Wirtschaft

DAX: Wie gewonnen, so zerronnen

US-Notenbank mit schwachem Konjunkturausblick – bisheriges Jahrestief vor erneutem Test

(hps). Sie gelten als Helfer in der Not und sie zogen wieder einmal aus, um die Welt zu retten. Doch weder das Konjunkturprogramm von US-Präsident Obama noch die geldpolitischen Manöver von Notenbankchef Bernanke vermochten das Parkett zu überzeugen. Unterdessen scheint sich die Schuldenkrise langsam in die Unternehmensbilanzen zu schleichen.

Die Marktlage

Es hätte die Wende sein sollen. Zumindest hatten das einige Strategen wie zum Beispiel bei der Union Investment, Dekabank oder Allianz Global Investors geglaubt und ihre Anleger zum Einstieg ermuntert. Doch die jüngste Kurserholung entpuppte sich als kurzes Intermezzo. Börsenpsychologisch scheint die Angelegenheit nun langsam kritisch zu werden. Das Repertoire an Zaubertricks der Verantwortlichen in Politik und Geldwirtschaft ist inzwischen stark begrenzt. Dennoch werden wieder "die üblichen Verdächtigen" als Hoffnungsträger am Parkett gehandelt: Präsident Obama mit seinem 447 Milliarden Dollar schweren Konjunkturpaket, das den Befreiungsschlag bringen und durch Steuererhöhungen und Kürzungen bei Sozialausgaben und Militär auf Sicht der nächsten zehn Jahre gegenfinanziert werden soll. Das alles muss aber erst noch durchs Parlament, wo das Programm zerpflückt werden dürfte. Dann noch US-Notenbankchef Bernanke, der aus seinem Arsenal nur kleinere Geschütze in Stellung brachte, weil er sein Pulver bereits weitgehend verschossen hat. Die Notenbank will jetzt Anleihen mit längeren Laufzeiten aufkaufen, um in diesem Bereich die Zinsen nach unten zu bringen. Bislang hatten sich die US-Währungshüter auf kurz laufende Papiere konzentriert. Für die Anleger eine Vorführung ohne großen Unterhaltungswert. Zuvor war schon US-Finanzminister Timothy Geithner mit seiner Zaubernummer, wie man mit Schulden noch mehr Schulden macht, bei seinen europäischen Amtskollegen durchgefallen.

Einen regelrechten Schock erlebten die Anleger indes, als Lufthansa letzte Woche verlauten ließ, dass sich die Gewinne nicht mehr weiter ausbauen ließen. War das nun als Einzelfall oder als Vorbote weiterer Gewinnwarnungen zu werten? Bernanke spricht jedenfalls inzwischen von "signifikanten Abwärtsrisiken". Am Parkett hat man Angst vor etwas, was man nicht klar identifizieren kann – was aber auf dem Weg zu sein scheint. Und die Investoren fühlen sich dabei auf sich gestellt, denn Fiskal- und Geldpolitik dürften am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt sein.

Bulle & Bär – was bringt die neue Börsenwoche?

"Strohfeuer", so lautet das Urteil vieler Analysten mit Blick auf die jüngsten Kursgewinne. Die meisten Strategen sehen keine Lösungsansätze im dauernden Schuldenstreit und misstrauen daher der Kurserholung. Auch bei der Investmentsparte der ING-Bank will man sich trotz niedrigem Bewertungsniveau der DAX-Titel nicht zum Einstieg verleiten lassen. Die Aktienmärkte seien dabei, eine Rezession in der westlichen Welt vorwegzunehmen – und lägen mit dieser Annahme wahrscheinlich richtig. Die Folgen wären Gewinnwarnungen, wodurch sich das derzeit günstige Kurs-Gewinn-Verhältnis zum Nachteil veränderte.

Unterdessen ist die Kurserholung wie vermutet kollabiert. Doch allen Untergangspropheten zum Trotz werden im DAX Substanztitel gehandelt, die zwar bilanztechnisch noch ein paar Bremsspuren aufweisen werden, doch am Ende ihr Geld wert sein dürften. Die zu erwartenden Gewinnreduzierungen werden momentan vom Markt eingepreist – und dafür will man offensichtlich noch tiefere Kurse sehen. Erfolgt dann die Rücknahme der Gewinnerwartung tatsächlich, kann sie für das Parkett keine Überraschung mehr darstellen. Die europäischen Börsen haben von diesem Szenario schon einiges vorweggenommen – die amerikanischen nicht. Dort dürfte sich noch Abgabedruck aufbauen, dem sich allerdings auch der DAX nicht entziehen könnte. Beim Dow Jones muss man von einem Flirt mit der magischen 10.000er Marke (derzeit 10.900 Punkte) ausgehen. Dort steckt das Krisenmanagement politisch in der Sackgasse. Das würde bedeuten, dass auch der DAX seine 5000er Linie nicht halten kann und weitere 400 bis 500 Punkte durchsacken dürfte. Spätestens dann sollte zumindest eine kräftige Zwischenerholung einsetzen, von der bislang noch nicht einmal ansatzweise die Rede sein konnte.


Eckdaten zum 22. September 2011 (alle Angaben ohne Gewähr)
DAX (22. 9., 11.30 h)
5218 Punkte
Dow Jones
(21. 9., Schluss)
10.962 Punkte
Gold (Feinunze)
1772,20 Dollar
Tagesgeld 5000 € (Durchschnitt)
1,83%
Festgeld 3 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Einlagensicherung*
1,29%
2,70% (NBC-Direkt)
Festgeld 12 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Einlagensicherung*
1,87%
3,00% (IKB direkt,
Bank of Scotland)

*Quelle: www.fmh.de



AZ 2011, Nr. 39, S. 4

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