DAZ wissenswert

Schlachtnebenprodukte – Abfall oder Wertstoff?

Ob Schnitzel oder Bratwurst – die meisten Deutschen essen Fleisch. Aber was macht man mit Knochen, Blut und Gedärmen? Die Frage des Umgangs mit energie- und nährstoffreichen Schlachtabfällen ist nach der BSE-Krise zurück auf der politischen Tagesordnung. Die Debatte kreist um die Themen Gesundheit, Nachhaltigkeit und Verschwendung von Energie.
Das Fett im Knochen diente im 20. Jahrhundert u. a. zur Herstellung von Cremes (li.) und Seife (re.). Aus den übrigen Bestandteilen (Mitte) wurden u. a. Tierfutter, Leim und Arzneistoffe hergestellt.

Essen birgt immer die Gefahr, durch Nahrungsmittel krank zu werden. Dies ist vermutlich ein Grund für uralte rituelle Speisegebote und ‑verbote. Die alten Griechen hatten schon eine Art Marktpolizei, die das angebotene Fleisch "beschaute". Die Römer bestraften den Verkauf unbeschauten Fleisches. Papst Zacharias (741 – 752) erließ eine Marktordnung mit dem Verbot kranker und verendeter Tiere.

Im 13. Jahrhundert ist für Basel die Trennung des "sauberen" Fleisches vom "unsauberen" auf den Märkten verbürgt. Der Obermarkt bot das schiere Fleisch dar, der untere mit seinen "Freibänken" die Kutteln und Eingeweide. Geschworene Meister der Metzgerzunft hatten die Qualität zu begutachten und dafür zu bürgen.

In dieser Zeit kam die Idee auf, das Schlachten zu zentralisieren. Ulm und Liegnitz waren mit die ersten Städte, die den Metzgern die Nutzung des städtischen Schlachthofs vorschrieben, um sie leichter kontrollieren zu können. Doch es gab auch Rückschläge. Im 16. Jahrhundert scheint das Färben und Wässern des Fleisches weit verbreitet gewesen zu sein, um mangelnde Qualität zu kaschieren.

Anfänge der Veterinärmedizin

Bis ins 18. Jahrhundert beruhte der Umgang mit kranken Tieren auf Empirie. Dann führte die Aufklärung auch hier zu einem Umdenken. Die erste Tierarzneischule entstand 1777 in Gießen; anderswo wurde die Veterinärmedizin an Landwirtschaftsschulen unterrichtet.

Andreas Gerlach (1811 – 1877), Direktor der Tierarzneischulen in Hannover und später in Berlin, verhalf der Fleischbeschau zum wissenschaftlichen Durchbruch. Als Voraussetzung dafür war eine zentralisierte Schlachtung unerlässlich.

Durch chemische und physikalische Prozesse wurden Knochen im 20. Jahrhundert zu vielfältigen Produkten veredelt. Dafür waren Benzin, Wasserdampf oder Salzsäure unentbehrlich.

Schlachthöfe zwingen zur Hygiene

1867 wurde das erste große Schlachtzentrum Europas errichtet: die Aliattoirs de la Vilette in Paris. 1893 sind dort 290.000 Rinder, 250.000 Kälber, 200.000 Hammel und 350.000 Schweine verarbeitet worden. Andere Metropolen folgten dem Beispiel, so Berlin 1881 mit dem Zentralvieh- und Schlachthof, der etwa die gleiche Kapazität hatte, so im ersten Betriebsjahr 125.000 Rinder, 110.000 Kälber, 650.000 Hammel und 390.000 Schweine.

Die "Union Stock Yards" in Chicago (1865 – 1971) waren damals schon zur Fleischmetropole ganz Nordamerikas aufgestiegen. Bis zu 12 Millionen Tiere wurden dort jährlich geschlachtet. Ohne Fließband und ohne Eisenbahn – der Viehhändler Gustavus Swift (1839 – 1903) hatte einen effizient mit Stangeneis kühlbaren Eisenbahnwaggon entwickelt – wäre das nicht möglich gewesen. Töten und Zerlegen eines Rindes dauerte gerade eine Viertelstunde.

