Apothekertage

Versorgen und Vorsorgen: Pharmazie und Prävention

Ein Bericht von Peter Ditzel

Ein hervorragendes Kongressprogramm und perfekte Organisation katapultierten den 3. Westfälisch-Lippischen Apothekertag an die Spitze der bestbesuchten regionalen Apothekertage. Für über 1200 Apothekerinnen und Apotheker, PTA und PKA war das Messe- und Congresscentrum Halle Münsterland in Münster am 12. und 13. März 2011 das Ziel. Sie konnten an elf Fortbildungsvorträgen, an einer Podiumsdiskussion und an zwei Seminaren teilnehmen. Die pharmazeutische Fachausstellung mit rund 50 Ausstellern rundete das Informationsangebot ab.

Fotos: akwl/Leßmann
Volles Haus Das Konzept des 3. Westfälisch-Lippischen Apothekertags ging auf: die Fortbildung im Mittelpunkt, eine Fachausstellung und Raum für Gespräche und Gedankenaustausch.

Die bedeutende Rolle, die die Apotheke in der Prävention schon heute spielen kann, stellte Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe heraus. Den Apotheker sieht sie für die Bevölkerung als niedrigschwellig zu erreichenden Gesundheitsberater in der Prävention. Als Praxisbeispiele dafür verwies sie auf drei Leuchtturmprojekte in Sachen Prävention, die im Rahmen der Podiumsdiskussion auf dem Apothekertag vorgestellt wurden: "Apotheke macht Schule", "Leichter leben in Deutschland" und ein Projekt zur Darmkrebsprävention in Lüdenscheid und Werdohl.

Wenn die Apotheke in Medien als "Fachgeschäft für Gesundheit" bezeichnet werde, so Overwiening, dann treffe dies nur bedingt zu. "Die Apotheke ist weit mehr als nur ein Fachgeschäft, nämlich ein unabhängiges Kompetenzzentrum für alle Fragen rund um Arzneimittel und die Arzneimitteltherapie", so die Kammerpräsidentin, "Apotheker sind Experten und freie Heilberufler." Der Apotheker handle im Interesse der Patienten und stelle eigene Interessen zurück. Die Anwendung des Expertenwissens des Apothekers, Fragen zur Arzneimittelsicherheit, das Überblicken der Komplexizität der modernen Arzneimitteltherapie, das Vermitteln zwischen Heilberufen, das Zusammenführen verschiedener Therapien – das seien die zentralen Aufgaben des Apothekers, die von der Gesellschaft verlässlich von den Apothekern abgerufen werden könnten, so Overwiening. Der Apotheker diene der Gesundheit des Einzelnen und damit des ganzen Volkes – "dazu sind wir ausgebildet worden und nicht nur zu Fachverkäufern".

Apotheker als gesundheitsberater in Sachen Prävention: Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.

Die Kammerpräsidentin stellte auch heraus, dass Apotheker Verantwortung übernehmen wollen – aber wenn sie diesem Anspruch gerecht werden wollen, brauchen sie dazu verlässliche Rahmenbedingungen, nämlich:

Das Vertrauen in die Apotheke muss erhalten bleiben: Dies ist eine zentrale Aufgabe der Kammern. Sie müssen beispielsweise in die Beratungsqualität der Apotheken investieren (Qualitätsmanagementsysteme und Fortbildungsangebote) und sie vor Ort überprüfen. Sie müssen auf die Diskretion der Beratung in Apotheken hinwirken und in der Ausbildung der Apothekerinnen und Apotheker mitarbeiten.

Diese Anstrengungen werden von der Politik begrüßt und unterstützt, allerdings nur verbal. Mit dem AMNOG sei vielen Apotheken der wirtschaftliche Boden entzogen worden. Ein Sparbeitrag von 200 Mio. Euro und zusätzlich weiteren 200 Mio. Euro über die Großhandelsbelastung sei "respektlos und verantwortungslos". Overwiening: "Dies gefährdet unsere Existenz und die unabhängige Arzneimittelversorgung." Hier diene die Politik nicht der Gesundheit des Volkes, sondern nur der Ökonomie.

