Interpharm 2011

Immer ein Gewinn für die Apotheke?

Rabatte, Boni, Sammelpunkte, Taler – auch in Apotheken zeigt sich viel Einfallsreichtum, wenn es darum geht, Kunden zu gewinnen und zu binden sowie Mitwettbewerber abzuhängen. Wer sich in einer scharfen Konkurrenzlage befindet, kann sich kaum mehr erlauben, eine Null-Rabatt-Strategie zu fahren. Dennoch: Es sollte stets gut überlegt sein, welche Aktion zu welcher Apotheke passt und ob sie sich am Ende wirklich lohnt. Dr. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover, gab auf der Wirtschafts-Interpharm einen Überblick über die unterschiedlichen Bonusmodelle von Apotheken.
Foto: DAZ/Reimo Schaaf
Taler für Patienten Frank Diener: Nicht vom Bauchgefühl motiviert in ein Bonussystem stürzen!

Schon seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts existieren Rabatte und Sammelpunkte – die Verbraucher sind also schon lange daran gewöhnt, dass man ihnen beim Einkauf entgegenkommt. Apotheken sind da keine Ausnahme. Die Berufspolitik beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Für und Wider von Zugaben bei der Abgabe von Arzneimitteln. Im Grunde sah man diese schon immer als Verstoß gegen den gesetzlich vorgegebenen einheitlichen Abgabepreis. Doch es bildete sich ein Toleranzbereich heraus: Das Mitgeben von Taschentüchern, Kalendern oder Bonbons wurde auch Apotheken zugestanden. Aber die Entwicklung ging weiter: Mit dem Einzug der EDV startete die Phase der Kundenkarten für freiverkäufliche Arzneimittel und das Randsortiment. Treue Kunden wurden mit Preisnachlässen belohnt. In den 90er Jahren kam dann die "Apothekenumschau" auf den Markt. Die Patientenwahrnehmung, so Diener, erhielt damit eine neue Dimension: Kunden fühlten geradezu, sie hätten einen "Rechtsanspruch" auf Kundenzeitschriften.

Wendepunkt OTC-Preisfreigabe

Die deutlichste Wende kam 2004, als mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) die Preisfreigabe für OTC und ihr grundsätzlicher Ausschluss aus GKV-Versorgung erfolgte. Die Apotheken reagierten mit zahlreichen und sehr individuellen Preisexperimenten im OTC-Segment. Neben Sonderpreisen gab und gibt es die unterschiedlichsten Modelle von Barrabatten und Bonusmodellen. Dabei zeichnet sich der Barrabatt durch seine sofortige Wirkung auf den Kaufpreis aus. Beim Kunden, so Diener, werde eine "Synopse zwischen Gesäßtasche und Hirn" hergestellt. Die Folge: Es bildet sich eine Erwartungshaltung. Wird Rabatt beim nächsten Mal verweigert, ist nicht sicher, dass der Kunde wiederkommt. Dagegen haben Bonuspunkte eine andere Absicht. Sie setzten auf eine verzögerte Wirkung: Erst wird gesammelt, später monetarisiert. Ziel derartiger Sammelpunkte-, Kundenkarten- und Talermodelle ist eine langfristige Kundenbindung.

Mittlerweile haben sich im OTC-Bereich sowohl mehr als auch weniger Erfolg versprechende Preisgestaltungsstrategien ausgebildet. Es besteht zwar weitgehende Beliebigkeit – doch nicht alles ist auch sinnvoll. Zudem haben Kartellbehörden und Rechtsprechung gewisse Leitplanken gezogen. Wer sich abspricht und kartellrechtliche Grenzen überschreitet, kann böse überrascht werden: "Dilettantismus wird im Regelfall teuer", warnt Diener. Allerdings urteilen die Landeskartellämter unterschiedlich, es handelt sich stets um Einzelfallentscheidungen. Absehen sollte man zudem von einer Preiswerbung, die auf die Lauertaxe, von der GKV erstattete oder vom Hersteller empfohlene Preise Bezug nimmt. Hier haben sich bereits viele Anwälte auf Abmahnungen spezialisiert. 

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Apotheker als Kaufmann Auch das Interesse an der kaufmännischen Seite des Apothekerberufs ist groß. Beispiel: Bonussysteme. Soll man den Kunden Boni und Rabatte gewähren? Was darf man überhaupt? Sind solche Systeme sinnvoll? Und was kosten sie? Frank Diener zeigte mögliche Strategien auf.

