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Der größte Feind des Apothekers ...

Peter Ditzel

Nicht nur Politiker, wettbewerbsfanatische Ökonomen oder Kampagnenjournalisten setzen dem deutschen Apothekensystem zu. Seien es AMNOG mit den für viele Apotheken desaströsen Auswirkungen, die Monopolkommission mit Vorschlägen, wie man Apotheken in einen noch ruinöseren Wettbewerb schickt, oder Fernsehmagazine und Boulevardzeitungen, die glauben, Neidkampagnen gegen Apotheken fahren zu müssen.

Immer wieder sind es auch Apotheker selbst, die sich für cleverer halten, indem sie sich mit dubiosen Marketingaktionen in Graubereichen des Marktes tummeln und nur auf eigene Vorteile aus sind. Dabei wollen sie in keiner Weise daran denken, welche Auswirkungen ihre Aktivitäten haben, welche politischen Signale sie damit aussenden. Und sie vergegenwärtigen sich nicht, dass ihnen ihr Verhalten, wenn überhaupt, nur einen kurzzeitigen Vorsprung verschafft. Andere werden nachziehen und der Kinoeffekt setzt ein: Wenn die vorderen Reihen aufstehen, um besser zu sehen, müssen sich auch die hinteren Reihen von ihren Plätzen erheben – und am Schluss stehen alle und sehen gleich gut wie vorher, aber im Stehen.

Ein unrühmliches Beispiel dafür sind die leidigen Rabatte und Boni auf Rezepte, von denen einige Apotheken selbst nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht lassen können. Eigentlich sollten es Apotheken zu schätzen wissen, dass es in Deutschland einen einheitlichen Arzneimittelpreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel gibt. Dennoch glaubten einige Apotheker, ihren Kunden einen Bonus auf Rx-Arzneimittel geben zu müssen, obwohl sie damit den einheitlichen Preis unterliefen. Dies führte zwangsläufig zu mehreren Gerichtsverfahren, die dann einen vorläufigen Abschluss mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes fanden. Das Urteil war nicht restlos zufriedenstellend: Es betrachtete die wettbewerbsrechtliche Seite dieser Frage, wonach ein Bonus unterhalb einer Spürbarkeitsgrenze nicht zu beanstanden sei, hieß es da. Genau definiert wurde diese Grenze allerdings nicht: ein Euro sei nicht zu beanstanden, fünf Euro seien zu viel. Offen blieb auch, ob die Bonuszahlung pro Arzneimittel oder pro Rezept gemeint ist.

Aber, selbst wenn eine Apotheke nun glaubt, einen Ein-Euro-Bonus geben zu können: arzneimittelrechtlich bewegt sie sich dabei im Sperrgebiet, die Aufsichtsbehörden können jede Art von Rezeptbonus verbieten. Und so bahnen sich erneut Verfahren gegen Apotheken an, die sich auch nach dem BGH-Urteil nicht davon abhalten lassen, Kunden mit Boni-Zahlungen auf Rx-Arzneimittel oder dem Erlass der Rezeptzuzahlung zu locken. Warum will man nicht einsehen, dass man mit diesem Verhalten mehr Schaden anrichtet? Solche Apotheken senden das Signal aus, dass trotz AMNOG noch genügend finanzieller Spielraum vorhanden ist, um Boni zu geben. Politiker könnten leicht auf die Idee kommen, auch diese Rabatte für die GKV abzuschöpfen.

Kurzsichtig gedacht ist auch das Verhalten eines Apothekers in Nordrhein-Westfalen, der nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel in seine Freiwahl und Selbstbedienungsregale stellen möchte und dies sogar vor dem Bundesverwaltungsgericht erstreiten will. Selbst wenn er damit argumentieren sollte, dass der Verbraucher heute OTC-Arzneimittel quasi wie in einer Freiwahl ohne Beratung selbst aussuchen kann und er dadurch in seiner Vor-Ort-Apotheke benachteiligt wäre – er sollte diese subjektiv empfundene Benachteiligung in Kauf nehmen. Zum einen: Es ist eine Frage der Arzneimittelsicherheit. OTCs sind hochwirksame Arzneimittel, die durch die Hand des Apothekers zum Kunden gelangen sollten. Zum andern: Der nächste Schritt läge auf der Hand: Dürften heute OTCs in der Freiwahl der Apotheke angeboten werden, wären sie schon morgen im Selbstbedienungsregal von Aldi, Lidl, Rossmann, Schlecker und dm. Und damit so gut wie weg aus der Apotheke.

Einen größeren Gefallen könnte dieser Apotheker den Drogerieketten und Discountern nicht tun. Denn diese bemühen sich bereits seit einiger Zeit, mit der Aufnahme von bisher freiverkäuflicher aber apothekenexklusiver Ware ins Sortiment ihren Kunden Kompetenz in Sachen Gesundheitsprodukte vorzuspielen und sich als Mini-Apotheke oder "Apotheke light" zu gerieren. Glaubt man führenden Herstellern solcher apothekenexklusiver Produkte, so beliefern sie diese Verkaufsstätten nicht mit ihrer Ware. Auch der Großhandel will nicht der Lieferant gewesen sein. Die Vermutungen gehen in Richtung Apotheken, die ein Geschäft damit machen, apothekenexklusive Ware im großen Stil zu beziehen und an Dromärkte weiterzuverkaufen.

Traurig, aber wahr: Noch immer gilt das geflügelte Wort "Der größte Feind des Apothekers ist der Apotheker selbst".


Peter Ditzel



DAZ 2011, Nr. 10, S. 3

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