Leider sei festzustellen, so betonte die Kammerpräsidentin, dass seit den Diskussionen um die letzte Gesundheitsreform die Qualitätsoffensive der Apotheken stagniere. In den Apotheken werde in erster Linie zur Abgabe der richtigen Packung und Packungsgröße vom richtigen Hersteller beraten. Politik und Krankenkassen torpedierten die pharmazeutische Qualität, die von diesen immer wieder eingefordert werde. "Die Apotheker fühlen sich dadurch gegängelt", stellte Overwiening fest und fragte: "Politiker sehen sich nur zu Lippenbekenntnissen fähig, wo bleibt hier die Glaubwürdigkeit der Politiker?"

Apotheken werden zunehmend mit "Wutbürgern", hier "Wutpatienten", konfrontiert, die sich über die Rabattverträge aufregen. Politik und Krankenkassen seien für diesen Unfug der Rabattverträge verantwortlich, die Apotheken müssten ihn ausbaden. Apotheker werden so zu Befehlsempfängern der Krankenkassen und unsinnigsten Verwaltungsvorschriften. Overwienings Wunsch: "Wir hätten Krankenkassen gerne als faire Partner, die sich am Wohl des Patienten ausrichten und nicht nur an der Ökonomie." Dieses Handeln sei ein entmenschlichtes Handeln und werde letztlich teurer, als wenn es sich am Patientenwohl ausrichten würde. "Wir wollen mehr pharmazeutisch agieren, um das System zu entlasten und Ressourcen zu heben." Apotheken wollen viel lieber dem Menschen dienen, aber sie müssten heute mehr um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen. Allein 27 Apothekenschließungen im letzten Jahr im Kammerbezirk Westfalen-Lippe seien ein ernst zu nehmendes Warnzeichen.

Die Kammerpräsidentin wünschte sich, dass aus "Wut-Apothekern" in den nächsten Wochen und Monaten "Mut-Apotheker" würden. 


GRUSSWORT DER SCHIRMHERRIN

Gesundheitsministerin Steffens:
"Keine Freundin von Pick-up-Stellen"

Die Sicherung der Qualität der Versorgung und Beratung älterer Menschen ist ihr besonders wichtig. Die Vor-Ort-Apotheken – und nicht die Versandapotheke und schon gar nicht Pick-up-Stellen – können hier einen wesentlichen Beitrag leisten. Davon zeigte sich Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens, Schirmherrin des 3. Westfälisch-Lippischen Apothekertags, überzeugt. Sie setzt auf die Apotheke "in Pantoffelnähe".

Für die Apotheke in Pantoffelnähe Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens.

Prävention ist für sie eine wichtige Säule im Gesundheitswesen. In Anbetracht der demografischen Entwicklung – knapp ein Fünftel der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen sind heute älter als 65 Jahre – und den finanziellen Herausforderungen des Gesundheitssystems müsse in Zukunft mehr über Prävention nachgedacht werden, um die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens aufrecht zu erhalten. Selbstkritisch sagte sie, dass die Politik im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Prävention in den vergangenen Jahren nicht immer das geleistet habe, was sie hätte leisten müssen. Hier müssten geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden. Noch immer machten bestimmte Lebensbedingungen krank, Armut mache krank.

Prävention im demografischen Wandel bedeute für die Apotheken auch Angebote zu machen, die den Bedürfnissen und Wünschen aller Generationen entsprächen. Steffens nannte hier beispielhaft die Raucherentwöhnung, Kurse zur Stressbewältigung, Schulung für Diabetiker und Asthmatiker, das Vermitteln von Kenntnissen zu Arzneimitteln und zur gesunden Lebensführung an Schulen, in Kindergärten, aber auch in Altenheimen.

Auf der Suche nach dem Platz des Apothekers im zukünftigen Gesundheitssystem: Gesundheitsministerin Barbara Steffens (li.) und Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening.

Steffens stellte heraus, dass ihr ein Gesundheitssystem in Nordrhein-Westfalen am Herzen liegt, in dem alle Zugang zu einer wohnortnahen Versorgung haben. Nicht alle Menschen werden in stationären Pflegeheimen alt werden und sie wollen das nicht. Immer mehr werden in ihrem eigenen Quartier auch im Alter leben und dort brauchen sie die "Apotheke in Pantoffelnähe" mit adäquater Beratung. Steffens wörtlich: "Ich bin keine Freundin des Versandhandels bei Arzneimitteln, keine Freundin von Pick-up-Stellen, weil ich glaube, dass wir uns damit selber eine Struktur kaputtmachen in der Konkurrenz, die da entsteht – wir kennen es aus anderen Ländern." Mit Apothekenketten würde es die Apotheke nicht mehr überall geben, auch nicht den Heilberuf Apotheker.

