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"Politik will Apotheker auf abschüssigen Weg zwingen!"

BAD HOMBURG (du). Zehn Jahre hat Rechtsanwalt Dr. Johannes Pieck nach Beendigung seiner 34-jährigen Tätigkeit bei der ABDA – zuletzt als Sprecher der Geschäftsführung – den Bundesverband der klinik- und heimversorgenden Apotheker (BVKA) politisch und juristisch beraten. Jetzt hat er auch dieses Amt abgegeben und sich im Rahmen der BVKA-Jahrestagung am 3. Mai 2011 in Bad Homburg mit einer Rede zur aktuellen berufspolitischen Diskussion um Versandhandel, Pick up und das BMG-Positionspapier zur Novellierung der Apothekenbetriebsordnung verabschiedet. Er äußerte die Hoffnung, dass die Apotheker den von der Politik gewollten, abschüssigen Weg vom Heilberufler zum Kaufmann nicht mitgehen werden.
Rechtsanwalt Dr. Johannes Pieck

Für Pieck deutet alles darauf hin, dass die Politik den Apotheker in den Wettbewerb außerhalb der Apotheken drängen will. So sei die Reduktion der Apothekenzahl auch der Wille der Politik, unabhängig davon, wie hoch bzw. wie gering der Wertschöpfungsanteil der Apotheken an den Gesamtausgaben der GKV sei. Allein die Zahl der Apotheken sei eine Provokation für Politiker. Pieck führte dazu Äußerungen des SPD-Politikers Rudolf Dressler an, der im Wahlkampf – als Schröder zum Kanzler gewählt wurde – festgestellt hätte, dass ein Drittel der Apotheken überflüssig sei und diese im Laufe der Zeit weggesteuert werden müssten. Konsequent würde die Politik diesen Weg beschreiten. Liberalisierungstendenzen, die seit 2003 in Gestalt des Versandhandels und der Filialapotheken zu sehen seien, hätten zum Fernziel, dass die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzes eines Tages nur noch der letzte Schritt sei.

AMPreisV – unzumutbare Zustände

Die Zulassung von Versandapotheken sei bei der überwältigenden Mehrheit der Apotheker auf Ablehnung gestoßen. Bei den Filialapotheken sei es schon anders gewesen. Die Tatsache, dass heute schon mehr als 3100 Apotheken Filialapotheken seien, und nach Ausführungen eines Editorials von DAZ-Herausgeber Dr. Klaus G. Brauer (DAZ 2011, Nr. 16, S. 3) bei 20.000 Apotheken eine Reduktion der Stammapotheken auf 5000 möglich sei, sei in politischem und juristischem Sinne Mehrbesitz, auch wenn das von Standesvertretern gerne geleugnet würde. Die Politik habe dies gewollt, ohne dass die Apotheker das gefordert hätten. Sie habe auch alle Varianten und Auswüchse zu verantworten, die sich seither ergeben hätten. In diesem Zusammenhang nannte Pieck die Pick-up-Stellen, an die niemand gedacht habe. Einen weiteren Auswuchs sieht Pieck in der ungeklärten Frage zum Geltungsbereich der Arzneimittelpreisverordnung. Denn während Präsenzapotheken an die AMPreisV gebunden sind, haben die Gerichte zur Frage der Anwendung bei ausländischen Versandapotheken unterschiedliche Urteile gefällt. Eine Entscheidung ist beim Gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte anhängig. Pieck warnte, je länger rechtliche oder wettbewerblich unzumutbare Tatbestände anhielten, umso mehr würden sie sich einschleifen und umso größer sei die Gefahr, dass alles so belassen werde. Es wäre Aufgabe der Standespolitik gewesen, so Pieck, diese unzumutbaren wettbewerbsverzerrenden Zustände durch Aktivierung von Gesetz- und Verordnungsgeber zu beseitigen. Sie würden seit 2004/2005 einer Regelung harren und man könne den richtigen Zeitpunkt auch verpassen.

Pick up – wie die Jungfrau zum Kind

Die Pick-up-Stellen seien auf die Apotheker übergekommen wie die Jungfrau zum Kind und auch das BMG habe diese Möglichkeit nicht bedacht. Nachdem gerichtlich die Zulässigkeit festgestellt worden sei, habe die Presse geschrieben, Drogerien dürften Arzneimittel abgeben. Nach Bekanntwerden des Urteils habe die ABDA erklärt, das müsse verboten werden, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass kommune Einzelhandelsgeschäfte oder -märkte genauso wie Apotheken Arzneimittel abgeben könnten. Zugleich habe man auch in der ABDA die Auffassung vertreten, ein Verbot von Pick-up-Stellen sei verfassungsrechtlich nicht möglich. In der Tat hatte laut Pieck das Bundesverwaltungsgericht in einem einzigen Satz pauschal formuliert, man könne Pick-up-Stellen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verbieten, ohne dies näher zu begründen. Dass es Argumente für ein Verbot gebe, hätten in der Folgezeit drei Publikationen gezeigt, die in der DAZ veröffentlicht worden seien: eine von Rechtsanwalt Prof. Dr. Hilko J. Meyer (DAZ 2009, Nr. 7, S. 19), eine von Rechtsanwalt Dr. Christian Rotta (DAZ 2009, Nr. 7, S. 3) sowie eine von Rechtsanwältin Grit Hofmann aus Chemnitz (DAZ 2009, Nr. 19, S. 70 ff). Auch ein von der ABDA in Auftrag gegebenes Gutachten von Professor Rüdiger Zuck habe die Verfassungsmäßigkeit eines Verbots von Pick-up-Stellen bestätigt.