Die grauenhaften hygienischen Zustände und Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen machte Upton Sinclairs (1878 – 1968) Buch "The Jungle" 1906 publik, worauf gewisse Hygienestandards verbindlich wurden. Das war überall bitter nötig. Laut "Brehms Thierleben" von 1883 erschlug man in den Aliattoirs innerhalb von vier Wochen 16.000 Ratten. Und in der nahen Abdeckerei sollen die Nager binnen einer Nacht mehrere Pferde bis auf die Knochen aufgefressen haben.


Kulinarische Filmtipps:


Delicatessen. Grandioser Film über Kannibalismus in einem Mietshaus; von Jean-Pierre Jeunet und Marc Caro. Frankreich 1990

Taxidermia. Sagenhafte Fresserei und weitere "Genüsse". Nichts für schwache Innereien; von György Pálfi. Ungarn 2006

Der Knochenmann. Schwarze Komödie mit einer Knochenmühle als Schauplatz des Geschehens; von Wolfgang Murnberger. Österreich 2009

Der Zentralvieh- und Schlachthof Berlins war von Anfang an besser ausgestattet. Er hatte Ställe, Kühlhäuser, Impfstationen und veterinärmedizinische Abteilungen und entsprach dem 1880 erlassenen "Gesetz, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen" (Tierseuchengesetz).

Einführung der Fleischbeschau

Tierseuchen wie Milzbrand (Bacillus anthracis), Tollwut (Lyssaviren), Rotz (Burkholderia mallei), Schweinerotlauf (Erysipelothrix rhusiopathiae), Trichinellosen (Trichinella), Schweine- und Rinderbandwurm (Taenia solium , T. saginata) oder Maul- und Klauenseuche (Aphthoviren) waren und sind gefährlich.

Die Schweinepest (SP-Virus), die vor allem von Wildschweinen übertragen wird, führte zum Verfütterungsverbot unbehandelter Speiseabfälle, der sogenannten Schweinesuppe. Denn das Virus wird durch einfachen Kontakt übertragen.


Essen wie zu Schillers Zeiten


In Schillers Geburtsstadt Marbach wird ein Menü mit Salat aus gehacktem Schweinedarm, panierten Schweineohren und gekochten Hühnerkrallen angeboten.

Gefürchtet war auch die Tuberkulose. Zwar hatte Robert Koch (1843 – 1910; Medizinnobelpreis 1905) 1882 den Erreger (Mycobacterium tuberculosis) identifiziert, aber noch 1901 behauptete er auf dem Londoner Tuberkulosekongress, die Rindertuberkulose (Mycobacterium bovis) sei für den Menschen kaum ansteckend. Das war falsch und fatal, denn etwa 30 Prozent der Rinder galten als infiziert. Bald darauf zeigte eine systematische Untersuchung von tuberkulösen Kindern bei 634 von 2562 Fällen einen bovinen Ursprung.


Tab. 1: Anteil von Lebensmitteln (Fleisch, Fett usw.) und Nebenprodukten bei Schlachttieren

Rind
Schwein
Huhn
Schaf
Lebensmittel
54%
62%
68%
52%
Schlachtnebenprodukte
46%
38%
32%
48%

Seit dem Reichsfleischbeschaugesetz vom 3. Juni 1900 ist die amtliche Fleischbeschau die wichtigste Kontrollinstanz zwischen der Primärproduktion und dem Verbraucher. Das für den Verzehr bestimmte Fleisch der Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde und Hunde muss seither vor und nach der Schlachtung amtlich untersucht werden.

Das mehrfach modifizierte Tierseuchengesetz zwang beispielsweise die Molkereien, die Milch zu zentrifugieren und den Zentrifugenschlamm zu vergraben oder zu verbrennen. Die Milch musste auf mindestens 90 °C erhitzt werden, bevor sie an Kälber verfüttert werden durfte.

Ansonsten waren die gesetzlichen Bestimmungen bis zum Jahr 1994 derart, dass fast alle Abfallprodukte vom Schlachtvieh weiterverarbeitet wurden (s. Grafiken und Tab. 1 u. 2).

