Wirtschaftsforum

Blick in andere Branchen – trotz harten Wettbewerbs Erfolg haben

Bericht vom Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands

Von Peter Ditzel, Stuttgart

"AMNOG und die Folgen: Apotheke unter Druck" – unter dieses Motto hatte der Deutsche Apothekerverband (DAV) in diesem Jahr sein Wirtschaftsforum gestellt, das am 5. und 6. Mai in Potsdam stattfand. Vor dem Hintergrund der Folgen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes erfuhren die Teilnehmer die aktuellen Wirtschaftszahlen und einen politischen Lagebericht. Wie stark die Apotheken unter Druck stehen, zeigen die Zahlen deutlich: Derzeit schließen im Durchschnitt zwei Apotheken pro Woche. Wie eine Hochrechnung aufs Jahr zeigt, wird sich der Apothekenleiter einer typischen Apotheke in diesem Jahr weniger Gehalt überweisen können als sein approbierter Angestellter bekommt.

Fotos: DAZ/diz
Apotheken unter Druck Das AMNOG zeigt bereits seine Auswirkungen auf den Ertrag einer Apotheke. Aktuelle Wirtschaftsdaten wurden auf dem Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands präsentiert.

Den Bericht von Karl-Heinz Resch, Geschäftsbereich Wirtschaft, Soziales und Verträge der ABDA, über die wirtschaftliche Entwicklung der Apotheken veröffentlichten wir in unserer letzten Ausgabe (DAZ Nr. 18, S. 95). In unserer Montagsausgabe (Apotheker Zeitung Nr. 19) finden Sie den politischen Lagebericht des DAV-Vorsitzenden Fritz Becker und die aktuellen Wirtschaftsdaten zur Apotheke, die Dr. Frank Diener von der Treuhand Hannover vorstellte.

In dieser Ausgabe bringen wir einen kurz gefassten Bericht über die berufspolitische Diskussion auf dem Wirtschaftsforum. Außerdem: Da der Deutsche Apothekerverband seinen Mitgliedern sichtlich Mut machen wollte, Krisenzeiten als Chancen zu sehen, nahm er in diesem Jahr einen Vortrag zum Thema Marketing ins Programm und wagte den Blick in andere Branchen. Am Beispiel eines Buchhändlers, von Augenoptikern und eines inhabergeführten Wäscheherstellers konnten die Teilnehmer des Wirtschaftsforums einen Blick über den Zaun werfen, um zu erfahren, wie andere Branchen mit dem immer härteren Wettbewerb zurecht kommen. Quintessenz aus allen drei Branchen: Man muss sich etwas einfallen lassen, man muss anders und besser sein als andere und man muss seine Mitarbeiter motivieren und schätzen.


Christian Riethmüller

Erfolgsgeheimnisse eines Buchhändlers

Buchhandlungen und Apotheken haben ein paar Ähnlichkeiten, z. B. viele ihrer Waren, die es in allen Läden der Branche gibt, sind preisgebunden und das Internet (Versandbuchhandlungen, Versandapotheken) verschärft den Wettbewerb. Was muss man also unternehmen, damit die Kunden nicht in den Laden des Mitbewerbers gehen? Christian Riethmüller, einer der Geschäftsführer und Inhaber des familiengeführten Buchhandel-Filialunternehmens Osiander, stellte seine Strategien vor. Sein Unternehmen macht mit 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 23 Buchhandlungen und einem Webshop einen Umsatz von rund 50 Millionen Euro. Trotz massiver Umsatzrückgänge in den letzten Jahren aufgrund des Versandhandels will Osiander weiter wachsen. Er sucht immer wieder nach Alleinstellungsmerkmalen, warum Kunden ausgerechnet in seine Buchhandlungen kommen und ihre Bücher nicht übers Internet bestellen sollen. Riethmüller: "Das Buch ist kein Muss für den Menschen, ein Buch konkurriert außerdem mit allen Freizeitangeboten." Auch dieser Kampf muss aufgenommen werden.

