Fachmedien

In gerechteren Gesellschaften sind die Menschen gesünder

Ein schlechter Gesundheitszustand ist nicht nur eine Folge von Armut, sondern auch von Einkommensungleichheit. In Gesellschaften mit größerer Ungleichheit sind es nicht nur die Ärmeren, die unter einem schlechteren Gesundheitszustand leiden. Es sind auch die Besser- und Gutverdienenden, denen es gesundheitlich durchschnittlich schlechter geht als den Menschen vergleichbarer sozialer Schichten in Ländern mit mehr Einkommensgleichheit. Dies ist eine der Kernaussagen des Buches "Gleichheit ist Glück", in dem Richard Wilkinson, Professor Emeritus für soziale Epidemiologie der Nottingham Medical School, und Kate Pickett, Professorin für Epidemiologie an der University of York, ihre Ergebnisse aus jahrzehntelanger Forschung zusammengefasst haben.

Sie und andere Forscher fanden in unzähligen Forschungsarbeiten, die zu einem guten Teil in renommierten Fachzeitschriften publiziert sind, heraus, dass auch andere soziale und gesundheitliche Faktoren wie Lebenserwartung, Übergewicht, Drogenkonsum, Bildung, Geburtenrate bei Minderjährigen, Gewalt und Mobbing an Schulen, Verbrechensrate und nicht zuletzt die soziale Mobilität statistisch signifikant davon abhängen, wie ungleich die Einkommensverteilung innerhalb einer Gesellschaft ist.

Ab einem gewissen Einkommensniveau, das etwa auf der Höhe dessen von Kuba liegt, ist es nicht mehr die Höhe des Durchschnittseinkommens, die es den Menschen immer besser gehen lässt, sondern die Verteilung des Einkommens: Die USA sind wohlhabender und geben pro Kopf mehr für ihr Gesundheitswesen aus als jedes andere Land. Trotzdem hat ein Baby, das in Griechenland geboren wird, wo das Durchschnittseinkommen nur halb so hoch ist wie in den USA, aber größere Einkommensgleichheit herrscht, ein geringeres Risiko, als Säugling zu sterben und eine höhere Lebenserwartung. Übergewicht kommt in Großbritannien doppelt so häufig vor wie in Schweden oder Norwegen und sechsmal häufiger in den USA als in Japan. Großbritannien und die USA gelten als reiche Länder mit großer Einkommensungleichheit.

Was ist es aber genau, was sich in Gesellschaften mit relativ großer sozialer Ungleichheit so verheerend auswirkt? Eine Antwort, der das Buch nachgeht, basiert auf den Folgen der Statusangst, des Stresses, den Hierarchie (denn nichts anderes ist Ungleichheit) erzeugt: Indische Kinder aus niedrigeren Kasten schneiden bei kognitiven Tests schlechter ab, wenn sie ihre Herkunft vor dem Test offenlegen müssen; Paviane hohen Ranges weisen stark gestiegene Stresshormon-Werte auf und werden öfter krank, wenn sie in eine Gruppe verlegt werden, in der sie nicht mehr dominieren. Den im Buch zusammengetragenen Forschungsergebnissen zufolge macht Statusangst-bedingter Stress krank, dick und drogensüchtig, er entlädt sich in diversen Formen von Gewalt und Mobbing und führt zu Misstrauen in der Gesellschaft. Die Einkommensungleichheit fördert das Konsumdenken, erschwert eine nachhaltige Lebensweise und einen weltweit fairen Umgang mit der Klimakrise. Das Wettrüsten der Statussymbole erzeugt immer neuen Stress auf allen Ebenen der Gesellschaft.

Was folgern Wilkinson und Pickett daraus? Der Notwendigkeit eines immer weiter gehenden Wirtschaftswachstums in den reichen Industrienationen erteilen sie eine klare Absage. Stattdessen fordern sie einen gesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Gleichheit des Geldes und der Chancen.

Dass die in dem Buch vorgelegten Forschungsergebnisse und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen nicht unwidersprochen bleiben, ist nicht verwunderlich. Wilkinson und Pickett gehen in einem zusätzlichen Kapitel der dritten Auflage ihres Buches eingehend darauf ein. Ebenso können sich Interessierte auf der Website ihrer Stiftung "The Equality Trust" (www.equalitytrust.org.uk) ausführlich mit den von diversen Seiten vorgetragenen Einwänden auseinandersetzen. Dabei kann die vorgebrachte Kritik meines Erachtens die Bedeutung des Buches bezüglich der Frage, wie wir künftig leben wollen, nicht schmälern. Somit ist mit der "Berliner Zeitung" festzustellen: "Ein fulminantes Buch, an dem künftig keiner mehr vorbei kommt."


Dieter Kaag, Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Thoraxklinik Heidelberg


Richard Wilkinson und Kate Pickett, Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind, 3., erweiterte Auflage 2010, 386 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und Illustrationen, 19,90 Euro.

Verlag Haffmans und Tolkemitt, Berlin.

ISBN 978-3-942048-09-5

Einfach und schnell bestellen


Per Post: Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart

Per Telefon: 0711 – 2582 341

Per Fax: 0711 – 2582 290

Per Freecall: 0800 – 2990 000 (zum Nulltarif mit Bandaufzeichnung)

Per E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de

Im Internet: www.buchoffizin.de




DAZ 2011, Nr. 14, S. 137

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.