Gesundheitspolitik

Vernebelungstaktik

Klaus G. Brauer

Dass dem Bundesverband der Versandapotheken (BVDVA, 31 Mitglieder) das DAZ-Editorial "Diskriminierung hier, Privilegierung dort" nicht besonders schmecken würde, war zu erwarten (s. DAZ Nr. 44, Seite 3, und DAZ Nr. 48, Seite 111). Die im Editorial auf gezeigten, ungleich strengen Anforderungen an Vor-Ort- und an Versandapotheken bleiben vor allem gesundheitspolitisch ein Skandal, sind zusätzlich aber auch wettbewerbspolitisch nicht zu rechtfertigen. Die Ungleichbehandlung würde noch verschärft, wenn der Entwurf zur Apothekenbetriebsverordnung unverändert verabschiedet würde.

Es ist evident und wird auch vom Verordnungsgeber konstatiert, dass Patienten ihren Informations- und Beratungsbedarf oft nicht selbst erkennen können. Die Forderung, dass der Apotheker deshalb nicht nur auf Fragen warten kann, sondern von sich aus aktiv werden muss, ist deshalb folgerichtig. Aber diese Forderung, ist auch an Versandapotheken zu stellen. Deren Kunden sind nicht minder darauf angewiesen, dass Apotheker aktiv unerkannten Beratungsbedarf aufdecken.

Dass Versandapotheken dabei als Regelfall (!) nur die Telekommunikation zur Verfügung steht und nicht das (vorzuziehende) persönliche Gespräch, versteht sich. Für Vor-Ort-Apotheken wird aber nicht einmal im Ausnahmefall (!) als ausreichend angesehen (z. B. beim Botendienst, wenn der Patient vorher in der Apotheke keinen persönlichen Kontakt mit pharmazeutischem Personal hatte), was bei Versand-Apotheken angeblich immer reicht.

Das ist eines von vielen Elementen, an denen sich ableiten lässt, dass Versand-Apotheken vom Verordnungsgeber ohne zwingenden Grund privilegiert und Vor-Ort-Apotheken ohne ausreichende Rechtfertigung diskriminiert werden. Im einen Fall (obwohl der Regelfall!) soll reichen, wenn ein nicht an Weisungen der Apotheke gebundene Post- oder Paketdienstbote das Arzneimittel aushändigt. Im anderen Fall (obwohl nur Ausnahme!) soll vorgeschrieben werden, dass der weisungsgebundene Bote als Apotheker approbiert oder zumindest examinierte PTA ist. Die Begriffe "Privilegierung" und "Diskriminierung‘ sind treffend, aber vielleicht noch zu milde, um die beiden Fälle zu charakterisieren. Dass der BVDVA dies ungern hört und zum Kaschieren Nebelkerzen wirft, passt ins Bild.


Klaus G. Brauer



AZ 2011, Nr. 50, S. 1

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