Interpharm 2011

Das metabolische Syndrom der Haut

In der Dermatologie wird derzeit der Einfluss insulinotroper Nahrungsmittel auf die Entstehung der Akne diskutiert. Durch eine falsche Ernährung werden pathophysiologische Prozesse unterstützt und die Symptomatik verschlechtert. Prof. Dr. Bodo Melnik, Gütersloh, erläuterte diese Vorgänge auf molekularer Ebene und setzte sie in den Kontext westlicher Zivilisationserkrankungen.
Foto: DAZ/Reimo Schaaf
Prof. Dr. Bodo Melnik

Melnik bezeichnet die Akne als epidemische Zivilisationskrankheit, deren Ursachen in Fehlentwicklungen der westlichen Lebensart liegen. So ist in ursprünglichen Kulturen die Akne so gut wie unbekannt, in westlichen Ländern steigt ihre Prävalenz indes stetig an und liegt derzeit bei über 80%. Ferner tritt in westlichen Ländern die Akne in immer früheren Lebensjahren auf und neigt zur Persistenz, so dass zunehmend auch über Dreißigjährige an der Hauterkrankung leiden. In Populationen jenseits der westlichen Kultur wie etwa bei den Kitava-Insulanern aus Papua-Neuguinea ist die Akne unbekannt. Es liegt nun nahe, die Ursache hierfür in der Lebensart und vor allem in der Ernährung zu suchen. So ist die westliche Ernährung reich an insulinotropen Nahrungs- und Genussmitteln, die in Neuguinea keine Rolle spielen. Zu den hyperinsulinotropen Nahrungsmitteln gehören Milch und Milchprodukte mit hohem glykämischem Index sowie Kohlenhydrate mit hohem glykämischem Index. Bei der Kombination insulinotroper Nahrungsmittel wie etwa Molkeproteinen mit Kohlenhydraten wird die Wirkung noch potenziert. Etwa die Hälfte unserer Nahrungsmittel wird als insulinotrop eingestuft.

Paläolithische Diät


Bei der paläolithischen Diät sollen insulinotrope Nahrungsmittel mit hohem glykämischem Index gemieden werden. Darunter fallen Milch, Milchprodukte, vor allem Produkte mit Milchmolke, Zucker, Getreide und Kartoffeln. In der Regel dauert es zwischen acht und zwölf Wochen, bis eine Besserung der Akne einsetzt.

Einige Zahlen zu insulinämischen Indices:

Milch: 140

Rindfleisch: 51

Käse: 45


Akne-induzierende Signale konvergieren im PI3K/Akt-vermittelten nukleären Export des Transkriptionsfaktors FoxO1.

Insulinotrope Wirkung der Milch

Milch- und Milchprodukte haben die intrinsische Fähigkeit, einen hohen Insulinspiegel zu induzieren, was in einem pathologischen Anstieg von IGF1 (Insulinartiger Wachstumsfaktor) resultiert. Da in der Pubertät bereits physiologisch gesteigerte Wachstumssignale vorliegen, potenzieren sich diese Wirkungen, die durch Rauchen nochmals verstärkt werden (s. Abbildung). Nutritiv hochregulierte Wachstumsfaktoren aktivieren den Phosphoinositol-3-Kinase/Akt-Signalweg, was zu einem vermehrten Export von FoxO1 aus dem Zellkern führt. In der Folge wird die Aktivität des Androgenrezeptors (AR) gesteigert und es kommt zur Enthemmung FoxO1-supprimierter Zielgene. Folglich kann auf Genomebene die Akne auf einen Mangel des nukleären Transkriptionsfaktors FoxO1 zurückgeführt werden. FoxO1 im Nukleus hemmt den Androgenrezeptor und weitere Schlüsselgene der Zellproliferation, der Lipidbiosynthese und entzündlicher Zytokine. Fehlt also FoxO1, werden Akne-typische Prozesse wie die Aktivierung des Androgenrezeptors, die Komedogenese, die Lipogenese, Entzündungen und die Insulinresistenz verstärkt. Alle bekannten Akne-induzierenden Faktoren verursachen eine Verminderung der nukleären Konzentration von FoxO1.

Möglicherweise kann eine Diät mit Lebensmitteln, die den IGF1 -Spiegel nicht erhöhen, auch weitere präventive Wirkungen zeigen. So sind etwa Mamma- und Prostatakarzinome mit einem erhöhten IGF-Spiegel assoziiert. Umgekehrt haben Menschen mit einem kongenitalen IGF1 -Mangel ein geringes Diabetes- und Krebsrisiko, auch tritt bei ihnen keine Akne auf. Die Korrektur einer chronischen hyperinsulinotropen Fehlernährung könnte der Entwicklung von Zivilisationserkrankungen wie Adipositas, Diabetes mellitus, Tumorleiden und degenerative Erkrankungen vorbeugen.


Beim üppigen Buffet in Hagenbecks Tropen-Aquarium dachte bei der Interpharm-Party niemand mehr an eine hyperisulinotrope Ernährung oder an eine paläolithische Diät. Es wurde in einem fantastischen Umfeld bei bunten Fischen und großen Krokodilen bis in die frühen Morgenstunden gefeiert und getanzt.
Foto: DAZ/Reimo Schaaf

Retinoide erhöhen FoxO1

Zur Therapie der Akne werden Topika wie etwa Benzoylperoxid, Retinoide, Adapalen, Erythromycin, Azelainsäure, systemische Therapeutika wie Tetracycline oder Antiandrogene sowie diätetische und physikalische Maßnahmen eingesetzt. Das wichtigste und wirksamste Aknetherapeutikum ist Isotretinoin, das alle pathogenetischen Faktoren der Akne beeinflusst. Isotretinoin ist ein Prodrug, das in der Zelle zu alltrans-Retinsäure (ATRA) isomerisiert und an kleinmolekulare Lipidtransportproteine gebunden wird. Dieser Komplex wird zum Retinsäure-Rezeptor transportiert, der pro-apoptotische Signale vermittelt und in der Folge die gewünschte Apoptose der Sebozyten einleitet. Die Bindung von ATRA an ein weiteres Protein (fatty acis binding protein-5) führt über mehrere Stufen zu der komedolytischen Wirkung der Retinoide. Durch die Aktivierung des Retinsäure-Rezeptors werden FoxO-Transkriptionsfaktoren hochreguliert und somit FoxO-vermittelte Apoptosen eingeleitet. Alle erwünschten und unerwünschten Wirkungen von Isotretinoin lassen sich durch FoxO-vermittelte pro-apoptotische Signaltransduktionen erklären.


pj



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DAZ 2011, Nr. 14, S. 56

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