenden Jahrzehnten fehlen, wenn nicht gegengesteuert wird.

Strukturfonds zur Landarzt-Förderung

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sollen künftig mit Mitteln aus einem Strukturfonds Landärzte fördern – hierfür stellen sie 0,1 Prozent der vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen zur Verfügung, die Landesverbände der Kassen geben einen ebenso hohen Betrag dazu. Laut Entwurf soll es beispielsweise Zuschüsse bei Investitionen geben, wenn sich ein Arzt neu auf dem Land niederlässt oder Zweigpraxen gründet. In Kliniken soll mehr ambulant behandelt werden. Gemeinden sollen notfalls selbst Ärzte anstellen können. Wenn ein Arzt in Ballungsräumen mit vielen Medizinern in Rente geht, sollen die KVen ein Vorkaufsrecht bekommen. Dann können sie die Praxis schließen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) geht aber nicht von vielen Fällen aus. Kinder und Ehegatten des ausscheidenden Arztes haben weiter erstes Zugriffsrecht. Die Krankenkassen hatten gefordert, auch die Ärzteballung in Städten zu bekämpfen, sodass der Kampf gegen den Ärztemangel nicht zu neuen Milliardenkosten führt. Das Ministerium rechnet nicht mit hohen Kosten – heute gebe es schlicht noch nicht so viele Mangelregionen, in die mehr Geld fließt.

KBV: Ärztemangel schon heute real

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) verwies indessen darauf, dass 2010 Nachfolger für 3938 Praxen von Ärzten und Psychotherapeuten gesucht worden seien – in 692 Fällen ohne Erfolg. Von den Schließungen betroffen waren unter anderem 420 Praxen von Hausärzten und 32 von Kinderärzten – vor allem auf dem Lande. KBV-Chef Andreas Köhler betonte, der Ärztemangel sei heute schon real. Die KBV schätzt, dass bis zum Jahr 2020 rund 67.000 niedergelassene Ärzte in den Ruhestand gehen werden. "Die Situation wird sich also verschärfen", sagte Köhler. Bahr reagierte hierauf in der "Welt": Dass viele Ärzte auf dem Land keine Nachfolger finden, "führt derzeit noch nicht zu dramatischen Engpässen" – insoweit gebe er den Krankenkassen recht. Allerdings könnte dies in wenigen Jahren anders sein. Das geplante Versorgungsgesetz schaffe daher neue Anreize.

Ärzte mit weitergehenden Honorarforderungen

Die Bundesärztekammer (BÄK) begrüßte die Pläne – die Elemente reichten aber nicht aus, sagte Vizepräsident Frank Ulrich Montgomery: "Man muss viel innovativer sein, wenn Ärzte sich auch in der Fläche niederlassen sollen." Montgomery forderte zudem eine neue Gebührenordnung und insgesamt angemessenes Honorar für die Ärzte. "Es gibt immer auch eine Eskalationsstrategie", drohte er. Notfalls würden die Ärzte das Land oder die Medizin verlassen. Im BMG sieht man diese Drohung dem Umstand geschuldet, dass Montgomery diese Woche auf dem Deutschen Ärztetag für das Amt des scheidenden BÄK-Präsidenten Jörg-Dietrich Hoppe kandidierte. Der GKV-Spitzenverband warf Montgomery Realitätsverlust vor. "Anders ist es nicht zu erklären, dass er ein durchschnittliches Brutto-Gesamthonorar für niedergelassene Ärzte von 165.000 Euro, von dem die Praxiskosten bereits abgezogen sind, als unangemessen bezeichnet", sagte Sprecher Florian Lanz.

Weiterentwicklung der G-BA-Strukturen

Neben den Regelungen zur ärztlichen Versorgung ist im Entwurf für das Versorgungsgesetz unter anderem auch eine Umstrukturierung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vorgesehen. Hinsichtlich der Frage, wie die unparteiischen Vorsitzenden künftig bestellt werden, enthält der Arbeitsentwurf noch zwei Alternativen, um eine parlamentarische Legitimierung zu erreichen: Erstere sieht vor, dass die Unparteiischen auf Vorschlag des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages von den Trägerorganisationen bestimmt werden. Nach der Zweiten werden sie von den Trägerorganisationen nach Bestätigung durch den Gesundheitsausschuss berufen. In dem Fall, dass sich Trägerorganisationen und Ausschuss innerhalb einer bestimmten Frist nicht einigen können, entscheidet in beiden Fällen das Bundesgesundheitsministerium per Ersatzvornahme. Darüber hinaus sollen künftig bei Beschlüssen, von denen nicht jede der drei Leistungserbringerorganisationen – Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser – wesentlich betroffen ist, die Stimmen der nicht betroffenen Organisationen jeweils zu gleichen Teilen auf die Mitglieder der betroffenen Verbände übertragen werden. Auch die Transparenz und die Beteiligungsmöglichkeiten an der Entscheidungsfindung im G-BA sollen weiter gestärkt werden. So erhalten die bei den jeweiligen G-BA-Beschlüssen stellungnahmeberechtigten Verbände und Institutionen das Recht, beim G-BA auch mündlich angehört zu werden. Zudem erhalten die Länder bei Beschlüssen zu den Bedarfsplanungsrichtlinien ein Mitberatungsrecht.



DAZ 2011, Nr. 22, S. 20

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