Interpharm 2011

Erfolgreich wirtschaften trotz AMNOG

Das AMNOG hat die Apotheken schwer getroffen. Die Steuerberater Dipl.-Kfm. Axel Witte und Dipl.-Bw. Doris Zur Mühlen, beide Essen, machten die hohen Belastungen für Apotheken deutlich. Mögliche Reaktionen sehen sie in konstruktiven Verhandlungen mit dem Großhandel, verbunden mit Einkaufs- und Rechnungscontrolling. Eine Kompensation ist aber nur durch Mehrumsatz möglich. Dazu empfahlen die Berater individuelle Strategien, die für eine bessere Kundenbindung und Marktbearbeitung sorgen. Diese Konzepte müssen zur Apotheke, den Kunden, dem Inhaber, dem Team und dem Standort passen.
Foto: DAZ/Reimo Schaaf
Dipl.-Kfm. Axel Witte

Das AMNOG sieht für die Jahre 2011 und 2012 jährliche Einsparungen bei der Arzneimitteldistribution in Höhe von 400 Mio. Euro vor, die gemäß der Vorgabe der Politik hälftig von den Apotheken und vom Großhandel getragen werden sollten, so Witte. Die Apothekenkomponente wird durch die Erhöhung des Kassenabschlages von 1,75 Euro auf 2,05 Euro (brutto) realisiert. Damit steigt der Kassenabschlag netto (also ohne Mehrwertsteuer) von 1,47 Euro auf 1,72 Euro pro Packung. Für die Großhandelskomponente sinkt der Großhandelsaufschlag auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers um 0,85 Prozentpunkte. Auf die Argumentation des Großhandels, dass dieser damit mehr als seine gesamte bisherige Marge einsparen solle, ging Witte nicht ein. Doch er machte deutlich, dass der Großhandel durch das AMNOG erheblich belastet wird und daher ebenfalls reagieren muss.

Aufgrund der Kürzung beim Großhandel sinken gemäß Arzneimittelpreisverordnung auch der Apothekeneinkaufspreis, der daraus ermittelte prozentuale Teil des Apothekenaufschlags und der Apothekenumsatz. Für eine durchschnittliche Apotheke erwartet Witte allein aufgrund dieses Effektes etwa 12.000 Euro weniger Umsatz. Die Wirkung dieser Kürzung auf den Apothekenertrag über die prozentuale Aufschlagskomponente wird als Taxbasiseffekt bezeichnet. Dieser mindere den Rohertrag einer Durchschnittsapotheke nur um etwa 500 Euro pro Jahr. Doch zusammen mit der viel wichtigeren Senkung des Kassenabschlages sinke der jährliche Rohertrag einer Durchschnittsapotheke gegenüber 2010 um etwa 7000 Euro.


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Dipl.-Bw. Doris Zur Mühlen

Hohe Gesamtbelastung

Hinzu kommen die Belastungen durch Änderungen der Großhandelskonditionen. Wenn der Großhandel die gesamte Kürzung seiner Marge weiterreiche, senke dies den Rohertrag einer Durchschnittsapotheke um weitere 9000 Euro, insgesamt also um 16.000 Euro. Im Jahr 2012 sinkt die Großhandelmarge durch die neu gestaltete Preisbildung auf der Großhandelsstufe weiter. Dadurch würden zum Jahreswechsel 2011/2012 bei Arzneimitteln mit Netto-Einkaufswerten über etwa 37 Euro Lagerwertverluste in den Apotheken entstehen, bei geringeren Packungswerten dagegen Lagervorteile. Die Großhandelsmarge sinke dann gegenüber 2010 sogar um 1,35 Prozentpunkte. Wenn dies voll an die Apotheken weitergegeben würde, müssten die Einkaufsvorteile der Durchschnittsapotheke 2012 gegenüber 2010 um 14.000 Euro sinken. Die Gesamtbelastung steige dann auf 21.000 Euro. Diese Angaben ermittelte Witte für eine Apotheke mit 1,5 Millionen Euro Umsatz und 80 Prozent Anteil der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) am Umsatz. Alle Zahlen verändern sich jedoch abhängig von Höhe und Struktur des Umsatzes, GKV-Anteil und Anteil der Selbstmedikation. Bei gleichem Umsatz, aber einem GKV-Anteil von 60 Prozent ermittelte Witte Gesamtbelastungen von etwa 11.500 Euro für 2011 und 15.600 Euro für 2012.