Kritisch merkte sie allerdings auch an, dass Erwartungen an den Heilberuf Apotheker bestehen, die heute noch nicht immer erfüllt werden, wie Apothekentests zeigten. Zum Teil gebe es Defizite in der Beratung. Sie appellierte an die Apotheker: Der Platz des Apothekers im Gesundheitswesen hänge auch davon ab, wie er den Heilberuf ausfülle. "Wo Heilberuf Apotheker drauf steht, muss auch Heilberuf drin sein", so Steffens.

Die Landesgesundheitsministerin beklagte zudem ein zu starkes sektorales Bedenken im Gesundheitswesen, was grundsätzlich in Frage zu stellen sei. In Deutschland erlebe man zu viele Pseudoreformen, die nur Kostendämpfungsreformen seien. Sie forderte: "Wir brauchen wirkliche Reformen im Gesundheitswesen" und appellierte an die Apotheker, gemeinsam zu überlegen, wo der Platz des Apothekers in einem zukünftigen Gesundheitssystem sein könne.



ERFOLGREICH TROTZ CONTERGAN-SCHÄDIGUNG

Expedition zu den eigenen Kraftquellen

Er hat keine Arme. Seine Hände sitzen in der Nähe der Schulter und haben jeweils nur drei Finger. Anomalien finden sich im Darmbereich und bei der Wirbelsäule. Matthias Berg ist contergangeschädigt. Und trotzdem, er ist auf vielen Gebieten außerordentlich erfolgreich: im Sport, in der Musik und als Jurist. In seinem Motivationsvortrag verriet der vierfache Familienvater den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Westfälisch-Lippischen Apothekertags, wie er es schaffte, immer wieder Kraft zu schöpfen und trotz seiner Behinderung so leistungsfähig zu sein. 

Matthias Berg An die eigene Kraft glauben.

Berg, Jahrgang 1961, studierte Jura und ist heute als stellvertretender Landrat in Esslingen tätig. Daneben studierte er auch Musik und absolvierte eine Ausbildung als Hornist – das Horn ist ein Instrument, das er trotz seiner Behinderung spielen kann. Er gewann mehrere Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben und konzertierte mit zahlreichen Orchestern und Ensembles.

Darüber hinaus war Berg ein exzellenter Sportler. Von 1980 bis 1994 war er Mitglied der Nationalmannschaft in der Leichtathletik, als Sprinter und Springer sowie im alpinen Skilauf. Bei allen Paralympics und Weltmeisterschaften war er am Start und gewann insgesamt 27 Medaillen (11-mal Gold, 10-mal Silber und 6-mal Bronze). Er wurde zum erfolgreichsten Behindertensportler der Welt. Seit den Paralympics in Sydney im Jahr 2000 ist er regelmäßig der ZDF-Experte und Co-Moderator der Fernsehübertragungen von den Paralympics.

Berg nahm die Zuhörer mit auf eine persönliche Expedition zu den eigenen Kraftquellen und berichtete anhand von Episoden, wie er sein Leben als Contergan-Behinderter von Kindheit an meisterte, wie er aber auch immer wieder Rückschläge verkraften musste. Hänseleien in der Schule gehörten dazu ebenso wie eine Ablehnung als Wohnungssuchender oder Schwierigkeiten beim Erwerb der Fahrerlaubnis. Er versuchte aus allen Nackenschläge etwas Positives abzuleiten nach dem Motto, wer weiß, wozu es gut ist. Er stellte sich nicht mehr die Frage warum (warum trifft mich dieses Problem, diese Ablehnung, diese Schwierigkeit), sondern wandelte sie um in ein Wozu: Wozu ist dieser Rückschlag gut? Seine Kraftquellen fasste Berg so zusammen:

1. Ich packe es an. Das Geheimnis des Könnens liegt im Wollen. Nicht über eine Sache reden, sondern machen.

2. Ich übernehme Verantwortung. Was auch in meinem Leben passiert, ich komme damit zurecht. Wer nach Schuldigen sucht, denkt und handelt rückwärts gerichtet. Nur meine Haltung in schwierigen Situationen bestimmt, wie lange ich dort bleibe.

