Arzneimittel und Therapie

Schützen Cholesterinsenker vor Virusinfektionen?

Über den Zusammenhang zwischen menschlichem Immunsystem und einem möglicherweise veränderten Metabolismus nach einer viralen Infektion ist derzeit noch wenig bekannt. Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern hat jetzt bei der Bearbeitung dieser Fragestellung eine neue interessante Therapieoption entdeckt. Während die bislang verwendeten antiviralen Medikamente das Virus direkt angreifen und häufig Resistenzen die Folge sind, könnten Virusinfektionen künftig durch Präparate bekämpft werden, die auch den Cholesterinspiegel senken.

Bei Patienten unter einer Interferon-Behandlung werden auch erniedrigte Cholesterin-Werte gemessen. Der Botenstoff stimuliert das Immunsystem, aber ein Zusammenhang mit dem Fettstoffwechsel ist weitgehend nicht untersucht. Andererseits sind Mikroorganismen wie Bakterien und Viren während ihrer Vermehrung auf Cholesterin angewiesen. Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern untersuchte jetzt den Zusammenhang zwischen dem Cholesterin-Stoffwechsel und einer viralen Infektion.

Alpha-Interferon als Schlüsselsubstanz

In einem klinisch relevanten Modellversuch wurden Zellen aus dem Knochenmark von Mäusen zunächst mit Zytomegalie-Viren infiziert. Bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem kann Zytomegalie zu einer ernsten Erkrankung, häufig mit schweren Lungenentzündungen, führen. Nach der Infektion produzierten die Zellen vermehrt Interferon (IFN α), das vor allem von den Leukozyten gebildet wird und das Immunsystem stimuliert. Gleichzeitig wurde aber auch die Bildung von Enzymen des Cholesterin-Stoffwechsels reduziert. Die Folge davon war eine deutlich verringerte Cholesterin-Synthese. Ähnliche Ergebnisse wurden auch bei einer Infektion mit anderen Viren erhalten. Weitere tierexperimentelle Untersuchungen wurden mit bekannten Cholesterin senkenden Medikamenten durchgeführt. In Mäusen und Zellkulturen war die Vermehrung von Zytomegalie-Viren nach einer Applikation mit Statinen und small interfering RNAs (siRNAs) deutlich reduziert.

Die Wissenschaftler, die zum ersten Mal einen Zusammenhang zwischen Immunsystem und Fettstoffwechsel nachweisen, gehen davon aus, dass die Herunterregulierung des Sterolstoffwechsels über alpha-Interferon der entscheidende Schritt nach einer viralen Infektion ist. Der nächste Schritt sei daher zu untersuchen, ob die bereits existierenden Medikamente, die den Cholesterinspiegel senken, auch das Immunsystem stärken.

Die gezielte Stärkung der Immunabwehr durch Modifizierung des Wirtsstoffwechsels wäre ein völlig neuer Therapieansatz bei viralen Infektionen. Die jetzt eingesetzten antiviralen Medikamente attackieren die Mikroorganismen direkt und führen dann zu einer Resistenzbildung und damit Unwirksamkeit.


Quelle

Blanc, M.; et al.: Host defense against viral infection involves interferon mediated down-regulation of sterol biosynthesis. PloS Biol. 2011, 9(3), e1000598. doi:10.1371, vom 8. März 2011.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 11, S. 47

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