Tab. 2: Hauptbestandteile von Schlachtnebenprodukten

Material
Hauptkomponenten
Fleisch, innere Organe, Blut
Albumine, Globuline, Lipide, Lipoproteine, Skleroproteine
Knochen
Kollagen, anorganisches Material
Sehnen, Knorpel, Häute, Ohren
Kollagen, Elastin
Horn, Hufe, Haare, Federn
Keratin

"Unehrliche" Abdecker

Jahrhundertelang arbeiteten die Abdecker oder Schinder Hand in Hand mit den Seifensiedern, denen sie das Fett lieferten.

Die Salpetersieder kochten die Fleischreste und Knochen, Gerber freuten sich über die Häute, und die Seiler verarbeiteten die Pferdeschwänze. Alle litten unter Zoonosen, vor allem unter Milzbrand, aber sie förderten die Gesundheit ihrer Mitbewohner, indem sie die Kadaver aus den Siedlungen entfernten.

Abdecker zählten im Mittelalter zu den "unehrlichen" Leuten. Ihr Gewerbe galt als anrüchig im Wortsinn. Sie mussten des Gestanks wegen außerhalb der Stadt siedeln und waren deshalb verdächtig, Gesindel und Gaunern Unterschlupf zu geben.

Das drückte sich auch in ihren Namen aus: Wasen- oder Kleemeister (nach der Behausung und Arbeitsstätte außerhalb der Stadt auf der Wiese oder nach Wasen = Dunst warmer und gärender Körper), Fallmeister (gefallene Tiere, die nicht mehr aufstehen können, gelten bis heute nicht als Lebensmittel), Luderführer oder Kafiller (von hebräisch kefal = abziehen); oft waren die Abdecker zugleich Scharfrichter.

Verständlicherweise waren Abdecker nicht nur verachtet, sondern auch gefürchtet. Begrub ein ehrbarer Bürger entgegen den Abdeckerprivilegien seine tote Katze hinter dem Haus, rammte der Schinder sein Abdeckermesser in dessen Türpfosten. Der anhaftenden Unehrlichkeit wegen wagte niemand, es herauszuziehen. Erst wenn die Gebühr bezahlt war, nahm der Abdecker es wieder an sich.

Kaiser Joseph II. (1741 – 1790) hob durch ein Patent von 1772 zumindest die Sippenhaft der Abdecker auf. Deren Kinder durften nun von den "ehrlichen" Handwerksberufen nicht mehr ausgeschlossen werden.

Sterile Tierkörperbeseitigung und -verwertung

Im 19. Jahrhundert wurden Wasenordnungen erlassen (in Liechtenstein noch heute gültig). 1934 gab es in Deutschland 7224 Wasenplätze sowie je 418 Wasenmeistereien und Verbrennungsanlagen. Das Tierkörperbeseitigungsgesetz bestimmte ab 1939 die Landkreise und kreisfreien Städte als verantwortlich. Tierkörper mussten mindestens 30 Minuten lang bei 130 °C sterilisiert werden. Tiermehle und Tierfette wurden weiterverwertet. Die Novelle von 1975 verlangte, dass die Tierkörperbeseitigung das Wiedergewinnen volkswirtschaftlich wertvoller Produkte, wie Tiermehl, Tierfett und Knochenschrot beinhaltet. Vor allem die Proteinrückgewinnung für Mischfutter wurde gefordert. Die für den menschlichen Verzehr nicht geeigneten Nebenprodukte müssen seither mit Sattdampf – 20 Minuten lang bei 133 °C und 3 bar – sterilisiert werden. Dies hat die EWG 1990 in ihr Regelwerk übernommen.


Zoonose?


Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis (MAP), der Erreger der Paratuberkulose der Wiederkäuer, wird seit Langem als mögliches ätiologisches Agens für den Morbus Crohn des Menschen diskutiert.

