Wirtschaft

Die betriebliche Altersvorsorge – worüber der Arbeitgeber aufklären muss

Große Herausforderung durch die Komplexität der bAV-Materie

Mit der Neufassung vieler Tarifverträge zur betrieblichen Altersvorsorge (bAV) geraten insbesondere kleine und mittlere Betriebe verstärkt in den Fokus der Vertriebsbemühungen von Finanzdienstleistern. Dieser Trend wird sich zukünftig eher noch verstärken. Da viele schon bald unter einem enormen Fachkräftemangel zu leiden haben werden, entsprechen sie nämlich nahezu mit Idealmaß einer Zielgruppe, bei der der Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersvorsorge noch am geringsten, aber am nötigsten ist.

Die Komplexität der bAV-Materie stellt nun jedoch seit Langem viele Arbeitgeber vor eine große Herausforderung. Umgekehrt verleitet das hohe juristische Abstraktionsniveau so manchen Versicherungsvermittler zu waghalsigen Verkürzungen, die sich am Rande des Vertretbaren bewegen. Ob allerdings eine bAV-Beratung hauptsächlich als juristische Rechtsdienstleistung zu charakterisieren sei (für die es einer besonderen Befugnis bedürfte) oder "bloß" eine Dienstleistung, die als "Nebenleistung" von Versicherungsvermittlern erbracht werden kann, ist derzeit umstritten. Unabhängig von dieser Kontroverse soll in der folgenden Übersicht nur auf die Rechtslage bezüglich der Aufklärungspflicht des Arbeitgebers über die bAV hingewiesen werden.

Umfang der Aufklärungspflicht

Zu diesem Punkt findet man auf diversen Internetseiten und einschlägigen Werbedruckstücken die erstaunlichsten Auffassungen. Oft kumulieren diese in der Mitteilung, dass den Arbeitgeber eine grundsätzliche Aufklärungspflicht treffe bzw. der Arbeitnehmer über seinen Rechtsanspruch bezüglich der Entgeltumwandlung zu "beraten" sei. Tatsächlich aber legt das Bundesarbeitsgericht einen weitaus unbestimmteren Maßstab an, operiert im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben gem. § 242 BGB mit einer Abwägung aller Einzelfallinteressen. Vor allem jedoch werden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung verschiedene Sachverhaltskonstellationen differenziert betrachtet, so dass sich eine derart vergröbernde Pauschalaussage verbietet. Will man deshalb "den sichersten Weg" beschreiten, empfiehlt es sich wie folgt zu unterscheiden:

  • Informationspflicht vor Abschluss eines Arbeitsvertrages;

  • Nachweispflicht nach Nachweisgesetz (NachwG),

  • Nachweispflicht bei Erteilung einer Versorgungszusage im laufenden Arbeitsverhältnis und

  • Nachweispflicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.


Informationspflicht vor Abschluss eines Arbeitsvertrages. Vor Abschluss eines Arbeitsvertrages ist ein Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet, von sich aus Einzelheiten über die bAV in seinem Unternehmen zu offenbaren. Ausnahmsweise können den Arbeitgeber Informationspflichten hier treffen, wenn z. B. beabsichtigt ist, den potenziellen Arbeitnehmer im Ausland einzusetzen und diesem die daraus resultierenden Besonderheiten seiner Altersversorgung nicht bekannt sind.


Nachweispflicht nach NachwG. Einen Monat nach vereinbartem Beginn des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niederzulegen. Als essentialia negotii sind in den Vertragsnachweis auch die Höhe, die Zusammensetzung und Fälligkeit des Arbeitsentgelts aufzunehmen. Unter den Begriff des "Arbeitsentgelts" fallen danach auch die Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge.

Ist die Altersversorgung in einem Tarifvertrag geregelt, genügt der Arbeitgeber der Nachweispflicht durch einen allgemeinen Hinweis auf die kollektiv-arbeitsrechtliche Regelung; eine detaillierte Darstellung des Tarifvertragsinhaltes ist nicht erforderlich.


Informationspflicht bei Erteilung einer Versorgungszusage. Besitzt der Arbeitnehmer bei Erteilung der Zusage verschiedene Möglichkeiten der Versorgung z. B. auch durch andere Versorgungsträger, besteht für diesen ein erkennbarer Entscheidungsbedarf und überwiegt die Chance zur Informationsbeschaffung seitens des Arbeitgebers, so hat dieser den Mitarbeiter zu unterrichten. Dies muss – egal, ob der Arbeitnehmer zur Auskunft verpflichtet ist oder nicht – sachlich richtig, eindeutig und umfassend geschehen.

