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Aktenzeichen XY – bald gelöst bei Versicherungen

XY oder XX: Hinter diesen Buchstaben verbirgt sich weitaus mehr als die genetische Entsprechung von "Mann" oder "Frau". Versicherer machten jahrzehntelang Risiken und damit Beiträge am Geschlecht fest. Ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) beendet diese Praxis bis Dezember 2012.

Kalkulierten die Versicherer bis dato rein nach dem Risiko, berappten Frauen und Männer verschieden hohe Summen für ihre Policen. Als vorsichtige Autofahrerinnen etwa zahlten Frauen deutlich weniger für eine Kfz-Haftpflichtversicherung. Im Gesundheitsbereich hatten Statistiker die um fünf Jahre längere weibliche Lebenserwartung ins Kalkül gezogen. Hohe Beiträge für private Rentenversicherungen, aber günstigere Tarife für Risiko-Lebensversicherungen waren die Folge. Der Praxis, Tarife am Geschlecht festzuzurren, hat der Europäische Gerichtshof jetzt einen Riegel vorgeschoben.

Unisex-Tarife ab 2012

Geklagt hatten zwei belgische Männer, die sich durch höhere Tarife bei einer Lebensversicherung diskriminiert sahen. Die EU-Generalanwältin Juliane Kokott wies in ihrem Gutachten darauf hin, dass entsprechende Anbieter gegen geltendes Recht verstoßen. Bereits 2004 forderte die europäische Gleichstellungsrichtlinie nämlich sogenannte Unisex-Tarife, und zwar spätestens bis Ende 2007.

Dennoch hielt Kokott Ausnahmen für gerechtfertigt, wenn das Geschlecht eben doch ein "bestimmender Risikofaktor" sei. Sie verstand darunter "allenfalls eindeutig nachweisbare biologische Unterschiede", nicht aber Statistiken.

Der EuGH, der an die Empfehlungen der Generalanwältin nicht gebunden ist, verwarf diesen Standpunkt. Stattdessen forderten die Richter alle Versicherer auf, bis zum 21. Dezember 2012 geschlechtsspezifische Risiken aus ihren Kalkulationen zu entfernen. Diese seien eine unzulässige Diskriminierung, heißt es in der Urteilsbegründung. Bestehende Verträge hingegen werden nicht angetastet.

Ein Schritt in Richtung Chancengleichheit

Kritik kam von Vertretern der Versicherungsbranche, die das Urteil als "ungerecht" bewerteten. Geschlechtsspezifische Risiken seien und blieben unverzichtbare Mittel, um den gewünschten Versicherungsschutz für alle Kunden möglichst günstig und risikogerecht anzubieten, so der Vorstandsvorsitzende der Allianz Deutschland, Markus Rieß. ADEXA hingegen sieht in der höchstrichterlichen Entscheidung einen "Schritt in Richtung Chancengleichheit", so die Erste Vorsitzende Barbara Neusetzer. Es könne nicht angehen, dass "Lebensrisiken wie etwa Schwangerschaften nicht auf allen Schultern verteilt werden".


Michael van den Heuvel



DAZ 2011, Nr. 11, S. 91

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