"Verbandsgeschäftsführer sollte man nicht klein halten, damit sie niemanden überragen, man sollte sie vielmehr ermutigen, motivieren und arbeiten lassen, eben Geschäftsführer, die Geschäfte führen und keine Zitronenfalter sind."

Dr. Johannes Pieck

Pro-forma-Politik des BMG

Zwar habe das BMG sodann auf Drängen der ABDA diese Frage geprüft. Es sei aber unter Berufung auf das Bundesinnen- und Bundesjustizministerium zu dem Schluss gekommen, ein Pick-up-Verbot sei verfassungswidrig. Pieck ist davon überzeugt, dass man in dieser Situation nicht nur fordern dürfe, man müsse schriftlich und in Gesprächen argumentieren sowie konkrete Formulierungsvorschläge unterbreiten. Das setze voraus, dass juristisch organisierte und kompetente Geschäftsführer der ABDA bei den Gesprächen mit den Juristen des Gesundheitsministeriums auf Augenhöhe vertreten sind.

Pieck ging in diesem Zusammenhang auch auf das Problem der Pick-up-Stellen in Apotheken ein. Dies sei nicht nach dem Motto erledigt, "quod licet iovi, non licet bovi" oder umgekehrt. Pieck hat durchaus Verständnis für Apotheker, die sagen würden, sie ließen sich doch nicht von solchen Pick-up-Stellen die Butter vom Brot nehmen. Ungeachtet dessen hält er ein derartiges Vorgehen sowohl berufs- als auch gesundheitspolitisch für gefährlich. Verständlich sei es deshalb, wenn sich Apotheker vor Ort und Berufsorganisationen gegen Pick-up-Stellen in Apotheken gerichtlich wehren würden.

Politik muss Position beziehen

Pieck verwies auf mehrere widersprüchliche Gerichtsurteile. Zentraler Punkt sei auch hier, ob die Arzneimittelpreisverordnung für ausländische Versandapotheken gelte, eine Frage die man laut Pieck durch eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung längst hätte klarstellen können. Denn die AMPreisV sei nicht nur ein Bonum für die Apotheker, sie habe auch einen gesundheitspolitischen Aspekt, nämlich den Schutz des Patienten. Denn sie verhindere, dass in kritischen Zeiten, wenn alles knapp wird, die Arzneimittelpreise in die Höhe schießen. Hier müsse die Politik gezwungen werden, eindeutig Position zu beziehen und klarzustellen, ob sie hinnimmt, dass Apotheken, die Teile der Versorgung der Bevölkerung in Deutschland übernehmen, nicht an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden sind; und dass sie im Falle eines Falles auch höhere Preise nehmen können. Die unterschiedliche Rechtsprechung in dieser Frage erklärt sich für Pieck dadurch, dass von den Klägern die einschlägigen apothekenrechtlichen Argumente nicht ausreichend vorgetragen worden sind. In diesem Zusammenhang verwies er auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das Apothekenterminals für unzulässig erklärt habe mit der Begründung, dass das Rezept zum Zeitpunkt der Abgabe der Arzneimittel nicht vorliege und die Apotheke ihren Dokumentationspflichten nach § 17 Abs. 5 und 6 nicht nachkommen könne. Dies sei genau der Fall bei Pick-up-Stellen in Apotheken, denn auch hier sei nicht gewährleistet, dass das Originalrezept zum Zeitpunkt der Abgabe in der holländischen Apotheke vorliege.

Die Apothekenbetriebsordnung schreibe zudem abschließend vor, welche Funktion jeder Betriebsraum in der Apotheke habe und schließe damit aus, dass andere Tätigkeiten in diesen Räumen ausgeübt werden dürften. Pick-up in der Apotheke ist für Pieck eine Art Botendienst, wie ihn die Post wahrnimmt. Solch ein Botendienst zähle aber nicht zu den Aufgaben der Apotheke. Pieck ist davon überzeugt, dass Pick-up-Stellen in Apotheken aufgrund der geltenden Apothekenbetriebsordnung unzulässig sind und verboten werden können. Pick-up-Stellen in anderen Abgabestellen könnten jedoch nicht in der Apothekenbetriebsordnung verboten werden, ein solches Verbot müsse im Apothekengesetz verankert werden, weil das Bundesverwaltungsgericht die Zulässigkeit von Pick-up-Stellen aus dem Apothekengesetz "herausgelesen" habe.