Boni beim Kauf rezeptpflichtiger Arzneimittel

Noch umstrittener ist allerdings der Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel, der mittlerweile auch viele (Versand-)Apotheken zu Preisexperimenten verführt. So bietet beispielsweise die Versandapotheke Sanicare einen Zuzahlungserlass, wenn der Kunde an einer Studie teilnimmt. Alivia wirbt mit einem Bonus von 3 Euro je Rx-Rezept, bei mycare gibt es 1,50 je Arzneimittel, maximal 4,50 pro Rezept. Die Liste lässt sich fortsetzen. Auch die holländischen Versandapotheken mischen kräftig mit. Sie sehen für sich noch mehr Möglichkeiten, da sie sich nicht an die deutsche Arzneimittelpreisverordnung gebunden fühlen. Ob dies tatsächlich so ist, wird allerdings erst in einigen Monaten höchstrichterlich durch den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe entschieden werden.

Selbst nach den Urteilen des Bundesgerichtshofes vom 9. September 2010, die sich mit Bonusmodellen im Rx-Segment auseinandersetzen, herrscht keine endgültige Klarheit, wie weit diese Offerten gehen dürfen. Zwar wurde entschieden, dass Boni im Zusammenhang mit der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel einen Verstoß gegen das deutsche Preisrecht darstellen. Doch die Richter räumen im Wettbewerbsrecht eine Bagatellgrenze ein, die sie jedoch nicht exakt umrissen: Fünf Euro hält der BGH auf jeden Fall für zu viel, ein Euro könne dagegen noch akzeptabel sein. Es gibt mithin noch einen gewissen Spielraum, in dem sich Apotheken weiter ausprobieren können – das kann noch jahrelang weitergehen, prognostiziert Diener. Allerdings können auch die Apothekerkammern eingreifen. Ihnen bleibt es unbenommen, berufsrechtlich gegen die Verstöße gegen die Rx-Preisbindung vorzugehen – und diese Möglichkeit wird derzeit extensiv genutzt. Auch hier steht eine abschließende gerichtliche Klärung noch aus. Ebenfalls noch offen ist die Frage, wie die deutschen Finanzbehörden mit Modellen umgehen, die das EU-Umsatzsteuergefälle nutzen und so dem deutschen Fiskus Mittel entziehen. So ist das "Vorteil 24"-Modell, das derzeit in deutschen Linda-Apotheken in Kooperation mit der holländischen Montanus-Apotheke praktiziert wird, unter scharfer Beobachtung.

Motivation und Ratio

Die Motivation der Apothekeninhaber, Boni und Rabatte zu gewähren, ist höchst unterschiedlich. Manche wollen die ersten sein, die aktiv in der Umwerbung von Kunden werden, bei anderen geht es nur noch um eine Reaktion auf ihre Konkurrenten. Verständlich ist der Wunsch nach treuen und umsatzbringenden Kunden sicher. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass Bonus-Modelle betriebswirtschaftlich nur lohnend sind, wenn der zusätzliche Rohgewinn den erhöhten Investitions- und Betreuungsaufwand in der Apotheke übersteigt. Ein Beispiel: Eine Apotheke mit 1,6 Mio. Euro Nettoumsatz, davon 15 Prozent mit OTC (240.000 Euro) setzt eine Bonuscard ein. Nimmt man an, dass 75 Euro im Monat für das Kartensystem fällig werden, der Kunde einen Vorteil von 3 Prozent auf den Kartenumsatz erhält und die Karte bei jedem dritten Barkauf einsetzt, würde dies die Apotheke im Jahr rund 3300 Euro kosten, so Diener. Hier müsse man sich klar machen, wie viele Kunden nötig sind, damit sich dieses Unterfangen lohnt: Bei 8 Euro Rohertrag pro Kunde wären etwa 400 Kunden im Jahr zusätzlich nötig; bei einem Rohertrag von 3,50 Euro pro OTC-Kunden müssten 950 OTC-Packungen im Jahr mehr verkauft werden.

Zudem steht die individuelle Ratio in einem Spannungsfeld zur kollektiven berufsständischen Ratio, führte Diener weiter aus. So besteht die Furcht, dass Arzneimittel trivialisiert werden oder medizinisch kontraindizierter Mehrverbrauch initiiert wird. Vermieden werden müsse zudem eine "Kannibalisierung" in der Branche und eine "aktionistische Verzweiflungsspirale bis zum Ruin". Am Ende könne das System im Ganzen gefährdet werden.

Leichtfertig und lediglich von einem "Bauchgefühl" motiviert sollte man sich also nicht in ein Bonussystem stürzen, mahnt Diener: "Das ist keine Laubsägearbeit – fragen Sie lieber jemanden der Ahnung hat." Es sei leider oft zu beobachten, dass gute Modelle schlecht umgesetzt werden, oder schlicht nicht authentisch seien, also nicht zum Gesamteindruck der Apotheke passten. Nötig sei eine genaue Analyse, die die Ist-Situation unter die Lupe nimmt und fixe wie variable Kosten feststellt. Die Treuhand bietet dafür sogenannte "Break-even-Analysen" an.


ks



DAZ 2011, Nr. 13, S. 60



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