Aus Kammern und Verbänden

Zukunft der Apotheke und ihrer Angestellten

Während der Interpharm in Hamburg fand am 26. März die diesjährige Mitgliederversammlung des Deutschen Pharmazeutinnen Verbandes (DPV) statt. Dort referierten zwei Kolleginnen aus Berlin und Leipzig über die Situation der öffentlichen Apotheke und die beruflichen Möglichkeiten nicht-selbstständiger Apothekerinnen.
Foto: Blasius
Dr. Anne Lewerenz, Prof. Dr. Karen Nieber (DPV-Vorsitzende), Annette Dunin von ­Przychowski (von links).

Plädoyer pro unabhängige öffentliche Apotheke

Annette Dunin von Przychowski, Berlin, hielt ein engagiertes Plädoyer für die Zukunft der unabhängigen öffentlichen Apotheke. Sie wandte sich gegen Thesen, die behaupten, dass weniger Apotheken gleichbedeutend sind mit weniger Kosten im Gesundheitswesen und dass mit Konzernen und Kooperationen als Managern der Apotheken "alles gut wird". Die Frage, ob nur den "Leuchtturmapotheken" mit Alleinstellungsmerkmal und den Kettenapotheken die Zukunft gehört und ob kleine, unabhängige Apotheken out sind, hat Dunin von Przychowski schnell und zweifelsfrei beantwortet: Für sie sichern gerade die letzteren Apotheken die Grundversorgung mit Arzneimitteln, und sie fungieren zudem als soziale Anlaufstellen vor Ort, vor allem für Kinder und alte Menschen. Außerdem sind sie ein Garant für die Sicherheit bei der Arzneimittelanwendung im ambulanten Bereich.

Freundlichkeit und Kompetenz ganz oben

Die Referentin führte in diesem Zusammenhang eine Studie des Instituts für Handelsforschung aus dem Jahr 2009 an, nach welchen Kriterien die Patienten /Kunden eine Apotheke auswählen. Diese Studie hat gezeigt, dass die Freundlichkeit der Mitarbeiter und Kompetenz bei der Beratung im Ranking mit weitem Abstand obenan stehen. Mehr als 75% der Befragten halten beides für sehr wichtig. Sonderangebote und Aktionspreise werden dagegen zu gleichen Teilen (ca. 30%) für eher wichtig oder eher unwichtig gehalten. Für völlig unwichtig werden Kundenzeitschriften von rund 32% der Befragten gehalten und Kundenkarten gar von mehr als 42%.


Hoher Preis für kurzfristige Gewinne

Neben dieser Legitimation der unabhängigen Apotheken kommt für Dunin von Przychowski eine weitere unter Kostengesichtspunkten hinzu. Sie hält sie beileibe nicht für überflüssig und teuer. Auch wenn Versandhandelsfirmen die unpersönliche Bestellung und Verteilung vielleicht preiswerter erledigen können als öffentliche Apotheken, auch wenn Supermärkte mit Rabattaktionen und Talern vielleicht höhere Umsätze erzielen, indem sie damit mehr Arzneimittel an den Mann bringen, auch wenn Videoberatung billiger ist, zerstören Politiker, die dies alles erlauben, ein derzeit noch ganz gut funktionierendes Gesundheitssystem. Hierfür werden künftige Generationen schließlich einen noch höheren Preis zahlen müssen, meinte Dunin von Przychowski.

Auf Glaubwürdigkeit achten

Sie appellierte vor diesem Hintergrund abschließend an ihre Berufskolleginnen, sich in der Apotheke vor Ort ausreichend Zeit für die pharmazeutische Beratung zu nehmen, die Wünsche der Patienten zu hinterfragen, im Auftreten stets glaubwürdig zu bleiben und den eigenen Beruf nicht zu missbrauchen oder sich selber missbrauchen zu lassen.