3. Ich konzentriere mich auf das, was ich kann. Sein Motto hier: an die eigene Kraft glauben, die eigenen Stärken stärken.

4. Ich behandle andere, wie ich selbst behandelt werden möchte. Wer anderen Zeit und Freude schenkt, beschenkt sich. Und: Öfter mal lächeln! Ein Mensch, der nicht lächelt, sollte kein Geschäft eröffnen …

5. Ich bin diszipliniert, im Essen, Schlafen, Bewegen. Ich achte auf mein Gewicht, auf meine Fitness. Selbstdisziplin ist ein Stück Freiheit. Es kommt hier auf den Lebensrhythmus an, auf die Ausgewogenheit von Anspannung und Entspannung.

Seine Grundhaltung in seinem Leben brachte Berg auf den Nenner "LMAA" – nämlich: "Lächle mehr als andere".



VORSORGEN MIT DER APOTHEKE

Leuchttürme der Prävention 

Ohne Stärkung der Prävention wird es in Zukunft in unserem Gesundheitswesen nicht mehr gehen. Die Apotheken können sich an die Spitze dieser Bewegung setzen. So gibt es bereits viele Apotheken in Deutschland, die den Präventionsgedanken in konkrete Projekte haben einfließen lassen. Präventionsprojekte für die Apotheke – darum ging es in der Podiumsdiskussion unter Moderation von DAZ-Chefredakteur Peter Ditzel. Eine Apothekerin und zwei Apotheker stellten ihre erfolgreich umgesetzten Aktionen vor. 

Mit Prävention punkten Die Podiumsdiskussion stellte drei erfolgreiche Präventionsprojekte vor und gab Anregungen, sich in Prävention zu engagieren.

Prävention muss ein Zukunftstrend für die Apotheke werden. die demografische Entwicklung und die Finanzierbarkeit der Leistungen in unserem Gesundheitssystem zwingen dazu, mehr an Vorsorge zu denken und sie auszubauen. Krankheiten erst gar nicht entstehen zu lassen durch eine gesunde Lebensweise, durch gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung – darin könnte der Schlüssel liegen für ein finanzierbares Gesundheitssystem der Zukunft. Zahlreiche Apotheken haben dies erkannt und bereits damit begonnen, sich mit Prävention auseinanderzusetzen und zu überlegen, wie sie ihren Kunden die Vorsorge schmackhaft machen können.


"Apotheke macht Schule". Karin Graf, Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, rief in ihrem Kammerbereich das Projekt "Apotheke macht Schule" ins Leben. Der Kern dieses Projekts: Apothekerinnen und Apotheker gehen in Schulen (und Kindergärten) und halten vor den Schülern interaktive, ausgearbeitete Vorträge zu ausgewählten Gesundheitsthemen. Die Vorträge werden zum Teil auch Eltern und Lehrern präsentiert. Um dieses Projekt umzusetzen, mussten Schulleitungen und Kultusministerium zustimmen. Zahlreiche Apothekerinnen und Apotheker konnten für dieses Projekt bereits gewonnen werden. Das Halten der Vorträge läuft auf ehrenamtlicher Basis, die Kammer stellt hierfür im Jahr ein Budget für die notwendigen Kosten zur Verfügung. Werbung für die eigene Apotheke oder Werbung für Produkte sind nicht erlaubt, so dass die Neutralität und Seriosität der Vorträge gewahrt bleiben.

Das Projekt entpuppte sich als so erfolgreich, dass es bereits andere Kammern übernommen haben. Der Gewinn für die Apotheke liegt, wie Graf herausstellte, in erster Linie darin, das Image der Apotheke als Gesundheitszentrum, als Kompetenzzentrum zu stärken. Außerdem hatte das Projekt eine starke positive Medienresonanz.


