Interpharm 2011

... aus homöopathischer Sicht

Den Stellenwert der Homöopathie bei gastrointestinalen Erkrankungen beleuchtete Dr. med. Markus Wiesenauer, Kernen-Stetten. Beispielhaft stellte er zwölf Mittel vor, die zur Selbstmedikation geeignet sind.
Foto: DAZ/Reimo Schaal
Dr. med. Markus Wiesenauer

Was wann infrage kommt, ist im Wesentlichen abhängig von Ursache und Verlauf einer Erkrankung (s. Tab.). Während zum Beispiel ein viraler Magen-Darm-Infekt neben den notwendigen Basismaßnahmen Flüssigkeitszufuhr und Elektrolytsubstitution durchaus allein homöopathisch behandelt werden kann, lässt sich die Homöopathie bei chronisch verlaufenden Magen-Darm-Erkrankungen als Add-on einsetzen.

Nux vomica D6 gehört in den Bereich Gastritis, und zwar als rasch wirkendes Mittel für Patienten mit einer ungesunden Ernährungsweise und "für alle, die all-inclusive buchen". Daneben ist Nux vomica D6 bei Krebspatienten als supportive Therapie gegen Zytostatika-assoziiertes Erbrechen angebracht, auch zusätzlich zu MCP. Dreimal täglich eine Tablette Nux vomica D6 kann außerdem an geriatrische Patienten verabreicht werden, die täglich mehrere magenunverträgliche Pharmaka einnehmen müssen.

Argentum nitricum D12 kommt demgegenüber infrage für nervöse Patienten, die bei Stress Magen-Darm-Beschwerden bekommen, oder auch bei Personen mit psychosomatischem, nicht infektiösem Durchfall. Da das Beschwerdebild in Richtung chronisch-entzündliche Darmerkrankungen geht, bietet sich Argentum nitricum D12 auch als Add-on bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa an.

Tab.: Homöopathika in der Gastroenterologie

Mittel
Causa/Lokalisation
Leitsymptome
Nux vomica
Reiz- und Arzneimittel,
ungesunde Ernährungsweise
  • Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen
  • Neigung zu Obstipation mit Darmspasmen
Argentum nitricum
Emotionale Ereignisse,
Vorahnungen
  • Hastiges Essen mit Verlangen nach Süßem
  • Aufgetriebenes Abdomen, Blähungen
  • Sodbrennen, nicht-infektiöser Durchfall
Robinia
Ernährungsweise (Reizmittel);
Schwangerschaft
  • Saures Aufstoßen, Sodbrennen, alles schmeckt sauer
  • Säuerlich riechender Stuhlgang
Sepia
Ernährungsfehler;
Schwangerschaft
  • Nüchternübelkeit, Ekel vor Speisegerüchen
  • Auffallendes Verlangen nach Saurem
Lycopodium
Leberfunktionsstörung,
Divertikulose
  • Ausgeprägtes Hungergefühl, aber nach wenigen Bissen Sättigungsgefühl; starke Blähungen, Aufstoßen
  • Typische Verschlechterung am Nachmittag
Okoubaka
Kost- und Klimaumstellung;
Antibiotika
  • Durchfall, danach Verstopfung, Blähungen, Völlegefühl, Aufstoßen
Veratrum album
Infekt, verdorbene Speisen
  • Heftiger Brechdurchfall mir Bauchkrämpfen,
  • Akute Kreislaufschwäche: blass-schweißig, Frieren
China
Anhaltender Flüssigkeitsverlust;
Entzündung
  • Schwächezustand, Schweiß, Schwindel
  • Durchfälle, Rumoren und Gurgeln im Abdomen
Chamomilla
Emotionale Ereignisse; Reizmittel;
Zahnen
  • Anfallsartige Bauchschmerzen mit Krämpfen
  • Drei-Monats-Koliken; Durchfall, wunder Po
Pulsatilla
Ernährungsfehler; Zahnen
  • Durcheinander-Essen (Fettes, Kaltes): Aufstoßen, pappiger Mundgeschmack; Brechdurchfall
Rheum
Infekt; Zahnen
  • Säuerlich riechender, schäumender Durchfall
  • "Sommerdurchfall" mit Bauchkrämpfen
Alumina
Ernährungsfehler;
mangelnde Flüssigkeitszufuhr
  • Harter, trockener Stuhlgang, klebt wie Kitt, muss stark pressen