Berufspolitisch steht die Leiterin einer Filialapotheke in Berlin felsenfest hinter ihrem Wunschtraum von der "pharmazeutisch-sozialen Kiezapotheke", in der, so prognostiziert sie, auch Politiker und Ökonomen im Alter sicher einmal persönlich, sozial, medizinisch und vor allem menschlich versorgt werden wollen.

Tätigkeitsfelder für Apothekerinnen – pro und kontra

Apothekerin Dr. Anne Lewerenz, Leipzig, berichtete aufgrund eigener Erfahrungen über die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie. Sie selber hat bereits mehrere berufliche Stationen durchgemacht, darunter fünf Jahre in Forschung und Lehre an der Hochschule, jeweils drei Jahre in der öffentlichen Apotheke und in der Industrie und weitere vier Jahre in Behörden, wo sie auch heute als Überwachungsbeamtin tätig ist. Lewerenz verfügt daher über gute Vergleichsmöglichkeiten.

Hochschule: Für die Hochschule sprechen aus ihrer Sicht die flexiblen Arbeitszeiten, eventuell auch Arbeitsorte, Widereinstiegsstipendien und universitäre Kinderbetreuung, soweit diese angeboten wird; dagegen sprechen befristete, projektbezogene Arbeitsverhältnisse.

Öffentliche Apotheke: Nachteilig an der Tätigkeit in der öffentlichen Apotheke findet Lewerenz die langen Öffnungszeiten, Samstagsarbeit und Notdienste. Andererseits kann die Offizin mit einem wohnortnahen Arbeitsplatz, Teilzeitarbeit und einer häufig unbefristeten Anstellung punkten. Auch der Wiedereinstieg nach einer Elternzeit ist meist problemlos, sofern die Auszeit nicht zu lang ist.

Pharmaindustrie: Für die Tätigkeit in der Industrie hat Lewerenz die längste Kontra-Liste zusammengestellt. Hier fallen je nach Einsatzbereich oft Meetings zu familienungünstigen Zeiten sowie mehrtägige Dienstreisen ohne Freizeitausgleich an, und Überstunden sind für die Karriere essenziell. Arbeit in Teilzeit ist selten möglich, und der Wiedereinstieg nach längerer Familienpause ist meist schwierig. Als positiv sind demgegenüber unbefristete Anstellungsverhältnisse und eine angemessene Bezahlung in die Waagschale zu werfen.

Behörden: In Behörden verfügen Überwachungsbeamte – als solche arbeitet Lewerenz – über relative flexible Arbeitszeiten. Arbeit in Teilzeit und sogar zu Hause sind in besonderen Umständen ebenfalls einzurichten. Auch langfristig ist die Perspektive wegen der häufig unbefristeten Anstellung und des recht leichten Wiedereinstiegs nach einer Elternzeit günstig. Jedoch schlagen auch hier zahlreiche Dienstreisen negativ zu Buche.

Flexiblere Elternzeitmodelle wünschenswert

Aus Sicht von Lewerenz ist es bei guten Rahmenbedingungen für Frauen in Pharmaberufen selbstverständlich möglich, Familie und Beruf zu vereinbaren, aber auch sie ist als Alleinerziehende zum Beispiel auf die Betreuung ihrer siebenjährigen Tochter durch den Hort oder durch ihre Eltern angewiesen. Da Lewerenz die Familiengründung und die Erziehung prinzipiell als wichtige gesundheitspolitische Aufgabe für Mütter und Väter betrachtet, wünscht sie sich in erster Linie flexiblere Elternzeitmodelle für Mütter, Väter und auch für Großeltern sowie einen Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung in wohnortnahen Kindertagesstätten für alle Kinder von 1 – 7 Jahren. Außerdem müsste die Akzeptanz, dass Väter in Elternzeit gehen, deutlich verbessert werden.


Dr. Helga Blasius, Remagen



DAZ 2011, Nr. 14, S. 110

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.