Reaktionen gegenüber dem Großhandel

Als Reaktionen empfahl Witte sorgfältiges Controlling des Wareneinkaufs und gut vorbereitete Verhandlungen mit dem Großhandel. Der Großhandel reagiere seit Dezember 2010 auf das AMNOG und habe Rabattkürzungen um bis zu 1,5 Prozentpunkte angedroht, aber Kürzungen um mehr als 0,85 Prozentpunkte könnten nicht mit dem AMNOG begründet werden, argumentierte Witte. Außerdem solle der Großhandel seinen Teil der Belastungen tragen, forderte er. Die Apotheken sollten aber auch fragen, wie sie dem Großhandel entgegenkommen könnten. Möglich seien Verkürzungen des Zahlungsziels zur Skontoerhöhung, sofern ihre Liquidität ausreiche, Umstellungen von einer auf zwei Monatsrechnungen sowie Verringerungen der Retouren und der Belieferungsfrequenz. Apotheken sollten sich auf zwei Großhändler konzentrieren, um überhaupt eine Verhandlungsmacht ausüben zu können, riet Witte. Außerdem empfahl er den Apotheken sorgfältiges Rechnungscontrolling. Zur Überprüfung sollten die Konditionen schriftlich fixiert werden. Paketlösungen mit vielen Einzelkonditionen für unterschiedliche Sortimente seien nur sehr schwer zu kontrollieren. Witte verwies dazu auf spezielle Dienstleister, weil für die Prüfung die Daten aller Artikel erforderlich sind.

Foto: DAZ/Reimo Schaaf

... und im Marketing

Ganz andere Möglichkeiten zur Reaktion auf die neuen Belastungen liegen in der Steigerung des Umsatzes. Zur Mühlen riet, die Zukunftsfähigkeit der eigenen Apotheke zu prüfen und ganzheitliche Lösungen zu suchen. Je nach Situation könnten Vergrößerung, Filialisierung oder aber ein "intelligentes Downsizing", also ein ähnliches Leistungsangebot mit verminderten Ressourcen angebracht sein. Umsätze sollten nicht um jeden Preis erzielt werden. Heimversorgung oder Verblisterung ohne Bezahlung würden sich oft nicht lohnen. Stattdessen seien optimaler Ressourceneinsatz oder die Profilierung in einer Nischenstrategie erfolgreich. Apotheken sollten Netzwerke bilden und die Bindung an ihre Zielgruppen verstärken. Dies könne das Einzugsgebiet für bestimmte Kundengruppen deutlich erweitern. Zuvor sei eine Kundenanalyse nötig. Möglichst gemeinsam mit den Mitarbeitern sollte ein Konzept erarbeitet werden, das zur Apotheke und zum Standort passt und ein Alleinstellungsmerkmal der Apotheke betont. Die richtige Spezialisierung nutze der Apotheke und den Kunden durch höhere Qualität und Professionalität.

Zur Mühlen riet zudem, Gesundheits- und Thementage sowie Jubiläen der Apotheke für Aktionen zu nutzen. So könne mit wenig Aufwand beachtliche Aufmerksamkeit erzielt werden. Pauschalrabatte hätten dagegen kaum noch Effekte, besser seien eigene Konzepte wie Kundenkarten, die sogar für verschiedene Gruppen differenziert werden können. Apotheken sollten systematisch ihren Umsatz entwickeln. Instrumente dafür seien Sortimentsauswahl, Warenpräsentation, schriftliche Verkaufsstandards und die Schulung der Mitarbeiter, auch mit Verkaufstrainings. Wenn in einer Durchschnittsapotheke nur jeder sechste Kunde eine zusätzliche OTC-Packung kaufe, könne dies den erwarteten Rohertragsverlust durch das AMNOG kompensieren, rechnete Zur Mühlen vor. Für die Motivation der Mitarbeiter empfahl sie leistungsorientierte Bezahlungsmodelle. Dabei sollten alle Mitarbeiter vom Mehrumsatz profitieren, auch im Backoffice, denn alle Abläufe müssten optimiert werden. Sie habe noch keine Apotheke kennengelernt, bei der das nicht funktioniere. Das Modell finanziere sich selbst, weil der Ertrag für den Apothekenleiter dabei immer steige.


ks



DAZ 2011, Nr. 13, S. 64



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