Für den Arbeitgeber ist das Interesse an der Entgeltumwandlung besonders hoch. Hier können sich – je nach Auswahl der Gestaltungsform – unterschiedliche steuer- und sozialabgabenrechtliche Konsequenzen in der Anwartschafts- und Leistungsphase ergeben. Auf den Arbeitgeber kann das Risiko einer falschen Versorgungsanalyse nicht abgewälzt werden. Weder aus dem Gesetz noch aus der Kasuistik ergibt sich eine generelle Aufklärungspflicht – nicht einmal grundsätzlich zum Anspruch des § 1a BetrAVG.

Solange der einzelne Arbeitnehmer nicht explizit nachfragt, kann sich eine generelle Aufklärungspflicht nur ausnahmsweise aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergeben, etwa wenn ein Arbeitnehmer erkennbares Informationsbedürfnis hat und ein Arbeitgeber leichter an die erforderlichen Informationen herankommt.

Anders können die Dinge hinsichtlich der Leistungsstruktur liegen. Als Grundsatz kann hier festgehalten werden: Je stärker der Arbeitgeber Einfluss auf die Vertragsauswahl- und -ausgestaltung nimmt (etwa durch bestimmte Empfehlungen oder betriebsinterne Vereinbarungen), desto größer ist seine Aufklärungspflicht.

Wird die Altersversorgung über einen externen Versicherungs- oder Versorgungsträger abgewickelt, genügt der Arbeitgeber seinen Pflichten, wenn er an seinen Mitarbeiter die vom Versicherungsunternehmen zur Verfügung gestellten Unterlagen weiterreicht. Erweisen sich die Unterlagen/Produktinformationen des Versicherers als fehlerhaft, trifft den Arbeitgeber mangels eigenen Verschuldens keine Haftung. Eine Zurechnung für falsches Vermittlerverhalten über § 278 BGB (Erfüllungsgehilfe) kann nur soweit reichen, wie die eigene Informationspflicht des Arbeitgebers gereicht hätte. Das wiederum hängt vom vorangegangenen Engagement des jeweiligen Arbeitgebers ab – siehe oben.


Informationspflichten bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt in den Ruhestand, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gem. § 4a Abs.1 Nr. 1 BetrAVG auf dessen Verlangen über die Erfüllung der Voraussetzungen für eine unverfallbare Anwartschaft und deren Höhe Auskunft zu erteilen.

Etwas anderes kann sich nur aus besonderen Fällen des Einzelfalles ergeben, wenn der Arbeitnehmer erkennbar auf Information angewiesen ist, diese sich aber – aufgrund mangelnder Lebenserfahrung, Verständnisschwierigkeiten – aber nicht selbst beschaffen vermag.

Gesteigerte Aufklärungspflicht trifft den Arbeitgeber jedoch im Falle eines Aufhebungsvertrages, der auf seine Initiative und in seinem Interesse zustande kommt. Durch die Aufhebungsvertragsinitiative erweckt der Arbeitgeber den Anschein, er werde auch bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages die Arbeitnehmerinteressen wahren, diesen nicht einem Versorgungsrisiko aussetzen.

Der konkrete Inhalt und Umfang der Aufklärungspflicht ergibt sich wieder aus einer Abwägung der Informationsinteressen des Arbeitnehmers und der Beschaffungschance des Arbeitgebers im Einzelfall. Verletzt der Arbeitgeber hierbei seine Aufklärungspflicht, kann der Arbeitnehmer Schadensersatz in Höhe des entstandenen Versorgungsschadens gem. § 280 Abs. 1 BGB beanspruchen.

Fazit

Das "Problem" der Komplexität der bAV muss kein Hindernis sein. Voraussetzung ist eine vernünftige Kommunikation zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Korrekte Beratung, juristisch fundiert, ist ein Prüfstein für die Versicherungsbranche, an dem sich messen wird, ob diese Sparte überhaupt in deren Zuständigkeit verbleiben wird..


Oliver Timmermann, Assessor Debeka, München



AZ 2011, Nr. 44, S. 4

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