Gesundheitspolitik

Arzt wegen Bestechlichkeit zu Geldstrafe verurteilt

Wende in der Rechtsprechung: Ärzte können sich als Beauftragte der gesetzlichen Kassen nach dem StGB strafbar machen

Berlin (ks). Ein Hamburger Vertragsarzt ist zu einer Geldstrafe von 27.000 Euro – 90 Tagessätze à 300 Euro – verurteilt worden. Er hatte für die Verordnung von Ratiopharm-Präparaten Umsatzbeteiligungen von dem Ulmer Generikaunternehmen eingestrichen. Die Richter subsumierten dies unter den Straftatbestand der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 1 StGB). Auch Apotheker sollte das Urteil aufhorchen lassen.

Mit dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Dezember setzt sich die Rechtsprechungslinie fort, die schon das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig im Fall des Zusammenwirkens von Vertragsarzt und Apotheker vertreten hat. Nach dem im letzten Jahr ergangenen OLG-Beschluss hat der Vertragsarzt bei der Arzneimittelversorgung gesetzlich Krankenversicherter eine "Schlüsselposition" inne. Da er maßgeblich dafür verantwortlich sei, ob zwischen der Krankenkasse und der Apotheke ein Vertrag über den Kauf von Medikamenten zustande kommt, handele er in diesem Rahmen als Vertreter der Krankenkassen und nehme insoweit deren Vermögensinteressen wahr. Daher sei er Beauftragter der Gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne des § 299 Abs. 1 StGB (siehe hierzu auch DAZ 16/2010, S. 32).

Sieben Schecks über insgesamt mehr als 10.000 Euro

Ebenso sieht es jetzt auch das LG Hamburg – wenn auch im Rahmen eines anderen Sachverhalts. Angeklagt wurde hier eine Ratiopharm-Außendienstmitarbeiterin und ein Arzt. Diese hatten eine Vereinbarung zum sogenannten "Verordnungsmanagement" (VOM) geschlossen. Danach sollte der Arzt eine Prämie in Höhe von 5 Prozent des Herstellerabgabepreises aller im jeweiligen Quartal verordneten Ratiopharm-Medikamente erhalten. Dafür sollte er diese Medikamente allerdings auch vorrangig verschreiben. Der angeklagte Arzt gab im Prozess zu, in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt sieben Schecks von der Ratiopharm-Mitarbeiterin angenommen zu haben. Die Beträge lagen zwischen 1269 und 1750 Euro – insgesamt kamen 10.641 Euro zusammen. In seiner Praxis war eine Software installiert, die bei Aufruf einer Medikamentengruppe zunächst Ratiopharm-Produkte vorschlug. Dabei ging die Absprache zwischen den beiden Angeklagten allerdings nicht soweit, dass ein Austausch durch das Setzen des Aut-idem-Kreuzes ausgeschlossen wurde. Ratiopharm wiederum hatte Zugriff auf die Verordnungsdaten und konnte so die vereinbarte prozentuale Umsatzbeteiligung genau ermitteln.

Während noch vor wenigen Jahren kaum jemand daran gedacht hätte, hier eine Strafbarkeit des Arztes wegen Bestechlichkeit anzunehmen, scheint nun ein Wendepunkt erreicht. Auf 59 Seiten führt das Landgericht aus, warum die Tatbestandsmerkmale des § 299 Abs. 1 StGB erfüllt sind. Dabei setzt es sich auch eingehend mit den Argumenten jener auseinander, die diesen Straftatbestand nicht für einschlägig halten. Die Hamburger Richter kommen zu dem Schluss, dass der Vertragsarzt hinsichtlich der Verschreibung von Arzneimitteln gesetzlich Beauftragter der Krankenkassen ist. Kernproblem sei die Frage, ob der Vertragsarzt bei der Verschreibung von Medikamenten ausschließlich in seinem eigenen Aufgabenbereich tätig wird, oder ob er zumindest daneben auch im Auftrag der jeweiligen Krankenkasse zur Erledigung derer Aufgaben berufen ist. Das Landgericht legt das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung dahingehend aus, dass der Vertragsarzt in diesen Fällen zumindest auch für die Krankenkasse handelt und dabei für diese Entscheidungen trifft. Die Verordnung könne jedenfalls nicht nur als seine Entscheidung angesehen werden.

Anders als im Braunschweiger Fall – dort wurde die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zugelassen, weil sich die weiterhin erforderliche Unrechtsvereinbarung nicht nachweisen ließ – sieht das Landgericht Hamburg auch die anderen Tatbestandsmerkmale des § 299 Abs. 1 StGB erfüllt. Das letzte Wort wird in diesem Fall wohl der Bundesgerichtshof sprechen. Es liegt im allgemeinen Interesse, dass die Frage der Bestechlichkeit von Vertragsärzten höchstrichterlich geklärt wird. Das Verfahren gilt als Pilotverfahren in der Aufarbeitung des 2005 vom "Stern" aufgedeckten Ratiopharm-Skandals, der für große Umwälzungen im Unternehmen gesorgt hatte.

Auch für Apotheker ist das Urteil relevant

Auch Apotheker sollten das Urteil wachsam zur Kenntnis nehmen. Möglicherweise könnten einige ihrer Tätigkeiten auch als solche zu verstehen sein, die sie als Beauftragte der Krankenkassen durchführen. Darüber hinaus können sie bei einer zweifelhaften Zusammenarbeit – wie im Braunschweiger Fall bzw. vorliegend die Ratiopharm-Außendienstmitarbeiterin – dem Vorwurf der Bestechung (§ 299 Abs. 2 StGB) ausgesetzt sein. "Jetzt müssen sich Apotheken der Gefahr bewusst werden, dass sie – wenn sie ein bestimmtes Limit überschreiten – auch vor strafrechtlichen Sanktionen nicht sicher sind", kommentierte Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Apothekervereins, das Urteil gegenüber der AZ. Angesichts der veränderten Rechtsprechung sollten sie ihre finanziellen Beziehungen zur Pharmaindustrie noch einmal überdenken.



AZ 2011, Nr. 6, S. 3

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