Robinia D6 kann z. B. Schwangeren gegen Sodbrennen gegeben werden, und zwar drei- bis viermal täglich fünf Kügelchen. Als sehr zuverlässig wirkendes Mittel bei Schwangerschaftserbrechen führte Wiesenauer Sepia D12 an. Da Ekel auch ein Leitsymptom bei Herpes ist, kann das Mittel auch hier gegeben werden – und dann selbstverständlich auch Männern.

Lycopodium D6 bezeichnete Wiesenauer als "das Arzneimittel für die Hosenträger", das heißt Patienten mit Divertikulose, die meist keine eng anliegende Kleidung tragen können. Sie sollten eher basen- oder schlackenreich essen und zur symptomatischen Behandlung vier bis fünf Monate lang dreimal täglich fünf Kügelchen einnehmen, wobei sie jeweils nach drei Wochen Medikation eine Woche pausieren.

Okoubaka D3 (dreimal fünf Kügelchen) empfiehlt sich bei Reisediarrhö oder -obstipation, da es regulierend auf die Darmfunktion und die Darmflora wirkt, wie übrigens auch auf die Vaginalschleimhaut bei Vaginalmykosen. Daneben kann Okoubaka D3 auch beim Reizdarmsyndrom indiziert sein, das sich als pathognomonisches Zeichen vielfach in einem gelblich-weißlichen Zungenbelag manifestiert, und zwar über drei Monate jeweils für drei Wochen mit einer Woche Pause, sowie bei akutem Virus-bedingtem Durchfall, hier auch bei Kleinkindern. Bei den meisten chronisch rezidivierenden Infekten hält Wiesenauer Okoubaka sogar für das Mittel der Wahl.

Dosierungsschema


Allgemeine Dosierungsempfehlungen bei gastrointestinalen Erkrankungen:

Bei akuten Beschwerden: am 1. Tag stündlich, am 2. Tag etwa alle zwei Stunden, ab 3. Tag dreimal täglich

Bei chronischen Verläufen: zwei- bis dreimal täglich

Kleinkinder: drei Globuli

Schulkinder und Erwachsene: fünf Globuli

Alte Menschen: eine Tablette

Bei akuten Durchfallerkrankungen können auch Okoubaka und Veratrum album D6 als freie Kombination alternierend gegeben werden.

China D3 würde Wiesenauer als Add-on bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen einsetzen sowie bei geschwächten Patienten, auch Kindern, nach überstandenen Brechdurchfällen, da es auf den anhaltenden Flüssigkeitsverlust abzielt. Insofern kommt es auch als Roborans bei Stillenden infrage.

Chamomilla D12 empfiehlt sich als Spasmolytikum und Spasmoanalgetikum bei Dysmenorrhö, aber auch bei zahnenden Kindern mit wundem Po. Hier kann auch Rheum D6 verabreicht werden.

Alumina kann bei alten Menschen mit Sondenernährung gegeben werden oder auch bei Kleinkindern, bei denen die Nahrung umgestellt wird.

"Pulsatilla D6 ist der Klassiker für die Kinderparty: Mohrenkopfwettessen, nachgespült mit Bionade, dann Pommes mit Ketchup, dann Möpi-Eis … Und was gibt’s am Ende? Würfelhusten."

Dr. Markus Wiesenauer


hb



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DAZ 2011, Nr. 14, S. 90

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