Wirtschaft

DAX: Spekulationen um Italien

Nach Griechenland jetzt Italien im Fokus – gute Unternehmensdaten von Politik überschattet

(hps). Italienische Anleihen stürzen ab. Hinter vorgehaltener Hand spricht man angeblich bereits über eine Verkleinerung der Eurozone. Die Gerüchteküche brodelt. Die Börse hat mit Italien einen neuen Prügelknaben gefunden. Nun hofft man am Parkett auf etwas, was den Italienern traditionell schwer fällt: stabile politische Verhältnisse.

Die Marktlage

Es kommt – es kommt nicht. Er geht – er geht nicht. Ob nun das Hin und Her um das griechische Referendum zu den geplanten Sparmaßnahmen oder die Spekulationen um den Rücktritt von Italiens Ministerpräsident Berlusconi – die Börsen reagieren inzwischen auf jedes Gerücht aus Europas Schuldenhochburgen. Nun konzentrieren sich die Akteure – nach Papandreous Rücktritt – zunehmend auf Italien. Rom muss sich nicht nur von der Troika der EU auf die Finger schauen lassen, sondern wird zusätzlich noch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) kontrolliert – was die Gemüter am Parkett allerdings nur vorübergehend beruhigen konnte. Die kurze Freude über den Rücktritt von Ministerpräsident Berlusconi ist schnell der Sorge um Italiens langfristige Finanzierbarkeit gewichen. Italien ist der drittgrößte Schuldner der Welt. Die Investoren erleben derzeit eine ganz und gar politische Börse, bei der die Unternehmensdaten aus der laufenden Berichtssaison zur völligen Nebensächlichkeit degradiert werden. Dabei gab es von dieser Front durchaus erfreuliches zu berichten. Gute Zahlen kamen von Siemens, der Post und der Deutschen Telekom. Bei E.ON und RWE hatte man im Vorfeld mit schwächeren Zahlen infolge des Atomausstiegs gerechnet. Unter dem Strich fielen die Gewinne indes auch hier besser als erwartet aus. Fundamental kann man sich also nicht beklagen. Dennoch dominiert die Politik das Tagesgeschehen. Man hofft auf klare Signale aus Rom.

Bulle & Bär – Was bringt die neue Börsenwoche?

Im Zuge der schwelenden Schuldenkrise und der schlechten Wirtschaftsaussichten sehen Strategen für den DAX kaum mehr Aufwärtspotenzial. So hält die Hessische Landesbank deutsche Aktien auf dem gegenwärtigen Kursniveau für fair bewertet – mehr aber auch nicht. Für weitere Kurssteigerungen mangle es an entsprechenden Wachstumsperspektiven. Auch nach Ansicht der Experten der Landesbank Berlin hat das Parkett die besten Kurse nach dem "goldenen Oktober" bereits gesehen – und mahnen Investoren zur Vorsicht. Extremer Pessimismus auch unter Großanlegern und institutionellen Investoren. Nach der Sentimentanalyse der Firma Sentix unter 750 Investoren ist die Stimmung so skeptisch wie schon seit einem Jahr nicht mehr. Doch es gibt auch Optimisten. Manche Fondsmanager bezeichnen den jüngsten Börsenabsturz vor dem Hintergrund der derzeit niedrigen Unternehmensbewertung als "grandiose Fehlentscheidung" und raten zum Kauf.

Der Theaterdonner, den die Pessimisten derzeit am Parkett vorführen, ist auf den ersten Blick durchaus beeindruckend. Ihre Strategie hatten gewisse Kreise im Prinzip ja im Vorfeld bereits bekanntgegeben. Italien stand schon auf der Agenda, als alle Augen noch auf den sich anbahnenden Regierungswechsel in Athen gerichtet waren. Und während man aktuell in Rom noch versucht, das Machtvakuum nach Berlusconi zu füllen, wird bereits der Name des nächsten Kandidaten herumgereicht, der als Zielscheibe dienen soll: Spanien. Sieht man sich unterdessen die Ölnotierungen an, so braucht man bei einer Notierung von stolzen 97 Dollar pro Barrel der Sorte WTI wohl nicht Grund zur Befürchtung haben, die Weltwirtschaft stehe vor dem Kollaps. Und der Euro erscheint mit 1,36 Dollar für ein vermeintlich sich im Niedergang befindliches Europa geradezu utopisch bewertet. Doch es scheint so, als habe man sich an die Hiobsbotschaften aus Athen gewöhnt. Die Akteure haben das Land inzwischen abgeschrieben. Der Grundtenor ist nach der guten Berichtssaison positiv. Man wartet nur darauf, dass in Italien bald politisch die Weichen richtig gestellt werden. Und es gibt noch ein weiteres Pro-Argument für kurzfristig steigende Aktienkurse: Die Anleihenmärkte in Deutschland und den USA sind in geradezu absurde Höhen geschossen. Lässt die Panik nach, wird hier sehr viel Geld frei gesetzt werden. Der Weihnachtsmann muss mit seiner Börsenrallye also wohl einige Umwege in Kauf nehmen. Das wird er den Italienern gewiss übel nehmen.


Eckdaten zum 10. November 2011 (alle Angaben ohne Gewähr)
DAX (10. 11., 13.00 h)
5895 Punkte
Dow Jones (9. 11., Schluss)
11.780 Punkte
Gold (Feinunze)
1765,70 Dollar
Tagesgeld 5000 € (Durchschnitt)
1,80%
Festgeld 3 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Einlagensicherung*
1,33%
2,75% (NBC-Direkt)
Festgeld 12 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Einlagensicherung*
1,89%
3,15% (NBC-Direkt)

*Quelle: www.fmh.de



AZ 2011, Nr. 46, S. 4

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