Verfütterungsverbote

Im Juli 1994 trat in der EU das Verbot in Kraft, Fleisch- und Knochenmehl von Wiederkäuern an Rinder, Schafe und Ziegen zu verfüttern (Änderung der Viehverkehrsverordnung). Um zu verhindern, dass verbotenes Material durch Kreuzkontamination in Futtermittel für Wiederkäuer gelangt, wurde dieses Verbot am 1. Januar 2001 auf die Verfütterung an Nichtwiederkäuer ausgeweitet; zugleich wurde die Verwendung von verarbeitetem tierischem Eiweiß (VTE) in Futtermitteln für alle Tiere, die zur Lebensmittelerzeugung gehalten werden, generell verboten. Ausgenommen davon sind Fischmehl, Blut von Nichtwiederkäuern und Calciumphosphat tierischen Ursprungs. Das Verbot impliziert beispielsweise, dass als Dünger ausgebrachtes Fleischknochenmehl nicht an den Feldfrüchten haften darf.

Deutschland hat darüber hinaus verboten, die Fette aller warmblütigen Landtiere zu verfüttern.

Die BSE-Gefahr ist gebannt

Die BSE-Krise hat nicht nur Minister das Amt gekostet. Zwischen 2001 und 2004 sind in Deutschland 1,6 Milliarden Euro für BSE-Tests ausgegeben worden. Je entdecktem infiziertem Rind waren das 1,6 Millionen Euro. Menschen sind nicht erkrankt. Dafür wurden jede Menge Rinder gekeult. Noch 2009 gab es 1,2 Millionen Testungen. Im Jahr 2010 wurden keine pathogenen Prionen mehr beim Rind gefunden.

BSE ist aber wohl nicht durch die Senkung der Sterilisationstemperatur unter die Sattdampfgrenze in Großbritannien entstanden, wie allgemein behauptet wird, sondern der Verzicht (aus Umweltschutzgründen) auf Fettlöser wie Perchlorethylen hat die Prionen die Sterilisation überstehen lassen. Immerhin sind auf dem Höhepunkt der BSE-Krise Hunderttausende Tonnen Rindermehl auf das Festland exportiert worden, ohne dass es zu großen Infektionen gekommen ist. Wahrscheinlicher ist, dass das Spritzen von Wachstumshormonen aus Rinderhirnen die pathogenen Prionen im Viehbestand verbreitet hat. Die Tiermehlhypothese hat die Kosten des Schadens "europäisiert", anstatt sie der britischen Pharmaindustrie anzulasten.

Zugleich sind den Tierkörperverwertern über Nacht Absatzmärkte und Arbeitsplätze weggebrochen. Die Fleischmehlindustrie wurde geächtet wie einst die Abdecker. Seitdem gehen wertvolle Rohstoffe vor allem in Rauch auf. Dies, obwohl sich in Deutschland niemand über BSE Sorgen machen müsse, so Professor Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit) in Greifswald. Es reiche aus, das Verfüttern tierischer Fette und Proteine innerhalb derselben Art zu verbieten.

Risikomaterial vernichten

Heute sind die Schlachthöfe aus den Stadtbildern verschwunden. Die meisten Metzger schlachten nicht mehr selbst, sondern werden von etwa 300 Großschlachtern und knapp 1000 Zerlegebetrieben versorgt.

Die Abdeckereien haben sich zu hochspezialisierten Rohstofferneuerern gewandelt. Die mehr als 40 Unternehmen in Deutschland sind nach den drei Risikokategorien ihrer Rohstoffe getrennt (s. Kasten).


Verwertungskategorien


Die drei Verwertungskategorien von Schlachtnebenprodukten

Kategorie 1 (K1):

TSE, SRM, Material mit unbestimmbarem Risiko, Heim-, Zoo-, Zirkus-, Labortiere, umweltkontaminiertes Material

Kategorie 2 (K2):

Material, das ein Tierseuchenrisiko enthalten kann; z. B. Stalltiere, die nicht mehr aufstehen können; Material mit Rückständen wie Pharmaka, Hemmstoffe

Kategorie 3 (K3):

Genussuntaugliche tierische Nebenprodukte von gesund geschlachteten Tieren, ohne Anzeichen für eine ansteckende Krankheit

Zur Kategorie 1 zählen TSE-verdächtiges Material (TSE = transmissible spongiforme Enzephalopathien) und spezifiziertes Risikomaterial (SRM), also Gehirn und Rückenmark der Wiederkäuer. Sie müssen verbrannt werden (Tab. 3).