"Leichter leben in Deutschland". Dieses Projekt geht auf die Initiative von Apotheker Hans Gerlach, Straubing, zurück. Ihm war und ist eine gesunde Ernährung und Lebensweise der Bevölkerung wichtig. Schon früh begann er in seiner Apotheke, Kunden zu Vorträgen einzuladen und sie zu einer vernünftigen Ernährung anzuhalten. Er band Partner mit ein, Bäcker, Metzger, die Produkte für Low-Carb- und Slow-Carb-Ernährungsformen anboten, und Sportgeschäfte. Nicht nur weniger essen, sondern das Richtige, so seine Devise. Im Vordergrund steht der Abbau von Körperfett, nicht der Gewichtsverlust. Sein Konzept arbeitete er professionell aus mit Schulung, Flyer, Handzettel und Broschüren, so dass es leicht auch auf andere Apotheken übertragen werden konnte. Apotheker fungieren als Diätlotse im Dschungel der Diäten, der den Abnehmwilligen betreut, ihn schult und motiviert. Heute nehmen bereits rund 1200 Apotheken an "Leichter leben in Deutschland – Llid" teil. Gerlach entwickelte darüber hinaus Rezeptbücher und LliD-Diätprodukte (Formulanahrung, Riegel, Müsli, Vollkornbrotbackmischungen).Wer bei LliD (kein Franchisekonzept) mitmachen möchte, findet weitere Informationen unter www.llid.de. Voraussetzung ist Erfahrung in der Ernährungsberatung oder das Vorliegen der Gebietsbezeichnung "Ernährungsberatung", Teilnahme an Schulungen und die Bereitschaft, auch Vorträge und Seminare abzuhalten. 

Pharmazie und Prävention Von links: Dr. Gunter Fay (Darmkrebsprävention), Hans Gerlach ("Leichter leben in Deutschland"), Karin Graf ("Apotheke macht Schule"), Moderator Peter Ditzel, DAZ-Chefredakteur.

"Vorsorge macht Spaß – Lüdenscheid und Werdohl gegen Darmkrebs" nennt sich das Präventionsprojekt von Apotheker Dr. Gunter Fay aus Lüdenscheid. Angeregt durch Aktionen zum Darmkrebsmonat März kam Fay auf die Idee, auch die Apotheke stärker in die Darmkrebsvorsorge einzubinden. Er schulte seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ging auf Ärzte, Selbsthilfegruppen, Medien, Bürgermeister der beiden Städte, die Firmen der Region und weitere Organisationen zu und band sie in sein Vorhaben mit ein. Um ein medienwirksames Event zu haben, mietete der das aufblasbare und begehbare Modell eines Darmes, übernahm die Führungen durch dieses Modell, klärte über Darmkrebs und die Vorsorgeuntersuchung auf. Selbst der Biologie-Unterricht der örtlichen Schulen wurde in dem Darmmodell abgehalten. Wie Fay betonte, war das Darmmodell allerdings nicht Auslöser, sondern nur einer von vielen Aspekten, um die Menschen für die Darmkrebsvorsorge zu sensibilisieren – übrigens mit Erfolg. Die Vorsorgeuntersuchungen verzeichneten eine deutliche Zunahme in seinem Gebiet, wie die Ärzte bestätigten. Für seine Präventionsaktion wurde Fay im vergangenen Jahr mit dem Felix-Burda-Award ausgezeichnet.

Apotheken, die sich mit dem Gedanken tragen, sich stärker in Sachen Prävention zu engagieren, aber noch unschlüssig sind, auf welchem Gebiet, finden zahlreiche Anregungen im Präventionsband des WIPIG (Wissenschaftlichen Instituts für Prävention im Gesundheitswesen). In diesem Buch sind 80 Projekte und Ideen zusammengetragen und erläutert, mit denen sich Apotheken 2009 für den von WIPIG und DAZ ausgeschriebenen Präventionspreis beworben haben. Der Präventionsband ("hauptsache prävention" – Die Arbeiten für den ersten WIPIG-DAZ-Präventionspreis) kostet 9,90 Euro und kann beim Deutschen Apotheker Verlag bezogen werden.



FACHPROGRAMM

Fortbildung groß geschrieben

Fünf spannende Vorträge standen beim Westfälisch-Lippischen Apothekertag auf dem Programm. Wir geben eine kurzen Überblick. 

AIDS-Therapie Die Professoren Dieter Steinhilber (li.) und Theo Dingermann zeigten die Fortschritte der AIDS-Therapie auf, eingebettet in die Biographie und in Musikbeispiele des AIDS-Opfers Freddy Mercury.

