Recht

Wenn das Knöllchen nach dem Urlaub ins Haus flattert

"Strafverfolgung" ohne Grenzen – durchaus grenzwertig

(bü). Bußgelder, die in Frankreich, Spanien oder in anderen Staaten der Europäischen Union (EU) verhängt worden sind, aber nicht an Ort und Stelle kassiert werden konnten, dürfen seit geraumer Zeit in Deutschland eingetrieben werden. Dass dies aber weniger einfach vonstatten geht, als es auf den ersten Blick aussieht, zeigt der Blick in die Details.

  • Die Neuregelung gilt auch für länger zurückliegende Vergehen. Denn entscheidend ist nicht der Tag, an dem ein Autofahrer zum Beispiel mit zu hoher Geschwindigkeit über eine rot zeigende Ampel gebrettert ist. Es kommt vielmehr darauf an, wann der Bußgeldbescheid von der ausländischen Behörde ausgestellt wurde. Die "Zustellfristen" betragen zum Beispiel in Italien ein Jahr, in Frankreich sogar zwei Jahre. Ein zu dichtes Auffahren im August kann also durchaus im Januar des folgenden Jahres offiziell per Knöllchen geahndet werden.

  • Vollstreckt werden zwar Bußgelder erst ab einer Mindesthöhe von 70 Euro, so dass Bagatellverstöße an sich außen vor bleiben. Doch auch die fälligen Gebühren für den Bescheid zählen mit, so dass selbst für einen 60 Euro-Parkverstoß aus den Niederlanden in Deutschland kassiert werden kann.

  • "Punkte in Flensburg" werden jedoch für im Ausland begangene Verkehrssünden nicht fällig. Auch Fahrverbote brauchen – trotz vielleicht beinahe krimineller Energie beim Nichtbeachten der ausländischen Verkehrsregeln – nicht befürchtet zu werden.

  • In "eindeutigen Fällen" empfiehlt ADAC-Jurist Michael Nissen, ein Knöllchen aus dem Ausland schnell zu bezahlen. Wer zu lange wartet, der muss mit kräftigen Aufschlägen rechnen. So verdoppeln sich die Bußgelder in Italien, wenn sie nicht innerhalb von 60 Tagen bezahlt wurden. In Frankreich gibt es ein abgestuftes Bezahlsystem, das zum Beispiel zur Folge haben kann, dass sich ein Bußgeld von 90 Euro bereits nach sieben Tagen um 50 Prozent auf 135 Euro erhöht.

  • Wer einen ordnungsgemäß ausgestellten ausländischen Bußgeldbescheid ignoriert, der muss damit rechnen, dass er bald Post vom deutschen Bundesamt für Justiz erhält. Dagegen kann sich der betroffene Autofahrer wehren, indem er seine Einwände darlegt – etwa, dass er zu dem fraglichen Zeitpunkt gar nicht am Steuer gesessen habe. Äußert er sich nicht, kann schon bald der Gerichtsvollzieher vor seiner Tür stehen

  • Vorher wird von dem Amt jedoch geprüft, ob der ausländische Bußgeldbescheid korrekt ausgestellt wurde. Denn wie fast immer bei Vergehen im Straßenverkehr: Ein Bußgeldbescheid bedeutet nicht gleichzeitig, dass er auch bezahlt werden muss. So braucht ein Brief mit Knöllchen-Inhalt von einem deutschen Autofahrer nicht beachtet zu werden, wenn er nicht in deutscher Sprache abgefasst ist. Niemand muss sich also einen Dolmetscher nehmen, um zum Beispiel einen in ungarischer oder tschechischer Sprache abgefassten Text übersetzen zu lassen. Dies auch dann nicht, wenn ihm aus den Daten des Dokumentes die Fakten eigentlich klar sein müssten.

  • Das Amt verweigert die Vollstreckung auch dann, wenn der Fahrzeughalter in Regress genommen wird (wie generell in Italien, Frankreich und den Niederlanden), obwohl er gar nicht am Steuer gesessen hatte. Hierzulande wird nur der Fahrer zur Kasse gebeten. Bedingung für die Weigerung ist allerdings, dass der deutsche Autohalter "fristgerecht im Tatortland Einspruch eingelegt hat", so der ADAC-Jurist.

  • Hat das Bundesamt für Justiz die gewünschte Vollstreckungshilfe nicht geleistet, so bedeutet das nicht, dass damit der Vorgang ein für allemal unter den Tisch fällt. Autofahrer müssen damit rechnen, bei ihrer nächsten (Ein-)Reise Probleme mit der ausländischen Justiz zu bekommen. Dort werden Verkehrsvergehen gespeichert und – etwa in Italien – erst nach fünf Jahren gelöscht. Eine Polizeikontrolle in dieser Zeit kann also nachträglichen Ärger bringen. Entsprechendes gilt für Bußgeldbescheide aus Nicht-EU-Ländern wie Kroatien, Norwegen und der Schweiz.

  • Wer im Ausland an Ort und Stelle von der Polizei angehalten wird, der darf oftmals nur weiterfahren, wenn er das Bußgeld bezahlt. Geschieht das zum Beispiel in Italien nicht, so stellt die Polizei das Auto so lange sicher, "bis die Rechnung beglichen ist", so wiederum der ADAC. Mehr als 1,5 Promille Alkohol im Blut – und dann am Steuer eines Pkw – kosten hier nicht nur Geld, sondern gleich das ganze Fahrzeug.

  • Da kann ein Verkehrssünder noch von Glück reden, wenn er alkoholisiert angetroffen wird, wenn sich auch die Geldbuße nach seinem Einkommen richtet. Es sei denn, dass er zu den wirklichen Großverdienern gehört. Ein Großunternehmer soll einmal in Höhe von 170.000 Euro zur Bußgeldkasse gebeten worden sein, nachdem er die Mindestgeschwindigkeit von 40 km/h auf 80 km/h ausgedehnt hatte.

  • Ob die ganze Angelegenheit ein "Erfolg" für das Bestreben nach Ahndung von Verkehrsvergehen wird, könnte auch davon abhängen, wie ehrgeizig ausländische Behörden überhaupt zu schnelles Fahren & Co. ahnden. Denn die Bußgelder verbleiben in dem Land, in dem sie eingetrieben werden.



AZ 2011, Nr. 36, S. 7

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