DAZ aktuell

Zahl und Dauer der Krankenhausaufenthalte sinkt

BERLIN (ks). Patienten in Berliner Pflegeeinrichtungen, die am Modellprojekt der AOK Nordost und der 7x4 Pharma GmbH zur patientenindividuellen Arzneimittelverblisterung teilgenommen haben, wurden seltener und weniger lange stationär behandelt als Heimbewohner, die ihre Medikamente manuell gestellt bekamen. Zu diesem Ergebnis kommt die begleitende wissenschaftliche Evaluation des Projektes.
Foto: 7x4 Pharma GmbH
Positiv ist die Bilanz des Modellprojekts der AOK Nordost und der 7x4 Pharma GmbH ausgefallen. Patienten in Pflegeeinrichtungen, die ihre Medikamente im Rahmen des Projekts verblistert erhielten, mussten seltener und weniger lange stationär behandelt werden als andere Patienten.

Das Berliner Modellprojekt ist diesen Monat ausgelaufen. Doch die Beteiligten sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen der wissenschaftlichen Auswertung. Das hiermit beauftragte Institut für betriebswirtschaftliches Management im Fachbereich Chemie und Pharmazie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hatte bereits im Februar erste Teilergebnisse vorgestellt: Danach befürwortete das Pflegepersonal die industriell gestellten Blister und sah sich hierdurch entlastet. Zudem waren Einsparungen von rund 10 Prozent errechnet worden, die aufgrund des geringeren Verwurfs realisiert werden konnten (siehe AZ 2011, Nr. 9, S. 3).

26 Prozent weniger Klinikaufenthalte

Am 13. Mai wurde auf dem "Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit" eine weitere Erkenntnis vorgestellt: Während die Anzahl der Krankenhausaufenthalte in den sechs Monaten vor der Umstellung auf die 7x4-Blister in der untersuchten Gruppe bei 277 lag, fiel sie bereits in den sechs Monaten nach der Umstellung auf 166. Das ist ein Rückgang von knapp 27 Prozent. Auch die Aufenthaltsdauer bei stationären Behandlungen sank durchschnittlich von 10,6 auf 7,8 Tage und damit um 26 Prozent. Und jeder nicht im Krankenhaus verbrachte Tag, spart der Krankenkasse Kosten. Dr. Uwe Kehrel, der das Projekt gemeinsam mit Professor Jens Leker an der Uni Münster begleitete, spricht von einem "relativ starken Effekt". Was genau dahinter stecke, lasse sich nicht erklären, da ein ganzes "Maßnahmenbündel" zum Einsatz gekommen sei. Professor Rainer Düsing von der Medizinischen Poliklinik am Universitätsklinikum Bonn findet das Ergebnis ebenfalls "spannend" – für ihn ist es aber auch "plausibel". Er erklärt sich den raschen Einbruch der Hospitalisierungsrate vor allem damit, dass der Umstellung auf Blister eine kritische Evaluation der Medikation vorausgeht. Allein dies führe sicherlich dazu, dass es zu weniger Komplikationen und damit Krankenhauseinweisungen kommt.

AOK Nordost fordert politische Klärung

Für Harald Möhlmann, Geschäftsführer Versorgungsmanagement der AOK Nordost, sind die Ergebnisse bestechend: Es sei geradezu eine "Sternstunde", wenn die beiden Ziele einer Krankenkasse – eine gute Versorgungsqualität und hohe Wirtschaftlichkeit – zusammenkommen, wie es in diesem Projekt der Fall sei. "Es ist so einfach, dass man sich fragt: Warum machen das nicht alle?" Und: Wenn schon in einem so geordneten Umfeld wie einem Pflegeheim solche Einsparungen zu erreichen sind – wie groß könnten die Effekte erst in der ambulanten Versorgung sein? Dennoch wurde unter das Projekt erst einmal ein Schlussstrich gezogen. Die Politik müsse nun klären, wie es weiter geht, so Möhlmann. Es müsse eine Lösung gefunden werden, die "Freiwilligkeit mit Nachhaltigkeit paart". Er setzt dabei weiterhin auf Verträge, statt auf starre gesetzliche Vorgaben. Doch es müsse angepasste Abrechnungsmöglichkeiten – am besten tablettengenau – und Gestaltungsoptionen bei der Zuzahlung geben. So sollte etwa auf die Patientenzuzahlung verzichtet werden können.

Thema bei der Pflegereform

Die Unionsfraktion hat das Thema Verblisterung in Altenheimen unlängst in ihr Eckpunktepapier zur Pflegereform aufgenommen (siehe DAZ 2011, Nr. 18, S. 16). Ob sich Blister-Verfechter und Gesundheitspolitiker der Regierungsfraktionen nun näher kommen, werden die nächsten Wochen zeigen.



DAZ 2011, Nr. 20, S. 31

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