AIDS. Die Professoren Theo Dingermann und Dieter Steinhilber, Frankfurt, präsentierten die Entwicklung und Fortschritte in der AIDS-Therapie, eingebettet in die Biographie des prominenten AIDS-Opfers Freddy Mercury. Der Sänger der Popgruppe "Queen" infizierte sich 1987 mit dem HI-Virus. Damals stand kaum mehr als AZT (Retrovir) zur Aids-Therapie zur Verfügung. Während AIDS für die Infizierten von heute dank einer hochaktiven antiviralen Therapie (HAART) mit mehreren Wirkstoffen nicht mehr das Todesurteil bedeutet, war Mercury nur eine kurze Überlebenszeit beschieden. Er starb 1991. Der Vortrag war ausgeschmückt mit zahlreichen Musikbeispielen und Filmsequenzen aus dem Leben des Sängers.

Tumorerkrankungen. Mit Strategien zur Pharmakotherapie von Tumorerkrankungen befasste sich Professor Gerd Bendas, Bonn. Im Vordergrund standen dabei die Hemmung der Blutgefäßneubildung (Angiogenese), die Unterdrückung verschiedener Wachstumssignale und die Beeinflussung der Metastasierung.

Professor Gerd Bendas

Die in den letzten Jahren in die Tumortherapie eingeführten Tyrosinkinase-Inhibitoren können diese Angiogenese beeinflussen und zum Teil unterdrücken. Besondere Bedeutung haben sie bei sogenannten Nischentumoren (Nierenzellkarzinom, Leberzellkarzinom, gastrointestinale Stromatumore) erlangt. Die Therapiekosten mit diesen Wirkstoffen (beispielsweise Sorafenib, Pazopanib, Gefitinib, Erlotinib und vielen anderen) liegen bei jährlich 30.000 bis 70.000 Euro pro Patient.

Die Metastasierung solider Tumore kann dagegen im klinischen Alltag noch nicht beeinflusst werden. Interessante Ansatzpunkte wurden jedoch beim Einsatz von Heparin gesehen, wobei eine deutlich lebensverlängernde Wirkung nicht (nur) auf die antithrombotische Wirkung von Heparin zurückgeführt wird. Vermutlich sind protektive Effekte des Heparins hierfür verantwortlich, möglicherweise auch eine Hemmung von Wachstumsfaktoren und die Hemmung von Zellbindungsmolekülen. Weitere Forschung ist hier allerdings noch notwendig. Bendas Resümee: Heparin ist kein Mittel zur völligen Verhinderung der Tumormetastasierung, aber es kann hemmend in die metastatische Kaskade eingreifen. 

Professor Dr. Eugen Verspohl

Fettgewebe. Ist Fettgewebe ein nützliches oder schädliches Organ? Dieser Frage ging Professor Verspohl, Münster, in seinem Vortrag nach. Fest steht: Die Messung eines hohen Taillen-Hüft-Index (eine apfelförmige Verteilung des Fettgewebes, Stichwort Bierbauch) birgt ein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine hohe Bauchfettmasse ist gesundheitlich gefährlich. Das Fettgewebe ist das größte endokrine Organ. Rund 100 Sekretionsprodukte, Hormone und Zytokine (Entzündungsmarker), TNF-Alpha, Faktoren des Immunsystems, Stoffe mit Wirkung auf Gefäße und das Gerinnungssystem werden freigesetzt, wobei einige von ihnen auch positive Wirkungen haben. Als gefährlich sind jedoch entzündungsfördernde Botenstoffe zu sehen, die zahlreiche Folgeerkrankungen auslösen können, wie Krebs, Diabetes, Knorpelschäden (Gelenke), steigende Blutfettwerte, erhöhte Harnsäurekonzentrationen, Atemwegsbehinderungen, Magen-Darm-Erkrankungen und zum metabolischen Syndrom führen. Einen Ausweg aus der erhöhten Nahrungsaufnahme sieht Verspohl nicht in diätetischen oder therapeutischen Maßnahmen, sondern in einer deutlichen Verhaltensänderung und Bewegung. Bisherige arzneitherapeutische Maßnahmen sind wenig erfolgversprechend. Als vielversprechende Neuentwicklung beurteilt Verspohl die SGLT-2-Hemmstoffe (sodium dependent glucose-transport-2-Hemmstoffe), die derzeit für die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 erprobt werden. Sie hemmen konzentrationsabhängig den Rücktransport von Glucose in die Niere, wodurch es zu einer Blutzuckersenkung kommt, ohne eine Hypoglykämie zu verursachen. In schweren Fällen kommen bei Adipositas operative Maßnahmen in Betracht, sogenannte bariatrische Operationen (Abschnüren des Magens, Magenverkleinerungen). 