Material der Kategorie 2 kann u. a. zur Synthese von Biogas und zur technischen Nutzung der Fette dienen.

Aus K3-Material werden u. a. Tiermehl, Blutmehl, Knochenschrot und Fett hergestellt. Das Fett wird großenteils bei der Bearbeitung der Haut gewonnen.


Tab. 3: Verwendung der Schlachtabfälle im Jahr 2009, in Tonnen

Kategorie
Lebens-
mittel
Futter-
mittel
Technische Verwendung
Verbrennung*
1
4.675
374.511
2
71.522
9.120
3
54.566
282.825
418.631
11.250
* Einschließlich "thermische Verwendung". Quelle: Harald Niemann, persönliche Mitteilung

Tierisches Fett wieder im Kommen

Heute liefert die Ölpalme (Elaeis guineensis) weltweit ein Drittel des Speiseöls. Doch der Markt ist im Umbruch, da immer mehr Öl zu Biodiesel verarbeitet wird. Dies macht die tierischen Fette wieder interessanter. Sie sind nahezu universell einsetzbar: vom Frittierfett über die Wurst und die Fleischverarbeitung bis hin zu Soßen, Fertiggerichten, Suppen, Gemüse, Brot, Eis oder Biskuit. Raffiniertes Rindertalg ist ideal für die Zubereitung von Pommes frittes, denn es enthält nur 0,2 Prozent freie Fettsäuren, ist beim Erhitzen auf 190 °C rauchfrei, ist geruchs- und geschmacksneutral und verstärkt – im Gegensatz zu den Pflanzenölen – den Eigengeschmack der Kartoffel.

Die Oleochemie schätzt Talg und Fett als Ausgangsstoffe für Reinigungsmittel, Kerzen oder Schmiermittel oder auch in der Kosmetik. Natürlich sind sie auch Bestandteile der Heimtiernahrung bei Trocken- und Nassfutter.

Verarbeitetes tierisches Eiweiß statt Soja

Aus Blut, Gewebe und Knochen gewonnenes Tiermehl darf nicht an Warmblüternutztiere verfüttert werden. Um es dennoch zu nutzen, wird es in seine Bestandteile getrennt. Von ihnen ist das "verarbeitete tierische Eiweiß" (VTE, engl. Processed animal protein, PAP) am wertvollsten.

Zur Vernichtung von Prionen kann auf den Heißdampf zugunsten der sauren Hydrolyse verzichtet werden. Diese spaltet die Eiweiße in Fraktionen kleiner als 30 kD auf. Damit ist die Prionenfreiheit gewährleistet. Copa-Cogeca, der Dachverband der europäischen Bauern, fordert deshalb, die Verfütterung von PAP mit Einschränkungen zu erlauben.


"Tiermehl war gestern, heute geht es um verarbeitete tierische Proteine."

Friedlinde Gurr-Hirsch, Landwirtschaftsministerium B.-W., 2009.

Derzeit hat die EU bei Futterproteinen einen Selbstversorgungsgrad von weniger als 30 Prozent und importiert vor allem Sojaeiweiß. Da die Antiproteasen der Sojabohne (Glycine max) die Proteinasen Trypsin und Chymotrypsin im Schwein und Geflügel hemmen, muss das Sojaeiweiß hitzebehandelt werden. Sonst würden die Tiere unter schlechter Verdauung und Mangel an schwefelhaltigen Aminosäuren leiden, und die Bauchspeicheldrüse würde sich krankhaft vergrößern, da sie übermäßig Trypsin ausschüttet.

Ein weiterer Kritikpunkt am Sojaeiweiß ist die Ausweitung der Anbauflächen vor allem in den Schwellenländern. Rund 150.000 Tonnen PAP könnten in Deutschland hergestellt werden. Wegen ihrer besseren Verdaulichkeit könnten sie 300.000 Tonnen Sojabohnen ersetzen.