Zusammen mit seinen Mitarbeitern hat er Leitlinien entwickelt: Die Mitarbeiter sollen Spaß an der Arbeit haben und die Unternehmensziele unterstützen. Um dies zu ermöglichen, macht die Geschäftsführung alle betriebswirtschaftlichen Zahlen transparent. Umfragen unter den Mitarbeitern zeigen: Über 90 Prozent der Mitarbeiter sagen, es macht Spaß für das Unternehmen zu arbeiten, Beruf und Familie lassen sich gut bis sehr gut vereinbaren. Das Buchhandelsunternehmen setzt auf Wachstum, was auch den Mitarbeitern nützt: Neue Führungspositionen werden intern besetzt, so dass die Mitarbeiter Aufstiegschancen im Unternehmen haben. Individuelle Leistungsprämien werden nicht gezahlt, aber alle Mitarbeiter werden beteiligt, wenn gesetzte Umsatzziele erreicht wurden.

Die Kunden sollen von Osiander begeistert sein und sich mit dem Unternehmen identifizieren. Um Kunden zu halten und Neukunden zu gewinnen, setzt man auf größtmögliche Kulanz: Selbst verfallene Gutscheine oder Coupons anderer Buchhandlungen werden eingelöst, jedes Buch wird umgetauscht, Reklamationen werden großzügig behandelt.

Einen wichtigen Teil nimmt der Bereich der Non-Books ein, die Zusatzverkäufe, das Randsortiment einer Buchhandlung wie beispielsweise Postkarten, Schreibblöcke, Schneidebrettchen, Geschenkartikel und vieles mehr. Für einige Mitarbeiter, die als eingefleischte Buchhändler antraten, kostete dies anfangs einige Überwindung, wie Riethmüller berichtete. Aber aufgrund der Umsatzzahlen konnten sie erfahren, dass dieses Sortiment einen wichtigen Teil zum Erhalt des Unternehmens und zum Wachstum beiträgt.

Anders sein als andere – dazu gehört bei Osiander ein eigener Buchkatalog, der Empfehlungen, Rezensionen und Tipps der Mitarbeiter enthält. Der Katalog hat sich als Wettbewerbsvorteil erwiesen und er stellt ein Bindeglied zwischen der Buchhandlung und dem Webshop dar.

Anders ist Osiander auch bei verschiedenen Aktionen. Schüler bekommen beispielsweise für eine Note 1 in der Schule oder eine Verbesserung ihrer Note einen Drei-Euro-Gutschein und zwei Tafeln Bioschokolade (in einer Kooperation mit Ritter Sport). Erstklässlern schenkt die Buchhandlung ein T-Shirt von Trigema.

Die Betriebsphilosophie und die innovativen Geschäftsstrategien brachten dem Buchhandelsunternehmen schon mehrfach Auszeichnungen ein, wie beispielsweise freundlichste Buchhandlung, Dienstleister des Jahres oder Buchhandlung des Jahres.


Christian Müller

Mit klarem Blick

Die Branche der Augenoptiker kann nicht klagen, aber auch nicht jubeln: sie hatte mit 11.960 Fachgeschäften einen Branchenumsatz von 4,9 Mrd. Euro in 2010 mit leichtem Wachstum, sie setzt jährlich 11 Millionen Brillen und knapp 34 Millionen Brillengläser ab. Wie Christian Müller, Vizepräsident des Zentralverbands der Augenoptiker, auf dem Wirtschaftsforum berichtete, sind die Optiker aber auch darauf angewiesen, neben Brillen weitere Sortimente wie beispielsweise Hörgeräte oder Wetterstationen und ähnliches anzubieten, zumal auch der Markt der Kontaktlinsen weitgehend weggebrochen ist: Kontaktlinsen sind Internetware geworden.

