DAZ aktuell

Anklage gegen Apotheker

BERLIN (ks). Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 21. Dezember muss sich ein Apotheker, der im Zusammenhang mit dem Zytostatika-Betrugsskandal ("Holmsland-Affäre"), ins Visier der Ermittler geraten ist, nun vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München verantworten. Während die Vorinstanz die Anklage nicht zulassen wollte, weil sie keine Strafbarkeit des Apothekers sah, hat das OLG auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft anders entschieden.

Aus seiner Sicht besteht sehr wohl hinreichender Tatverdacht, dass der Pharmazeut gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) verstoßen hat und gegenüber den Krankenkassen betrügerisch vorgegangen ist. Für Dr. Jörn Graue, den Vorsitzenden des Apothekervereins Hamburg, zeigt der Beschluss erneut, wie dringend notwendig es ist, Klarstellungen in der Hilfstaxe vorzunehmen.

Dem nunmehr angeklagten Apotheker wird von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, das für den deutschen Markt nicht zugelassene Fertigarzneimittel Gemzar im Ausland erworben, es nach ärztlicher Verordnung durch Zusetzen von Lösungsstoffen in einen applikationsfähigen Zustand überführt und sodann an die Patienten zur Injektion durch den Arzt abgegeben zu haben. Ferner soll er gegenüber den Krankenkassen zu Preisen der Lauertaxe abgerechnet und dabei konkludent vorgespiegelt haben, dass es sich um ein für den deutschen Markt zugelassenes Arzneimittel handele.

Das Landgericht München hatte die Anklage zunächst nicht zur Hauptverhandlung zugelassen: Der Angeklagte habe sich nicht strafbar gemacht. Weder habe er entgegen § 96 Abs. 1 AMG ein Fertigarzneimittel in den Verkehr gebracht, noch bei der Abrechnung mit den Kassen falsche Angaben gemacht. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass der Apotheker lediglich eine Infusionslösung unter Verwendung von Gemzar im Sinne von § 4 Nr. 14 AMG hergestellt habe – das Ergebnis dieses Prozesses sei kein Fertigarzneimittel.

OLG: Kein neues Arzneimittel hergestellt

Das OLG subsumiert das Verhalten dagegen sehr wohl unter den Begriff des Inverkehrbringens – und nach § 96 Nr. 5 AMG ist dieses strafbar, wenn es sich um ein Fertigarzneimittel ohne Zulassung handelt. Der Apotheker habe kein neues Arzneimittel hergestellt: Das Auffüllen des Arzneimittels mit Kochsalzlösung und das Umfüllen in ein anderes Behältnis stelle keine qualitative Veränderung des ursprünglichen Fertigarzneimittels dar, sondern lediglich eine Überführung in eine andere Applikationsform. Aus einem nicht zugelassenen Arzneimittel könne durch bloße "Streckung" kein zulässiges Arzneimittel entstehen, welches in den Verkehr gebracht werden dürfe.

Die Oberlandesrichter stellen in ihrem Beschluss auch klar, dass die Konsequenz einer ablehnenden Entscheidung wäre, dass nicht zugelassene, ungeprüfte Fertigarzneimittel durch den Apotheker aus der Packung genommen, anders zusammengestellt, neu verpackt und ohne weitere Prüfung an den Patienten ausgehändigt werden könnten, ohne dass dies strafbar wäre. Mit einfachsten Mitteln ließe sich so die Zulassungspflicht umgehen.

Auch den Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs hält das OLG für erfüllt. Es verweist auf die ständige Rechtsprechung, derzufolge ein Arzneimittel nicht erstattungsfähig ist, wenn es nach den Regeln des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese nicht erteilt worden ist.

Graue: Endlich Klarheit schaffen

Dr. Jörn Graue hält den Gerichtsbeschluss für alle Beteiligten – sowohl die Apotheker als auch die Staatsanwaltschaft und Gerichte – für hilfreich. Aus seiner Sicht hätte in der Anlage 3 zur Hilfstaxe schon längst klargestellt werden müssen, dass Fertigarzneimittel nur dann abrechenbar sind, wenn in der Zubereitung ein in Deutschland zugelassenes Fertigarzneimittel verwendet wird. Auf eine entsprechende Änderung arbeitet er schon seit längerer Zeit hin (siehe hierzu auch AZ Nr. 28/2010, S. 3 ) – ein Beschluss hierzu liegt bereits vor, allein die Umsetzung verzögert sich. "Wir haben hier eine schlimme Grauzone, in die wir Klarheit bringen wollen", sagte Graue der DAZ. Noch immer würden derartige Machenschaften in zu großem Maße betrieben, ohne dass man ihnen Herr werden würde – und das, obwohl die Sache eigentlich klar sein müsste.



DAZ 2011, Nr. 2, S. 34

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