Gefährliche "Erleichterungen"

Kritisch nahm Pieck in dem zweiten Teil seiner Rede die in Aussicht gestellten "Entrümpelungen" für die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung unter die Lupe, wie sie im BMG-Positionspapier angesprochen werden. Am Beispiel der Rezeptsammelstellen machte er deutlich, dass das, was auf den ersten Blick als Erleichterung empfunden werden könnte, fatale Folgen haben werde. Künftig solle es keine Einschränkungen für die Unterhaltung von Rezeptsammelstellen mehr geben, außer dem Verbot von Rezeptsammelstellen bei Angehörigen der Heilberufe.

Das sei jedoch kein Wohlwollen, sondern eine Hinterlist. Man wolle Rezeptsammelstellen für Präsenzapotheken wettbewerbsrechtlich gleichstellen mit Pick-up-Stellen, eigentlich wolle man jedoch nur die Apotheker und die Berufsorganisationen ruhig stellen und sie zwingen, die Forderung nach einem Verbot der Pick-up-Stellen aufzugeben. Pieck hofft, dass die Basis darauf nicht hereinfällt. Er wirft dem BMG Scheinheiligkeit vor, nicht zuletzt deshalb, weil es in dem gleichen Papier so tue, als müsse die Beraterfunktion des Apothekers neu festgeschrieben werden. Pieck betonte, dass die Beratungspflicht schon seit 1988 vollständig und ausreichend in der Apothekenbetriebsordnung verankert sei. Es gelte der Erfahrungssatz: je mehr Rezeptsammelstellen, desto weniger Beratung.

Kritik übte Pieck auch an den Vorstellungen des BMG, dass bei maschineller Verblisterung Anforderungen wie an Herstellerbetriebe zu stellen sind. Wer nicht mit der Hand verblistere, werde in unzumutbarer Weise "bestraft", so Pieck. Der BVKA werde sich sicher entsprechend engagieren.

Degradierung von Filialapotheken

Auch die Streichung der Auflistung von Laborgeräten und Reagenzien sei nur bei vordergründiger Betrachtung ein Geschenk. Im Ergebnis muss jedoch auch weiterhin alles geprüft werden, was jetzt schon zu prüfen ist, lediglich die Wahl der Mittel sei frei. Statt sich auf die Apothekenbetriebsordnung berufen zu können, würden Behörden dann unausweichlich eine Liste aufstellen müssen, über deren Verbindlichkeit sich dann trefflich streiten ließe. So sei die Streichung der Auflistungen letztendlich keine Entlastung für die Apotheken. Sie bedeute im Zweifelsfall Streit mit den Behörden.

Dem Positionspapier sei zu entnehmen, dass Filialapotheken zwar in Zukunft kein Labor mehr benötigen würden, aber sie müssten Rezepturen herstellen. Diese Tätigkeit könne zwar von der – womöglich weit entfernten – Stammapotheke übernommen werden. Doch Pieck ist davon überzeugt, dass dies im Zweifel vielfach nicht geschehen werde, sondern dass unter Verwendung irgendeiner Ausrede dem Patienten mitgeteilt werde, dass man diese Rezeptur leider nicht anfertigen könne. Ganz schnell könnten damit Filialapotheken den Status von Zweigapotheken erreichen.

Abwertung der Apotheken nicht hinnehmen

Pieck ist der Meinung, dass sich die ABDA und auch der BVKA diese Abwertung der Filialapotheken, zurzeit immerhin schon mehr als 3000, nicht gefallen lassen sollten. Erleichtert würde so nur die Gründung von weiteren Filialapotheken. Auch die Dienstbereitschaft solle so reguliert werden, dass die Stammapotheke die Dienstbereitschaft übernehmen kann. Die Notdienstkreise lege jedoch auch weiterhin die jeweilige Landesapothekerkammer fest. Auch hier sei Streit vorprogrammiert. Pieck vermisst bei dem Positionspapier ebenso wie bei dem schon im letzten Jahr bekannt gewordenen Entwurf einer neuen Apothekenbetriebsordnung die ordnende Hand eines Juristen.

Das BMG habe den gesundheitspolitischen Kompass verloren. Die geltende Betriebsordnung sei ein Kunstwerk, niemals habe er seit 1988 so wenig Beschwerden über die Apothekenbetriebsordnung gehört. Was man jetzt als "das Aufbrechen verkrusteteter Strukturen" ausweist, sei lediglich ein Aushöhlen der heilberuflichen Funktionen des Apothekers.

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DAZ 2011, Nr. 19, S. 30

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