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Arbeitgeber sollen kräftiger zur Kasse gebeten werden

BERLIN (ks). Mit höheren Beiträgen der Arbeitgeber, einem "Bürgerbeitrag" auf Einkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Arbeit sowie einem Steuerzuschuss aus Erträgen der Zinsabschlagsteuer will die SPD ihr Konzept der Bürgerversicherung finanzieren. Das SPD-Präsidium billigte am 11. April einstimmig die Pläne der Generalsekretärin Andrea Nahles und des gesundheitspolitischen Sprechers der Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach.

Alle heute gesetzlich Versicherten sowie alle künftig Krankenversicherten werden nach den nun vorgelegten Eckpunkten automatisch Mitglied der Bürgerversicherung. Privatversicherte können – unabhängig von Alter und Gesundheitszustand – in einem befristeten Zeitrahmen wählen, ob sie in die Bürgerversicherung unter Mitnahme der Alterungsrückstellungen im Umfang des Basistarifes wechseln oder in ihren bestehenden Verträgen der Privatversicherung bleiben wollen. Einen einheitlichen Basistarif für die Bürgerversicherung sollen sowohl gesetzliche wie auch private Kassen anbieten. Beide Systeme sollten aufeinander zuwachsen, unterstrichen SPD-Chef Sigmar Gabriel und Nahles. Es gehe nicht um Konkurrenz oder Wettstreit.

Ziel: Zurück zur Parität

Die Finanzierung basiert auf drei Säulen: dem Bürgerbeitrag, dem Arbeitgeberbeitrag und dem Steuerzuschuss. Detaillierte Berechnungen sind im Präsidiumsbeschluss allerdings Fehlanzeige – nach wie vor hält sich die SPD bedeckt. Den Bürgerbeitrag zahlen alle Bürgerinnen und Bürger auf ihre Einkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Arbeit. Der prozentual erhobene Beitragssatz – 7,6 Prozent sollen es sein – wird einheitlich festgelegt, die Kassen sollen aber "zur Stärkung des Wettbewerbs" die Möglichkeit haben, diesen anzupassen. Erreichen will die SPD eine dauerhafte nominale Parität zwischen Arbeitgeber und Versicherten. Für Selbstständige mit geringeren Einkommen soll es einen abgesenkten Beitragssatz von rund 400 Euro geben. Zusatz- und Sonderbeitrag fallen zudem ersatzlos weg. Die Beitragsbemessungsgrenze soll für die Arbeitnehmer und Selbstständigen beibehalten werden. Ihre traditionelle Stammwählerschaft, etwa gut verdienende Facharbeiter, will die SPD nämlich nicht belasten.

Obergrenze für Arbeitgeberbeitrag entfällt

Anders sieht es beim Arbeitgeberbeitrag aus: Dieser wird als prozentualer Beitrag auf die gesamte Lohnsumme erhoben – eine Obergrenze soll es nicht mehr geben. Die dritte Finanzierungssäule, der Steuerzuschuss, soll schließlich analog dem Verfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung dynamisiert werden und mit rund 300 Millionen Euro starten. Dies soll aus den Mehreinnahmen einer Anhebung der Zinsabgeltungssteuer finanziert werden. Auf welche Höhe genau, werde man erst nach Ostern festlegen, sagte Nahles. Im Gespräch ist eine Erhöhung von 25 auf 30 Prozent. Auf diese Weise will die SPD auch Einkünfte aus Kapitalerträgen in die Finanzierung der Bürgerversicherung einbeziehen. Damit setzt sich die SPD von ihren früheren Ideen, aber auch von den Grünen und dem Deutschen Gewerkschaftsbund ab, die in ihren Bürgerversicherungskonzepten die direkte Einbeziehung von Kapitaleinkünften und Mieteinnahmen vorsehen. "Die SPD will die Krankenkassen nicht zu Finanzämtern machen", erklärte Nahles.

Kritik aus der PKV

Einer der ersten Kritiker des SPD-Konzepts war der Vorsitzende des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV), Reinhold Schulte: Die Pläne bedeuteten vor allem massive Steuer- und Beitragserhöhungen und eine "Vernichtung wertvoller Arbeitsplätze". Die Abschaffung der Bemessungsgrenze für Arbeitgeber bezeichnete Schulte als "Sondersteuer auf Arbeitsplätze". Sie sei "geradezu fatal", da sie ausgerechnet qualifizierte Stellen sowie kleine und mittelständische Betriebe besonders belaste. Überdies wirke der Wegfall der Bemessungsgrenze wie eine Bremse auf künftige Lohn- und Gehaltserhöhungen. Insgesamt, so der PKV-Chef, wolle die SPD "alle Versicherten in ein Einheitssystem lenken, das keinerlei Rücklagen für die absehbaren demografischen Probleme bildet".



DAZ 2011, Nr. 15, S. 26

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