EU-Kommission will Verfütterungsverbot lockern

Das Bundesernährungsministerium gibt jährlich 50 Millionen Euro zur Erforschung nachwachsender Rohstoffe aus – leider sind "tierische Nebenprodukte" nicht dabei. Allerdings will die EU-Kommission mit ihrem "zweiten Fahrplan für die TSE-Bekämpfung" das Verfütterungsverbot lockern. Sie stellt drei Bedingungen:

1. muss die saubere Trennung des K3-Materials aus Wiederkäuern und die Entfernung des SRM gewährleistet sein.

2. muss der Ausschluss des K2-Materials durch die Markierung mit dem ungiftigen und vom Fleisch nicht abwaschbaren Glyceroltriheptanoat (GTH), einer farblosen künstlichen Fettsäure, überall nachweisbar sein.

3. muss die Fütterung von Material derselben Spezies ausgeschlossen sein (Kannibalismusverbot).


"Für das Jahr 2050 wird eine Weltbevölkerung von circa neun Milliarden Menschen prognostiziert. Können wir vor diesem Hintergrund auf Schlachtnebenprodukte als Eiweißquelle verzichten?"

Josef Kamphues

Wenn diese Regeln in allen EU-Mitgliedstaaten gewährleistet sind, überprüfen europäische Laboratorien mit Ringversuchen die Praxis (Validierungsphase). Bei positivem Ergebnis wird die EU-Kommission die Lockerung vorschlagen, und die Politiker müssen entscheiden. Polen und die Niederlande sind Vorreiter der Lockerung, Deutschland und Österreich treten zurzeit auf die Bremse.

Schweine und Geflügel erkranken nicht an BSE. Deshalb sagt Professor Josef Kamphues von der Tierärztlichen Hochschule in Hannover: "Viele anlässlich der BSE-Krise getroffene Maßnahmen haben sich, wie der Erfolg zeigt, als höchst wirksam erwiesen, einige sollten aber hinsichtlich der Notwendigkeit ihrer Anwendung im Bereich der Schweine- und Geflügelfütterung überdacht werden, um so wertvolle Rohstoffe wieder zu nutzen."


Thema im Netz


Zoonose-Verbund

www.zoo-map.de

Schweinemuseum in Stuttgart

www.schweinemuseum.de

Saria Biotechnologies

www.saria.de

Friedrich-Loeffler-Institut www.fli.bund.de

STN – Servicegesellschaft Tierische Nebenprodukte

www.stn-vvtn.de


Literatur

Hendrik Sattelmair: Die Tuberkulose des Rindes – ein Beitrag zur Geschichte der Haustierkrankheiten. Diss., Freie Universität Berlin, 2005.

Aline Silja Schlüter: Die amtliche Fleischuntersuchung der Tierart Rind in Deutschland: Retrospektiven, Status quo und Perspektiven. Diss., LMU München, 2006.

Anne-Katrin Eder: Vom Fleischbeschauer zum amtlichen Fachassistenten – Entwicklung der gesetzlichen Grundlagen des Berufbildes von 1900 bis 2006. Diss., LMU München, 2006.

Gerhart Braunegg et al.: Tierreststoffverwertung. Verwertung von Reststoffen aus Schlachtung und Fleischverarbeitung mit hoher Wertschöpfung. Bundesministerium für Innovation, Österreich. Berichte aus Energie- und Umweltforschung 60/2006.

Udo Pollmer: EU.L.E.n-Spiegel. Informationsdienst des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften e.V.; www.das-eule.de.

Alois Heissenhuber et al.: Ökonomische und ökologische Konsequenzen der derzeitigen Praxis der Entsorgung und Verwertung von Schlachtnebenprodukten. TU München, 2011.

EU-Kommission: Zweiter Fahrplan für die TSE-Bekämpfung – Ein Strategiepapier zum Thema transmissible spongiforme Enzephalopathien (2010 – 2015), SEK899, 16. 07. 2010.


Autor
Dr. Uwe Schulte, Osterholzallee 82, 71636 Ludwigsburg
schulte.uwe@t-online.de



DAZ 2011, Nr. 13, S. 125

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.