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Apotheken unter Druck

Peter Ditzel

Nimmt die Politik die Apotheken nicht mehr ernst? Schätzt man die Apotheken nicht mehr? Diesen Eindruck kann man jedenfalls bekommen, wenn man auf dem Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands war. Für die berufspolitische Diskussion waren Jens Spahn (CDU), Ulrike Flach (FDP), Karl Lauterbach (SPD), Biggi Bender (Die Grünen) und Martina Bunge (Die Linke) angekündigt. Erschienen waren nur die FDP und Die Linke, die anderen Parteien hatten kurzfristig abgesagt (Termine oder Erkältung sollen die Gründe dafür gewesen sein). Man hatte es zudem nicht für notwendig erachtet, eine Ersatzperson zu schicken. Apotheker-Diskussion – nein danke? Mag sein, dass in der Tat bei allen drei Absagen triftige Gründe vorhanden waren, mag sein, dass Erkältungen wirklich so schlimm sind, und mag sein, dass der Termin des Wirtschaftsforums (außerhalb der Sitzungswoche) ungünstig lag: Irgendwie drängt sich doch die Vermutung auf, dass die Wertschätzung des ach so geschätzten Heilberufs Apotheker in der Politik nicht so groß ist. Hat man den Apotheker schon abgeschrieben? Oder hatte man einfach nur keine Lust, sich dem unerfreulichen Thema Apotheke und AMNOG zu stellen und sich mit den Apotheken auseinanderzusetzen? Wie dem auch sei: Die berufspolitische Diskussionsrunde kam dann dennoch zustande dank des spontanen Einspringens von Kollegen aus Österreich und Polen, die über die Situation des Apothekenwesens in ihren Ländern berichteten.

Und Fritz Becker, der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands, konnte der FDP-Politikerin seine Wunschliste mit auf den Weg geben, worüber die Apotheken mit der Politik sprechen müssen – zum Beispiel über die zusätzliche Belastung der Apotheken durch den Großhandel. Wenn Politiker hier bisher immer nach Zahlen gerufen haben, um die Entwicklung schwarz auf weiß zu sehen – jetzt, nach den ersten vier Monaten, liegen plausible Zahlen vor, die klar zeigen, dass der Großhandel seinen AMNOG-Sparbeitrag an die Apotheken weiterreicht. Zusammen mit dem auf 2,05 Euro erhöhten Kassenabschlag werden die Apotheken dadurch überproportional belastet. Hier ist dringender Handlungsbedarf!

Die Berufspolitiker werden auch über eine Dynamisierung des Apothekerhonorars mit der Politik reden müssen. Es kann nicht sein, dass das Honorar unangepasst an die Kosten- und Aufwandsentwicklung auf dem Niveau von 2004 eingefroren bleibt.

Dann das bürokratische Monster der Packungsgrößenverordnung. Abgesehen davon, dass es erneut zu Fehlverordnungen der Packungsgrößen durch Ärzte kommt, da die Ärzte-Software nicht auf aktuellem Stand ist: Werden die Packungsgrößen im kommenden Jahr auf Reichweitendauer umgestellt, bedeutet das für Apotheken erneut Verluste, da weniger Packungen verordnet werden und sich dadurch das Apothekerhonorar schmälert.

Ein weiterer Diskussionspunkt mit den Gesundheitspolitikern wird die geplante Novellierung der Apothekenbetriebsordnung sein. Vor allem die im Positionspapier skizzierten Erleichterungen für Filialapotheken (kein Labor, keine Rezeptur), die hinführen könnten zu einer "Apotheke light", dazu die Öffnung in Richtung Pick up für alle Apotheken, kann nicht im Sinne einer ordnungsgemäßen Versorgung mit Arzneimitteln in Deutschland sein. Solche angedachten Veränderungen, wie sie im Positionspapier zu finden sind, sollten keinen Eingang in einen Referentenentwurf finden – die gesetzliche Ausformulierung kann sich das Ministerium sparen.

Immerhin, die FDP-Politikerin nahm von der Diskussion mit, dass sich die Apothekerinnen und Apotheker nicht mit den Pick-up-Stellen anfreunden werden. Sie hatte zwar auch keine Lösung parat, man wolle allerdings, so Ulrike Flach, an unterschwelligen Lösungen arbeiten, um Pick up wegzubekommen. Von einem Verbot des Versands von Rx-Arzneimitteln wollte sie allerdings nichts wissen. Da steht noch Überzeugungsarbeit bevor.

Überzeugend genug dürften dagegen die betriebswirtschaftlichen Zahlen für die typische Apotheke (Umsatz 1,3 Mio. ohne Umsatzsteuer) sein, die sich von den ersten vier Monaten auf das Jahr hochrechnen lassen. Hier zeigen sich Stagnation im OTC- und PKV-Umsatz, Rückgang des GKV-Umsatzes durch AMNOG und GKV-Änderungsgesetz, massive Verschlechterung des Rohgewinns um 1,4%-Punkte auf 24,5% durch verschlechterte Einkaufskonditionen und erhöhten Abschlag, ein Minus von 18.000 Euro beim absoluten Rohgewinn gegenüber dem Vorjahr, ein Plus von 24.000 Euro bei den Personalkosten wegen erhöhter Aufwendungen im GKV-Bereich und ein dramatischer Rückgang des Betriebsergebnisses um 25.000 Euro gegenüber dem Vorjahr auf etwa 54.000 Euro. Nach Abzug von Steuern und den Sozialabgaben bleibt dem Leiter einer typischen Apotheke nur noch ein Verfügungsbetrag von rund 39.000 Euro – weniger als ein Approbierter (in der höchsten Tarifgruppe inkl. 15%) verdient. Welcher Politiker würde für diesen Betrag noch arbeiten? Hier muss etwas geschehen, wenn die Leistungsfähigkeit unserer Arzneiversorgung erhalten bleiben soll.


Peter Ditzel



DAZ 2011, Nr. 19, S. 3

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