Professor Ulrich Jaehde

Arzneitherapie bei Älteren. Mit der Arzneimitteltherapie bei älteren Patienten befasste sich Professor Ulrich Jaehde, Bonn. Aufgrund einer zunehmenden Anzahl an chronischen Erkrankungen und einer Multimorbidität mit steigenden Lebensalter erhalten die Patienten eine Vielzahl von Arzneimitteln (Polymedikation), die sich zum Teil gegenseitig negativ beeinflussen (Wechselwirkungen) und kaum noch überschaubar sind. Hinzu kommen altersabhängige physiologische Veränderungen, die die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik der verabreichten Arzneimittel beeinflussen. Dosisanpassungen sind aufgrund eines veränderten Nieren- und Leberstoffwechsel vorzunehmen. Die Gebrechlichkeit der Patienten in Verbindung mit Sedativa erhöht beispielsweise die Sturzgefahr. Von Bedeutung sind Maßnahmen zur Complianceförderung im Alter (zunehmende Vergesslichkeit, Schluckstörungen, Schwerhörigkeit, Probleme mit kindersicheren Packungen).

Jaehde verwies auch auf die Priscus-Liste, eine Zusammenstellung von Arzneimitteln, die im Alter potenziell ungeeignet sind. Diese Liste sollte allerdings mit fachmännischer Kompetenz angewandt werden. Ganz wichtig ist die regelmäßige Medikationsüberprüfung, mindestens zweimal im Jahr. Denn viele Arzneitherapien werden im Alter als Dauermedikation begonnen, aber nicht mehr hinterfragt und auf ihre therapeutische Notwendigkeit überprüft. Sein Appell: Die öffentliche Apotheke als wichtige Anlaufstelle für ältere Patienten ist prädestiniert dafür, den Überblick über die Medikation zu behalten und so zu einer sicheren und effektiven Arzneitherapie beizutragen. 

Dr. Eric Martin

Bluthochdruck kann heute mit einer beeindruckenden Vielzahl effektiver Therapieprinzipien und Wirkstoffen behandelt werden, wie Dr. Eric Martin, Marktheidenfeld, zeigte. Evidenzbasierte Leitlinien ermöglichen zudem einen optimalen Einsatz der nicht-medikamentösen und pharmakologischen Ressourcen. Eine Hochdrucktherapie sollte von drei Seiten angegangen werden: Begleitende Risiken erkennen, den Lebensstil ändern und Pharmakotherapie. Hier ist zu entscheiden, ob man die Blutdrucksenkung mit einer Mono- oder eine Kombinationstherapie aus zwei oder drei Antihypertonika angehen muss, auch abhängig von Begleiterkrankungen. Heute kann bei den meisten Patienten der Blutdruck effektiv kontrolliert und so auch das kardiovaskuläre Risiko gesenkt werden. Aber: Noch immer erhält ein erheblicher Teil der Hypertoniker keine Behandlung. Und: Bei den Behandelten ist die Versorgungsqualität selbst bei Hochrisikogruppen mehrheitlich unzureichend.


Was der Apothekertag sonst noch bot


Der Vortrag von Dr. Frank Diener, Treuhand Hannover, betrachtete die Filialisierung bei den Apotheken. Wir werden in einer der nächsten Ausgabe hierüber berichten.


Auf dem Programm standen außerdem vier Vorträge für PTA zu den Themen Raucherentwöhnung, Gedächtnistraining, Schmerztherapie und Prävention in der Apotheke. Abgerundet wurde das Fortbildungsangebot durch ein ABDATA-Seminar über Testkäufe und Interaktionsberatung sowie einem Seminar zur Klinischen Pharmazie.

Himmlische Abendveranstaltung in der Münsteraner Disco "Heaven": gute Stimmung, ein Musiker-Duo vom Feinsten und italienisches Essen (möglich gemacht dank der Hauptsponsoren des Abends, Anzag und Noweda).

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