Beherrscht wird der Markt durch Optikerketten wie Fielmann, Apollo, ProOptik und anderen. Die Arbeitslosigkeit in der Branche ist äußerst gering. Der Beruf des Optikers hat sich mittlerweile zu einem Frauenberuf gewandelt.

Der große Einschnitt in der Branche kam durch verschiedene Gesundheitsreformgesetze, die Brillen aus der Kassenerstattung weitgehend herausnahmen. Lag der Branchenumsatz mit der GKV 1988 noch bei 1,169 Milliarden, stürzte er vor allem nach 2004 tief ab und bewegt sich heute nur noch um die 52 Mio. Euro. Heute sei man jedoch froh, nicht mehr von der GKV abhängig zu sein, so Müller. Viele Unternehmen verzichteten sogar auf die von den Kassen geforderte teure Präqualifizierung und damit auf eine Kassenzulassung. Optiker belieferten Rezepte aber dennoch (beispielsweise Brillen für Kinder), rechneten die Rezepte aber nicht mit der Kasse ab und verbuchten den Verlust unter Neukundengewinnung.

Schwierig gestalte sich ab und an die Beziehung zu den Augenärzten wegen der Abgrenzung der Kompetenzen. So wurde gesetzlich festgelegt, dass beispielsweise die Brillenglasbestimmung keine Ausübung der Heilkunde ist. Auch der Augeninnendruck darf vom Augenoptikermeister bestimmt werden.

Zu schaffen machen der Branche der Augenoptiker die Angebote im Internet. Heute sei es bereits möglich, nicht nur Kontaktlinsen, sondern auch Brillen übers Internet zu beziehen (zum Beispiel Mister Spex, Brille24.de, brillenanprobe.de). Dies hat zur Folge, dass manche Optiker mit den Internet-Brillenunternehmen kooperieren.


Wolfgang Grupp

Mitarbeitermotivation und rasche Entscheidungen

Er führt sein Unternehmen mit fester, patriarchalischer Hand, aber erfolgreich: Wolfgang Grupp, Inhaber der Textilfirma Trigema. Sein Credo lautet: die Produktion am Standort Deutschland, Zusammenarbeit mit europäischen Qualitätsherstellern. Dabei hat er nichts gegen Globalisierung, sie sei eine Chance, wenn Handel weltweit getrieben werde, aber er sieht es als erste Pflicht an, im eigenen Land zu produzieren, die Wirtschaft in Deutschland zu stärken im Vertrauen auf die soziale Marktwirtschaft. Größenwahn und Gier von verantwortungsvollen Managern hätten viele Betriebe ins Verderben gestürzt und in die Hände von ausländischen Investoren getrieben, was viele Arbeitsplätze in Deutschland kostete; die Manager selbst seien dafür jedoch nicht belangt worden, sondern hätten sogar noch millionenschwere Abfindungen bekommen. Und die Politik tue alles, um die tragende Säule unserer Wirtschaft, den Mittelstand, kaputt zu machen.

Wie die Familie im privaten Bereich so schätzt Grupp auch die Betriebsfamilie als Basis für sein Unternehmen. Und: Unternehmer sollten sich auf die Prinzipien des ehrbaren Kaufmanns zurückbesinnen.

Das Unternehmen Trigema produziert Sport- und Freizeitkleidung und ist auf diesem Gebiet nach eigenen Angaben Deutschlands größter Hersteller. Rund 1200 Mitarbeiter produzieren die Waren ausschließlich im baden-württembergischen Burladingen, angefangen bei der Stoffherstellung bis hin zum Bedrucken, Veredeln, Zuschneiden und Konfektionieren der Ware. Einige Fakten: Hergestellt werden täglich bis zu 35.000 Teile, der Umsatz beläuft sich auf 85 Mio. Euro. Der Lohnanteil beträgt rund 52%. Kundenbestellungen werden innerhalb von ein bis zwei Tagen ausgeführt. Auftragsbestätigungen werden nicht versandt. Der Betrieb arbeitet mit 100% Eigenkapital, er benötigt keine Bank- und keine Lieferantenkredite. Er hat nur eine Bankverbindung, ein Konto. Kurzarbeit und Entlassungen gibt es nicht.

Grupps Strategie: Er möchte sein Unternehmen noch selbst überblicken und über alles Bescheid wissen. Er strebt nicht nach unüberschaubarer Größe, daher auch keine unüberschaubare Diversifikation. Alle Probleme sind generell sofort zu lösen. Die Sicherung der Arbeitsplätze steht an erster Stelle. Das Unternehmen sollte von niemanden abhängig sein. Selbst der Strom für den Betrieb wird über eine eigene Kraftwärmekopplungsanlage erzeugt. Angestrebt wird hohe Flexibilität, Wachstum nur, wenn langfristig die Kapazität dafür geschaffen werden kann.

Grupp wohnt unmittelbar gegenüber seines Betriebs, so dass er immer für seinen Betrieb erreichbar ist. Im Werk hat er kein eigenes Büro, sondern sitzt mit seinen Mitarbeitern der nur 32-köpfigen Verwaltung in einem Großraumbüro, so dass er immer für sie ansprechbar ist und alles rasch kommuniziert werden kann. Großen Wert legt er auf die Ausbildung des Nachwuchses, der immer vom Betrieb übernommen wird. Leitende Funktionen im Betrieb werden von innen heraus besetzt. Seine Löhne nennt Grupp gerecht (Basis ist der Tarifvertrag und Zuschläge), die Gehaltslisten sind transparent ("bei uns fordert niemand eine Gehaltserhöhung"). Auf die Höhe der Gehälter wirkt sich auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit aus. Kündigungen gibt es nicht in seinem Betrieb. Selbst wenn ein Mitarbeiter Anlass dazu gäbe, bekommt er eine zweite Chance.

Ein wichtiger Teil seiner Führungsstrategie ist die Maxime, rasche und klare Entscheidungen zu treffen. Selbst wenn einmal eine Fehlentscheidung getroffen wird, ist dies nicht so schlimm, wie keine Entscheidung zu treffen.

Grupp erwartet von seinen Kindern, dass sie in seine Fußstapfen treten ("ich weiß, dass ich ein Tyrann bin"). Er geht von der Vorbildfunktion der Eltern aus. Wie er berichtete, dürfte es ihm gelingen, seine Kinder, die derzeit Betriebswirtschaft studieren, für den Einstieg in den Betrieb zu motivieren. Letztlich soll seine eigene Familie auch Vorbild für die Betriebsfamilie sein.


Gerhard Fuchs

Motivation und Loyalität

Wie sehr es für einen Betrieb auf motivierte und loyale Mitarbeiter ankommt, stellte auch Dipl.-Kfm. Gerhard Fuchs von der Beratungsagentur "Marketingfüchse" heraus. Den Mitarbeitern obliegt es, durch ihr Verhalten als Einzelner oder im Team Loyalität auszulösen und dauerhaft aufrecht zu erhalten, erklärte Fuchs. Je mehr Service- oder Dienstleistungskomponenten die Leistung eines Unternehmens enthält, desto größer ist der Einfluss des Mitarbeiter-Teams auf das Loyalitätsverhalten der Kunden. Deshalb ist es ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, die "richtigen" Mitarbeiter zu be-kommen. Auf der Basis des Total Loyality Marketing gilt es dann, alle Mitarbeiter entlang der "Loyalitätstreppe" beim Wissen, Können und Wollen weiterzuentwickeln. "Und dann muss das Management sie nur noch lassen", so Fuchs. Sein Credo: "Glückliche Kunden sind loyal, treu und ausgabefreudig. Glückliche Kunden erzeugen glückliche, loyale Mitarbeiter – und umgekehrt. Glückliche Kunden + Glückliche Mitarbeiter = Glückliches Management + Profit."



DAZ 2011, Nr. 19, S. 54

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